Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2379 25.01.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 26.01.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Oliver Kirchner (AfD) Enquete-Kommission: Linke Szene (V). „Demokratieberater/-innen“ im Rahmen des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“ Kleine Anfrage - KA 7/1335 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ hat, laut eigener Auskunft auf der Internetseite des Programms, deutschlandweit 1.060 Personen zu „Demokratieberater /-innen“ ausgebildet. Diese sollen für den Kampf gegen rechts sensibilisieren und „innerhalb ihrer Organisationen für das Erkennen antidemokratischer Haltungen“ sorgen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung 1. Nach welchen Standards erfolgt die Ausbildung zum/zur „Demokratieberater /-in“? Die Standards werden vom Bundesmittelgeber festgelegt und sind in einem Kerncurriculum dokumentiert (siehe Anlage). 2. Welche (fachlichen) Voraussetzungen müssen die Ausbilder erfüllen? Die Ausbilder werden von den Trägerorganisationen ausgewählt. Es handelt sich in der Regel um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Trägern der politischen Bil- 2 dung oder um freiberufliche pädagogisch und/oder geisteswissenschaftlich ausgebildete Referentinnen und Referenten. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Ausbildung der „Demokratieberater/- innen“ in Bezug auf Inhalte, Umsetzung? Die Ausbildung der Demokratieberaterinnen und Demokratieberater stärkt und qualifiziert das Ehrenamt in den Vereinen und Verbänden, es stärkt die Verbandskompetenz , innerverbandliche Konflikte, Diskriminierungsfälle o. ä. aus eigener Kraft aufzuarbeiten und ein demokratisches Binnenklima zu gestalten. 4. Wie viele dieser „Demokratieberater/-innen“ gibt es in Sachsen-Anhalt, in welchen Organisationen sind diese in welchen Regionen tätig? Die Zahl der ausgebildeten Demokratieberaterinnen und Demokratieberater beträgt derzeit bundesweit 1060 Demokratieberaterinnen und Demokratieberater (Stand Dezember 2016) von diesen kommen 301 aus Sachsen-Anhalt: 120 hauptamtliche und 181 ehrenamtliche Kräfte. Der regionale Einsatz wird statistisch nicht erfasst, sodass eine weitere Differenzierung nicht möglich ist. Zum Teil sind einzelne Demokratieberaterinnen und Demokratieberater in mehreren Regionen tätig. In folgenden Organisationen wurden bzw. werden in Sachsen-Anhalt Demokratieberaterinnen und Demokratieberater ausgebildet: Arbeiterwohlfahrt Sachsen-Anhalt e. V. Landessportbund Sachsen-Anhalt e. V. Fußballverband Sachsen-Anhalt e. V. Deutsche Lebensrettungsgesellschaft Sachsen-Anhalt e. V. Jugendfeuerwehr Sachsen-Anhalt e. V. Landfrauenverband Sachsen-Anhalt e. V. Landjugendverband Sachsen-Anhalt e. V. Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e. V. Förderverein der Russlanddeutschen Sachsen-Anhalt e. V. Ländliche Erwachsenenbildung Sachsen-Anhalt e.V. Katholische Erwachsenenbildung Sachsen-Anhalt e. V. Diakonie Sachsen-Anhalt/Thüringen 5. Wird das Wirken der „Demokratieberater/-innen“ evaluiert bzw. ist dies geplant ? Wenn geplant, ab wann und für welchen Zeitraum? Wer ist/wird mit der Evaluation betraut? Seit dem 1.1.2017 wird die Arbeit der Demokratieberaterinnen und Demokratieberater in den neuen Bundesländern evaluiert, beauftragt ist das Institut proVal GbR Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Analyse - Beratung - Evaluation in Hannover. 3 6. Wie oft wurden die „Demokratieberater/-innen“ seit Beginn des Programms innerhalb der jeweiligen Organisationen wegen sogenannter, vermuteter oder tatsächlicher, antidemokratischer Haltungen tätig? Die Fälle werden vom Bundesmittelgeber nicht länderbezogen geführt, in den Jahren 2015 und 2016 wurden etwa 2000 Fälle in den neuen Bundesländern dokumentiert . 7. Wie bewertet die Landesregierung das Wirken der „Demokratieberater/- innen“? Welche Erfolge sind bekannt? Demokratieberaterinnen und Demokratieberater greifen in allen beteiligten Vereinen und Verbänden konkrete Konfliktsituationen auf, führen allgemeine Informationsveranstaltungen zu ihrem Themenfeld durch und beraten innerverbandliche Gremien im Hinblick auf ihre Arbeitsweisen, Vereinsstrukturen und ihr Konfliktmanagement . Ihre Tätigkeit ist positiv zu bewerten, insbesondere aufgrund der nachhaltig angelegten Beratungs- und Informationstätigkeit. 8. Wird die Wirksamkeit der Bundesprogramme „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ evaluiert bzw. ist dies geplant? Wenn geplant, ab wann und für welchen Zeitraum? Wer ist/wird mit der Evaluation betraut? Beide Programme werden wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Einzelheiten sind über die nachfolgenden Links im Internet einsehbar: „Demokratie leben!“: www.demokratie-leben.de/bundesprogramm/ueberdemokratie -leben/programmevaluation-und-wissenschaftliche-begleitung.html „Zusammenhalt durch Teilhabe“ : http://www.zusammenhalt-durchteilhabe .de/ueberuns/142609/wissenschaftliche-begleitung 9. Wie bewertet die Landesregierung die Bundesprogramme „Demokratie leben ! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ und welche konkreten Erfolge sind zu nennen und welche gesteckten Ziele konnten umgesetzt werden? Beide Bundesprogramme tragen zu einer Stärkung von Demokratie, Vielfalt, Weltoffenheit und Toleranz sowie zu einer gelingenden Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bei. „Demokratie leben!“: Das Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ fördert ziviles Engagement und demokratisches Verhalten auf der kommunalen, regionalen und überregionalen Ebene. In Sachsen-Anhalt arbeiten gegenwärtig 19 Partnerschaften für Demokratie sowie 16 Modellvorhaben, die sich der Förderung von Demokratie und Vielfalt widmen und insbesondere in der Prävention gegen Rechtsextremismus und Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit tätig sind. Auch andere Formen von Demokratie- und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, von Gewalt, Hass und politischer Radikalisierung sind Gegenstand präventiver Arbeit. 4 „Zusammenhalt durch Teilhabe“: Das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ stärkt das Ehrenamt, qualifiziert die Demokratie-Kompetenz von Vereinen und Verbänden und stabilisiert so wichtige Strukturen, gerade auch in ländlichen Räumen. Es liefert dabei wichtige Instrumente für die Realisierung einer Vereinskultur, die verfassungsgemäßen Werten und Normen gerecht wird. Die konkreten Ergebnisse und Erfolge beider Programme sind den jeweiligen Abschluss - bzw. Zwischenberichten zu entnehmen, die ebenfalls über die in der Antwort zu Frage 8 aufgeführten Links im Internet abrufbar sind. Anlage Kerncurriculum für die Ausbildung von Demokratieberater/innen im Bundesprogramm IIZusammenhalt durch Teilhabefl I. Ziele der Ausbildung "Ehren- und hauptamtlich Tätige in Verbänden und Vereinen in ländlichen oder strukturschwachen Regionen sind befähigt, wirksame Handlungsansätze zur Stärkung demokratischer Teilhabe in den Verbands- und Vereinsstrukturen sowie zur Extremismusprävention zu entwickeln, umzusetzen und nachhaltig zu verankern." (ZdT-Richtlinie, Stand 31.08.2016) Durch die Ausbildung sollen Personen aus Vereinen und Verbänden zu einer verbandsinternen Beratung und Bearbeitung von diskriminierenden und undemokratischen Verhaltensweisen und zur Etablierung diesbezüglicher Verfahren und Prozesse qualifiziert und befähigt werden. Zu diesem Zweck müssen die Ausbildungsteilnehmer zunächst für die Themenbereiche Diskriminierung und menschenfeindliche Einstellungen sensibilisiert werden. Es geht dabei sowohl um die Reflexion eigener Haltungen als auch um eine Schärfung in der Wahrnehmung solcher Tendenzen Diskriminierende und fremdenfeindliche Verhaltensweisen sollen jedoch nicht nur identifiziert, sondern auch bearbeitet werden Um hier kompetent handeln zu können erwerben die Teilnehmer/innen der Ausbildung Wissen und Kompetenzen der Konfliktbearbeitung, Beratung und Moderation. Als motivierte und kompetente Berater/innen sollen sie, gemeinsam mit Schlüsselakteuren, das Beratungsangebot in den Verband implementieren und verankern .. Darüber hinaus sollen die Demokratieberater/innen nach der Ausbildung in der Lage sein, als Ansprechpartner/in und/oder Impulsgeber/in für demokratische Teilhabe in ihrem Verband zu wirken. 11. Rahmenbedingungen für die Ausbildung Die Ausbildungsinhalte sind inhaltlich auf die späteren Einsatzgebiete der Beraterinnen und Berater ausgerichtet. Das setzt voraus, dass vor dem Ausbildungsgang eine Analyse des Beratungsbedarfes innerhalb des Verbandes durchgeführt wird. Dabei gilt es, möglichst viele Ebenen des Verbandes in der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen (Ehren- und Hauptamt, Leitungen, Abteilungen, Arbeitsbereiche, Funktionseinheiten etc.). 1 Die Erkenntnisse aus der Bedarfsanalyse bilden die Grundlage für die Entwicklung eines Beratungskonzeptes, in dem die projekteigenen Standards definiert sind. Als Orientierung dient u.a. der im Rahmen des Bundesprogramms entwickelte "Leitfaden für eine gelungene Beratung" (abrufbar auf www.zusammenhalt-durch-teilhabe.de). Um eine gute Balance zwischen den Ressourcen der Zielgruppen und den vielfältigen Ausbildungsinhalten zu erhalten, empfiehlt es sich den Ausbildungsgang in mindestens vier Pflichtmodule und ein Wahlmodul a zweieinhalb Seminartage aufzuteilen. Hinsichtlich der Abstände zwischen den Modulen ist zu berücksichtigen, dass Zeit zur Vertiefung sowie zur praktischen Anwendung den Lernerfolg erhöht (z.B. ein bis zwei Monate Zeit zwischen den Modulen). Um eine gute Lernatmosphäre zu schaffen sollten mindestens 8 und maximal 20 Personen am Ausbildungsgang teilnehmen. Bei der Auswahl der Teilnehmenden sind folgende Kriterien zu berücksichtigen: Haupt- und Ehrenamt, Rollen und Funktionen im Verband, Leitungspositionen, Vorwissen und Kompetenzen, Geschlecht, Alter, regionale Herkunft. Für die Teilnahme gibt es klare Kriterien, die im Vorfeld festgelegt und bei der Teilnehmergewinnung offen im Verband kommuniziert werden. Da von einer umfassenden und kostenintensiven Ausbildung ausgegangen werden kann, lohnt es sich bereits im Vorfeld alles dafür zu tun, dass möglichst eine hohe Anzahl der Teilnehmenden später einsatzbereit für den Verein bzw. Verband zur Verfügung steht. Die Erwartungen und Wünsche an die Ausbildung sowie die spätere Verankerung im Verband werden in Vorgesprächen zwischen den Teilnehmer/innen und der Projektleitung geklärt (Einzel- oder Gruppengespräche). Empfohlen wird, die Ausbildungsgänge durchgängig von zwei Trainer/innen (Frau/ Mann) zu konzipieren und durchzuführen. Interne und externe Expert/innen können die Gestaltung der Ausbildung ergänzen. Die Ausbildung ist aussagekräftig zu dokumentieren, so dass für die Planung und Durchführung weiterer Ausbildungsgänge das Wissen zur Verfügung steht. Den Teilnehmenden ist die Dokumentation der Ausbildung bzw. ein Reader für die Weiterarbeit zur Verfügung zu stellen. Bereits während der Ausbildung werden Kommunikation und Erfahrungsaustausch der Berater/innen untereinander gefördert, z.B. über eine Kommunikationsplattform, Treffen und Supervisionen. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung wird ein Qualifizierungsnachweis (Teilnahmebescheinigung, Zertifikat) ausgestellt. 2 111. Ausbildungsinhalte in den Pflichtmodulen In den nachfolgenden Stichpunkten finden sich Grundlagen für die Ausbildungsinhalte. Neben der Vermittlung fachlicher Kompetenzen sollte auf eine gute Mischung aus gruppendynamischen und Aspekten geachtet werden. In der Konzeption ist auf ein hohes Maß an interaktiven Methoden sowie eine gute Balance zwischen Inputs, Übungen und Erfahrungsaustausch zu achten. Programmbezogene Inhalte Vereins-/ verbandsspezifische Inhalte Themenbezogene Inhalte Entwicklung von Fachkompetenzen Informationen zum Bundesprogramm Zusammenhalt durch Teilhabe Auseinandersetzung mit den Programmzielen und -inhalten Stärkung der Identifikation mit dem Anliegen des Programms Trägerrelevante Informationen (u.a. Strukturen, Befugnisse, Verbandskultur, Projektgenese) Gemeinsames Beratungsverständnis (u.a. Themen, Schwerpunkte, Einsatzgebiete, Arbeitsweise) Beratungs- und Betreuungssystem (u.a. Organigramm, Kommunikationswege, Organisatorisches) Kenntnis und Form der Zusammenarbeit mit weiteren Partnern (Beratungsstellen, Expert/innen) Grundlagen zu Diskriminierung und demokratiefeindlichen Einstellungen und Phänomenen Reflexion eigener Haltungen im Bereich gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit Sensibilität in der Wahrnehmung von Diskriminierung Entwicklung einer kritischen Haltung zu demokratiefeindlichen Einstellungen und Handlungen (Problembewusstsein) Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Diskriminierung und demokratie-j menschenfeindlichen Phänomenen Präventive Ansätze im Themenfeld Demokratiestärkung Kennenlernen von Supervision und deren Unterstützungsmöglichkeiten für das Projekt Grundlagen der Beratung o Definitionen, Modelle, Rollen, Grundhaltungen o Beratungsprozess: Prozessarchitektur, Hypothesenbildung, Auftragsklärung, Phasen einer Beratung, Reflexion & Dokumentation o Gesprächsführungstechniken, Methoden 3 Grundlagen zu Veränderungsprozessen in Organisationen und Teams Grundlagen der Konfliktbearbeitung (Konfliktarten und -stufen, Analyse, Prävention, Interventionstechniken) Grundlagen der Kommunikation (Aktives Zuhören, Feedbacktechniken, Rhetorik) Grundlagen der Moderation (Konzeption, Methoden, Präsentation, Visualisierung) eigene Rolle und Haltung als Berater/in: persönliche Reflexion sowie Klärung mit der Projektleitung und relevanten Akteur/innen im Verband Entscheidungsfähigkeit im Beratungsprozess (kann ich beraten, muss ich verweisen), Grenzen der Beratung Dokumentation und Evaluation von Beratungsprozessen (ZdT-lnstrumente, verbandseigene Instrumente) Arbeit an Fallbeispielen Kollegiale Beratung Didaktische Grundlagen zur Wissensvermittlung Praxisbezogene Inhalte Anwendung des erworbenen Wissens in Übungen während der Umsetzung der Module Co-Beratung mit der Projektleitung zwischen den Modulen bzw. nach Abschluss der Ausbildung Umsetzung eigener Beratungsprozesse oder Praxisprojekte zwischen den Modulen Praxisreflexion während der Module Übergreifende Inhalte vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre Kennenlernen, Gruppendynamik, Teambuilding Lernziele und persönliche Weiterentwicklung Strukturiertes Feedback durch die Teilnehmer/innen feierlicher Abschluss mit Zertifizierung ----- -------_ ... _---_ ...... -- Darüber hinaus können weitere, spezifische Themen bei der Ausgestaltung der Ausbildungsinhalte berücksichtigt werden. 4 IV. Ausbildungsinhalte in den Wahlmodulen Bedarfsorientierte Vertiefung zu Themen der Pflichtmodule Methoden der Bildung/ Beratung Menschenverachtende Einstellungen und Neonazismus (z.B. Argumentations- und Handlungstraining) Migration und interkulturelle Öffnung Partizipation/ Beteiligung Freiwilligenmanagement Verbandsentwicklung Projektmanagement 5