Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2414 31.01.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 31.01.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Marcus Spiegelberg (AfD) Anti-Terror-Einsatz in Wolmirstedt Kleine Anfrage - KA 7/1342 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am Morgen des 13. Dezember wurden Bewohner der Straße der Deutschen Einheit in Wolmirstedt - in unmittelbarer Nähe zweier Kindertagesstätten - durch Krach und Geschrei geweckt. Polizisten und augenscheinlich Beamte des SEK stürmten morgens gegen 6 Uhr die Wohnung dreier beschuldigter Asylbewerber (zwei Syrer und ein Iraker) und durchsuchten diese. Kommunikationsmittel und Computer wurden beschlagnahmt. Die Verdächtigen sollen zwischen August und Dezember 2013 einer Kampfeinheit in Syrien geholfen haben, die mit der radikal islamischen Al-Nusra- Front - einem Ableger des IS - in Verbindung steht. Der Einsatz fand zeitgleich mit Durchsuchungen in Sachsen und Bayern statt. Dies war bekannterweise nicht der erste Anti-Terror-Einsatz in unserem Land und auch nicht die erste Situation, in der Sachsen-Anhalt im Speziellen aufgrund der Auswirkungen einer unkontrollierten Masseneinwanderung und kriminellen Unterwanderung unserer Gesellschaft zunehmend in einem schlechten Licht dastand. Man siehe hierzu nur die kürzlich aufgedeckten Verbindungen der Manchester-Attentäter nach Weißenfels, die weit über die Grenzen Sachsen-Anhalts für Schlagzeilen sorgten . Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Vorbemerkung: Der parlamentarische Informationsanspruch ist grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Landesregierung hat aber dafür 2 Sorge zu tragen, dass Tatsachen, die dem Wohle des Landes Sachsen-Anhalt, der übrigen Bundesländer und des Bundes Nachteile zufügen würden, nicht bekannt werden. Teile der Antwort der Landesregierung müssen insoweit als Verschlusssache „VS-VERTRAULICH“ eingestuft werden. Hierbei wird der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt gefolgt, nach der bei der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung gegenüber dem Parlament unter Geheimhaltungsaspekten wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen mit einbezogen werden können (vgl. Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. September 2013, Az.: LVG 14/12; Urteil vom 25. Januar 2016, Az.: LVG 6/15.) Hierzu zählt auch die Geheimschutzordnung des Landtages (GSO-LT). Die Einstufung als Verschlusssache ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Wohl des Landes Sachsen-Anhalt geeignet, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Landesregierung zu befriedigen (Art. 53 Abs. 3 und 4 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt). Aus dem öffentlichen Bekanntwerden des zur Beantwortung der Frage 9 in Betracht kommenden Umfangs der der Landesregierung vorliegenden Informationen können ggf. Rückschlüsse auf den weiteren Erkenntnisstand der Landesregierung gezogen werden. Das Bekanntwerden dieser Informationen würde die Gefahr bergen, dass verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht mehr wirksam entgegengetreten werden kann und hierdurch dem Wohl des Landes Sachsen-Anhalt Nachteile zugefügt würden. Die Beantwortung von Teilen der Frage 9 ist daher als „VS-VERTRAULICH“ einzustufen. Entsprechend der Verschlusssachenanweisung für das Land Sachsen-Anhalt (VSA LSA) sind Dokumente als VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH einzustufen, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann (§ 7 VSA LSA). Vorliegend sind den Antworten auf einzelne Fragen polizeiinterne ablauforganisatorische und einsatztaktische Informationen (Frage 4 und 5) sowie Angaben zu einem laufenden Ermittlungsverfahren (Frage 8) zu entnehmen. Es steht zu fürchten, dass das Bekanntwerden der konkreten Informationen zu Aufgaben, Kräften und taktischen Maßnahmen der Polizei erhebliche Beeinträchtigungen in der künftigen Einsatzbewältigung und damit der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach sich zieht. Entsprechend der VSA LSA ist bei verständiger Würdigung der Angaben die Antwort der Landesregierung auf die Fragen 4, 5 und 8 daher als Verschlusssache „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ einzustufen und in der Geheimschutzstelle des Landtages zur Einsichtnahme zu hinterlegen. 1. Wie viele Polizeiaktionen wie in Wolmirstedt fanden im aktuellen Jahr und in den Jahren 2015 und 2016 gegen Asylbewerber statt? Was war der genaue Grund? Bitte bei den Beschuldigten nach Ethnie, Alter sowie ggf. nach Ankunft in Deutschland sowie Asylstatus aufschlüsseln. Soweit der Anfragesteller bei der Frage nach Polizeiaktionen gegen Asylbewerber Auskunft im Zusammenhang mit sogenannten Terrorismusstraftaten begehrt, antwortet die Landesregierung wie folgt: 3 Im Jahr 2015 fand keine Durchsuchung statt. Im Jahre 2016 fanden zwei Durchsuchungen und im Jahr 2017 drei Durchsuchungen statt. Allen Durchsuchungen lagen Durchsuchungsbeschlüsse der jeweils zuständigen Gerichte zugrunde. Die Verfahren sind wegen des Verdachts des Verstoßes gegen §§ 129 a, b Strafgesetzbuch geführt worden. Betroffen waren fünf Beschuldigte, davon ein Jugendlicher. Einer der Beschuldigten hat die afghanische, vier haben die syrische Staatsbürgerschaft. Alle besitzen einen Asylstatus gemäß § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. 2. Wie viele Verdächtige gab es im aktuellen Jahr und in den Jahren 2015 und 2016? Wie ist der Ermittlungsstatus? Bitte nach Ethnie (u. a. nach Deutschen mit Migrationshintergrund und ethnischen Deutschen) aufschlüsseln . Im Jahr 2015 ist gegen sieben, in den Jahren 2016 und 2017 jeweils gegen 13 Tatverdächtige ermittelt worden. 23 Ermittlungsverfahren sind wegen des Verdachts gem. § 129 a, b Strafgesetzbuch (StGB), sechs Verfahren wegen des Verdachts gem. § 89 a StGB und ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts § 91 StGB geführt worden. Neun Verfahren befinden sich derzeit noch in der Bearbeitung, 19 Verfahren sind der zuständigen Staatsanwaltschaft übersandt worden. Von den 33 Tatverdächtigen sind 17 syrischer, sechs deutscher, jeweils drei somalischer und afghanischer Herkunft. Zwei der Tatverdächtigen stammen aus der Türkei und zwei aus Pakistan. 3. Wie viele sogenannte „Rückkehrer“ befinden sich aktuell (Stand: Dezember 2017) in Sachsen-Anhalt und wie hoch setzt das Innenministerium die Dunkelziffer dieser in Sachsen-Anhalt an? Wie hat sich deren Zahl innerhalb der letzten fünf Jahre verändert? Bitte nach Ethnie, Alter, und ggf. nach Ankunft in Deutschland aufschlüsseln. Soweit der Anfragesteller Auskunft dahingehend begehrt, dass die Anzahl derzeit in Sachsen-Anhalt aufhältiger deutscher Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland gefragt ist, die in Richtung Syrien/Irak gereist waren, um dort auf Seiten des Islamischen Staates und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen, kann eine Einschätzung zur Höhe einer in diesem Zusammenhang abgefragten „Dunkelziffer“ mangels entsprechender Erkenntnisse nicht erfolgen. Erkenntnisse darüber, dass sich in den letzten fünf Jahren Personen im Sinne der Fragestellung in Sachsen-Anhalt befanden oder befinden, liegen nicht vor. 4. Wie viele der sogenannten „Gefährder“ befinden sich aktuell in Sachsen- Anhalt und von welcher Dunkelziffer geht das Innenministerium aus? Wie hat sich deren Zahl innerhalb der letzten fünf Jahre verändert? Bitte nach Ethnie, Alter, Gemeinde und Ankunft in Deutschland aufschlüsseln. Die Beantwortung unterliegt der Einstufung VS-Nur für den Dienstgebrauch und kann bei der Geheimschutzstelle des Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Landtages eingesehen werden. Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen. 4 5. Wie viele Polizeibeamte sind in Sachsen-Anhalt eingeteilt, um Gefährder sowie Rückkehrer dauerhaft zu kontrollieren und die Gefahr eines Anschlags wie auf den Berliner Breitscheidplatzes mit 12 Toten und 56 Verletzten einzudämmen bzw. zu minimieren? Die Beantwortung unterliegt der Einstufung VS-Nur für den Dienstgebrauch und kann bei der Geheimschutzstelle des Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Landtages eingesehen werden. Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen. 6. Welche Anstrengungen sind seitens der Landesregierung geplant, um die Anzahl der Gefährder und Rückkehrer in Sachsen-Anhalt zu senken und somit die Gefahr eines Terroranschlags zu minimieren? Grundsätzlich ist jede als Gefährder im Phänomenbereich religiöse Ideologie eingestufte Person als Einzelfall zu betrachten. Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder stehen in einem ständigen Erkenntnis- und Erfahrungsaustausch , um die anhaltend hohe abstrakte Gefährdung durch einen terroristischen Anschlag zu minimieren. Die Ausweisung gefährdungsrelevanter Personen in ihre Herkunftsländer wird grundsätzlich als geeignete Maßnahme angesehen, allerdings sind Rückführungen aufgrund bestehender nationaler und internationaler Regelungen nicht in jedem Fall möglich. In den Fällen der Rückkehr deutscher Staatsangehöriger kann diesen die Einreise nach Deutschland nicht verwehrt werden. Neben der strafrechtlichen Aufarbeitung jedes Einzelfalles gilt es hier zu prüfen, welche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von den jeweiligen Personen ausgeht, welche rechtlichen Möglichkeiten zur Abwehr dieser Gefahr geboten sind und wie die Reintegration in die Gesellschaft erfolgen kann. Im Landeskriminalamt Sachsen- Anhalt ist eine Organisationseinheit eingerichtet worden, die sich ausschließlich mit der Bearbeitung von Hinweisen und Ermittlungsverfahren mit dem Hintergrund des islamistischen Terrorismus befasst. Das Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit in Sachsen- Anhalt befasst sich seit 2017 auch mit dem islamistischen Extremismus. Die Aufklärung über den Islam, die Auseinandersetzung mit Islamismus, die Prävention von religiös motivierten Radikalisierungsprozessen sowie die Entwicklung und Initiierung geeigneter Maßnahmen zur Deradikalisierung bilden einen neuen, weiteren Schwerpunkt des Landesprogramms. In diesem Rahmen soll auch ein ressortübergreifendes Präventionsnetzwerk Salafismus aufgebaut werden. Das Ministerium für Inneres und Sport setzt diese Strategie über Vorträge, Infomationsbroschüren , Publikationen, Fachveranstaltungen sowie Prävention durch Aufklärung, insbesondere mittels Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen, um. Ergänzend wird auf die Publikationen der Verfassungsschutzbehörde Sachsen-Anhalt „Aktivitäten extremistischer Akteure im Zusammenhang mit Flüchtlingen“ sowie insbesondere „Salafismus: Radikalisierung im Namen Allahs - salafistische Mission erkennen, Radikalisierungen bemerken“ (1/2017) verwiesen , die auch auf der Homepage des Ministeriums für Inneres und Sport heruntergeladen werden können. 5 7. Wie schätzt die Landesregierung die Gefahr eines Terroranschlags in Sachsen-Anhalt ein? Bitte nach Risikoregionen/-orten aufschlüsseln. Der Landesregierung liegen keine Hinweise auf eine konkrete Gefahr durch einen Terroranschlag in Sachsen-Anhalt vor. Gleichwohl besteht sowohl für Sachsen- Anhalt, das gesamte Bundesgebiet als auch für deutsche Interessen in verschiedenen Regionen der Welt eine anhaltend hohe abstrakte Gefährdung, die sich jederzeit an jedem Ort in Form von gefährdungsrelevanten Ereignissen bis hin zu terroristischen Anschlägen und Entführungen konkretisieren kann. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Einzelpersonen oder autonom agierende Gruppen aus vermeintlich religiösen oder ideologischen Gründen zur Planung und Durchführung gefährdungsrelevanter Ereignisse bis hin zu terroristischen Anschlägen unter Nutzung von einfach zu beschaffenden, zu lagernden und einzusetzenden Tatmitteln wie Schusswaffen oder sonstigen gefährlichen Gegenständen verpflichtet fühlen. 8. Seit wann sind die drei Verdächtigen des Wolmirstedter Anti-Terror- Einsatzes in Wolmirstedt? Wie ist deren Aufenthalts- bzw. Asylstatus und was wird seitens der Landesregierung geplant, um die Wolmirstedter vor möglichen Straftaten dieser drei Personen zu schützen? Die Beantwortung unterliegt der Einstufung VS-Nur für den Dienstgebrauch und kann bei der Geheimschutzstelle des Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Landtages eingesehen werden. Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen. 9. Wie hat sich die Zahl der islamistischen Personen in Sachsen-Anhalt seit dem Jahr 1990 verändert? Bitte nach Landkreis aufschlüsseln. Gemäß § 15 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) unterrichtet die Landesregierung die Öffentlichkeit und den Landtag über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 4 Abs. 1 VerfSchG-LSA und somit auch über das islamistische Personenpotenzial. Hierzu gibt sie die jährlichen Verfassungsschutzberichte heraus. Der Bereich des Islamismus wird erst seit dem Jahr 2014 als eigenständiges Kapitel im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt dargestellt und somit auch das islamistische Personenpotenzial. Bis Ende des Jahres 2015 gab es in Sachsen-Anhalt keine festgefügten Strukturen islamistischer Organisationen und Gruppierungen. Salafistische Einzelpersonen waren meist in überregionalen Gruppierungen aktiv. Darüber hinaus wurden Aktivitäten von Einzelpersonen aus Sachsen-Anhalt im Internet, zum Beispiel in sozialen Netzwerken, bekannt. Die Zahl der verfassungsschutzrelevanten Salafisten in Sachsen-Anhalt lag bis zu diesem Zeitpunkt im mittleren zweistelligen Bereich. Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2016 weist ein zu verzeichnendes islamistisches Personenpotenzial von 150 Islamisten aus. 6 Darüber hinaus liegen der Landesregierung weitere Erkenntnisse im Sinne der Frage vor. Deren Mitteilung ist der Landesregierung in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht möglich. Zur Begründung wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung zu dieser Kleinen Anfrage verwiesen. Die vollständige Antwort ist daher als Verschlusssache VS- VERTRAULICH einzustufen und kann bei der Geheimschutzstelle des Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Landtages eingesehen werden.