Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2456 16.02.2018 (Ausgegeben am 19.02.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Oliver Kirchner (AfD) Enquete-Kommission: Linke Szene (III). Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus (NAP) - Umsetzung und Wirksamkeit Kleine Anfrage - KA 7/1333 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Stellungnahme des Landes Sachsen-Anhalt zum Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus (NAP) wurden Positionen der Landesregierung zum NAP abgefragt, insbesondere mit Bezug auf die Implementierung des NAP durch die Landesregierung während der 7. Legislaturperiode.1 Im Bildungsbereich wird auf die Demokratiebildung im Schulgesetz verwiesen und im Besonderen auf den Lehrplan für die Gymnasien und Fachgymnasien. Dort sei der inhaltliche Schwerpunkt „Demokratisch handeln und Demokratie stärken“ fachübergreifend verankert. Was dies genau bedeutet und wie dieser Schwerpunkt konkret umgesetzt wird, wird nicht erläutert. Zudem verweist die Landesregierung auf das Netzwerk „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung 1. Wie wird im Bildungsbereich der inhaltliche Schwerpunkt „Demokratisch handeln und Demokratie stärken“ konkret umgesetzt? Bitte erläutern Sie auch die fachübergreifende Verankerung. Die fächerübergreifende Verankerung des inhaltlichen Schwerpunktes „Demokratisch handeln und Demokratie stärken“ im Lehrplan Gymnasium/Fachgymnasium erfolgt im schulformspezifischen Grundsatzband „Kompetenzentwicklung und Unterrichtsqualität “ (MK 2015, S. 11 f.). Demokratiekompetenz wird dort als Schlüsselkompe- 1 Vgl. Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus, 2017, S. 172 ff. 2 tenz für Schülerinnen und Schüler ausgewiesen und beschrieben. Auf S. 9 im Grundsatzband Gymnasium/Fachgymnasium ist festgelegt, dass die Ausprägung von Schlüsselkompetenzen gemeinsame Aufgabe aller Fächer ist. Maßnahmen zur fächerübergreifenden Entwicklung der Schlüsselkompetenzen sind abhängig von den Bedingungen vor Ort und werden von den Schulen über Schulprogramme und durch schulinterne Planungsarbeit realisiert. Ausführungen zur schulinternen Planung sind dem o. g. Grundsatzband (S. 6 f.) zu entnehmen. 2. Wird die Wirksamkeit des Schwerpunktes „Demokratisch handeln und Demokratie stärken“ evaluiert? Evaluationen zur Wirksamkeit des Schwerpunktes „Demokratisch handeln und Demokratie stärken“ sind nicht vorgesehen. Der Beitrag einer einzelnen Schlüsselkompetenz beim Handeln von Einzelnen oder Gruppen kann nicht getrennt von anderen Einflussfaktoren erfasst werden. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Wirksamkeit des Netzwerks des Schwerpunktes „Demokratisch handeln und Demokratie stärken“ in den Schulen Sachsen-Anhalts? Welche Erfolge sind zu verzeichnen? Ein Netzwerk des Schwerpunktes „Demokratisch handeln und Demokratie stärken“ gibt es in den öffentlichen Schulen nicht. 4. Entstehen dem Land Kosten für die Implementierung und Umsetzung des Schwerpunktes „Demokratisch handeln und Demokratie stärken“ in den Schulbetrieb? Bitte die geplanten Kosten für das laufende Jahr 2017 und für 2018 benennen. Die Ausbildung von Demokratiekompetenz als Schlüsselkompetenz ist Teil der fächerübergreifenden Umsetzung des Lehrplanes. Zusätzliche Kosten entstehen hier nicht. 5. Wird die Wirksamkeit des Netzwerks „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ evaluiert? Welche Erfolge sind zu verzeichnen? Seit dem Schuljahr 2007/2008 werden die Schulen im Netzwerk jährlich über einen standardisierten Fragebogen evaluiert, seit 2015 erfolgt dies in digitalisierter Form. Das Netzwerk umfasst in Sachsen-Anhalt mehr als 135 Schulen, im Verhältnis der Courage-Schulen zur Bevölkerungszahl in Sachsen-Anhalt liegt das Land bundesweit an der Spitze. Seit Bestehen der Landeskoordination gibt es in jedem Jahr einen quantitativen Aufwuchs, der sich auch in den unterschiedlichen Schulformen spiegelt. Auch die Kontinuität der im Netzwerk arbeitenden Schulen stellt sich weitestgehend konsolidiert dar, die thematische und methodische Bandbreite der im Rahmen des Netzwerks aktiven Schulen ist immens. 3 6. Wie bewertet die Landesregierung die Wirksamkeit des Netzwerks „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ im Land Sachsen-Anhalt? Die Landesregierung bewertet die Arbeit des Netzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ uneingeschränkt positiv. Insbesondere der menschenrechtsbasierte Bildungsansatz in Verbindung mit Angeboten des sozialen Lernens in einem möglichst diskriminierungsfreien Schulalltag eröffnet einen ganzheitlichen Umgang mit dem Thema Diskriminierung und Menschenrechte in der Schule. 7. Entstehen dem Land Kosten für die Aktivitäten des Netzwerks „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“? Bitte die geplanten Kosten für das laufende Jahr 2017 und für 2018 benennen. Wer trägt anfallende Kosten des Netzwerks ? Im Haushaltsjahr 2017 wurden in der Landeszentrale für politische Bildung für die Koordination und für Bildungsmaßnahmen insgesamt 109.942,94 € umgesetzt, für das Jahr 2018 sind 100.000,00 € im Haushalt der LpB hierfür vorgesehen. Bemerkung des Fragestellers: Bei der Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung stehen laut Landesregierung vor allem der ländliche Raum und die altersunabhängige Bildung im Vordergrund. Sie „fördert also auch Demokratieentwicklung in Kita und Grundschule“. 8. Mit welchen konkreten Projekten wird die „Demokratieentwicklung“ in diesem Bereich umgesetzt bzw. mit welchen Projekten soll sie umgesetzt werden? Die Landeszentrale für politische Bildung beteiligte sich u. a. an dem Bildungsprojekt „IGEL“ der Deutschen Angestellten-Akademie Halberstadt für Kindertagesstätten, am Projekt „DISA“ der Bildungsvereinigung „Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt e. V.“ sowie an Schulprojekttagen in Grundschulen zu Themen der Aufarbeitung von Geschichte , zur Förderung der interkulturellen Kompetenz sowie des friedlichen und gleichberechtigten Umgangs untereinander. Darüber hinaus bot die LpB im Jahr 2017 im Zusammenhang mit dem Zeitzeugenprojekt „Fragt heute“ (Kampagne „Demokratie stärken“) eine Fachtagung, mehrere Schulprojekttage sowie ein Buch zum Umgang mit dem Thema Holocaust in der Grundschule an. 9. Welche Kosten sind dem Land in diesem Bereich bisher entstanden? Bitte benennen Sie zusätzlich die geplanten Kosten für das laufende Jahr 2017 und für 2018. Die Landeszentrale hat in den Haushaltsjahren 2015 bis 2017 insgesamt 32.049,64 € für Projekte im Bereich Kita und Grundschule umgesetzt, für 2018 liegen noch keine Kosten-Planungen vor. Bemerkung des Fragestellers: Als inhaltlicher Schwerpunkt der Landesregierung wird die politische Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Gruppierungen und den Protesten gegen die Flüchtlingskrise benannt. Hiergegen soll „ein Aufbau langfristiger zivilgesellschaftlicher Strukturen“ helfen. 4 10. Mit welchen konkreten Projekten soll „ein Aufbau langfristiger zivilgesellschaftlicher Strukturen“ befördert werden? Die konzeptionelle Klammer für den Aufbau langfristiger zivilgesellschaftlicher Strukturen bildet das Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit in Sachsen -Anhalt. Das Programm bündelt die in den Ressorts umgesetzten Maßnahmen zur Stärkung von Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit sowie die vielfältigen Arbeitsansätze , die in Vereinen und Verbänden entwickelt wurden. Zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements fördern Bund und Land im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! - Aktiv gegen Rechtsextremismus , Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ mit dem Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus , den 19 Partnerschaften für Demokratie und den 16 Modellprojekten zentrale Strukturen zur Demokratieförderung in Sachsen-Anhalt. Bereits 2007 wurde das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus eingerichtet, das fachkompetente Beratung bei rechtsextremen Ereignislagen sowie für Opfer rechter Gewalt anbietet. Flächendeckend arbeiten in Sachsen-Anhalt in vier Regionen des Landes Regionale Beratungsteams und Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt (Halle, Dessau, MD, Salzwedel). Mit den Partnerschaften für Demokratie (PfD) werden in Sachsen-Anhalt 19 Landkreise bzw. Kommunen dabei unterstützt, lokale Handlungskonzepte zur Förderung von Demokratie und Vielfalt zu entwickeln und umzusetzen. Ziel ist es, die demokratische Kultur vor Ort zu stärken. Die Begleitausschüsse sind ein wichtiges Gremium, um vor Ort die Aktiven aus der Kommunalpolitik, der Jugendarbeit, den Vereinen und Verbänden, der Wirtschaft und der Verwaltung zusammenzubringen. Das Land koordiniert diese Partnerschaften fachlich und hat dazu beigetragen, eine flächendeckende Struktur in Sachsen-Anhalt aufzubauen und zu festigen. Eine weitere Programmsäule bilden die 16 Modellprojekte in Sachsen-Anhalt. Die Modellvorhaben sind innovative, zeitlich begrenzte Projekte zu ausgewählten Phänomenen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) und Demokratiestärkung im ländlichen Raum. Deren Erkenntnisse sollen auf andere Träger und Regelstrukturen , insbesondere der Kinder- und Jugendhilfe übertragen werden. 11. Welche Aufgaben sollen diese zivilgesellschaftlichen Strukturen wahrnehmen ? Wie sollen sie wirken? Zivilgesellschaftliche Strukturen sollen insbesondere demokratische Werte, gesellschaftspolitische Handlungskompetenz und bürgerschaftliches Engagement stärken sowie zum Abbau und zur Prävention von Rechtsextremismus sowie Rassismus und aller anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit beitragen. Die Zielstellungen können dem Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt entnommen werden (https://demokratie.sachsenanhalt .de/). 5 12. Entstehen dem Land Kosten für den „Aufbau langfristiger zivilgesellschaftlicher Strukturen“? Bitte die geplanten Kosten für das laufende Jahr 2017 und für 2018 benennen. Der Aufbau langfristiger zivilgesellschaftlicher Strukturen ist zentraler Bestandteil des Haushaltsansatzes für „Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie und zur Bekämpfung vom Rechtsextremismus“. Im laufenden Doppelhaushalt stehen 1.762.500 € in 2017 und 1.865.900 € in 2018 zur Verfügung. 13. Bitte begründen Sie, warum in der Stellungnahme zum NAP keine Unterscheidung zwischen rechts-konservativen Positionen im demokratischen Meinungsspektrum und rechtsextremistischen Einstellungen vorgenommen wird. Für die Ausführungen der Länder zum „Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Rassismus “ wurde die Landesregierung gebeten, die unterschiedlichen Maßnahmen und Programme gegen Erscheinungsformen von Rassismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit in ausgewählten Themenbereichen aufzuzeigen. Der NAP fokussiert in seiner Zielstellung dabei eindeutig auf Positionen und Maßnahmen zum Umgang mit rassistischen Diskriminierungen. Eine Unterscheidung zwischen rechtskonservativen Positionen im demokratischen Meinungsspektrum und rechtsextremistischen Einstellungen war aufgrund dieser Schwerpunktsetzung nicht Gegenstand der Darstellung . Bemerkung des Fragestellers: Im Bereich der Justiz wurden im Sinne des NAP bei den Staatsanwaltschaften besondere Sachgebiete eingerichtet, deren Auftrag unklar beschrieben ist. Es ist lediglich von einer „gesonderten Beachtung“ und einer Zusammenlegung der einschlägigen politischen Straftaten mit Kapitalverbrechen die Rede. 14. Welchen Auftrag haben diese besonderen Aufgabengebiete konkret? Die bei der Staatsanwaltschaft eingerichteten Dezernate für „politische Strafsachen einschließlich einschlägiger Kapitalstrafsachen“ umfassen - Verfahren, die Verstöße gegen die in § 74a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) genannten Bestimmungen zum Gegenstand haben (z. B. Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, politische Verdächtigung); - sogenannte „Propagandadelikte“ (Straftaten nach §§ 86a, 90a Abs. 1 und 2, 130, 130a, 131 Strafgesetzbuch); - Verfahren allgemeiner Art, sofern diese wegen der Motivation oder Resonanz einen politischen Einschlag haben (z. B. Landfriedensbruch, Gewalttaten gegenüber Ausländern, gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen politischen Gruppen, politische Beleidigungen). Kapitalstrafsachen sind besonders schwere, in § 74 Abs.2 GVG aufgeführte Straftaten , für die eine Strafkammer des Landgerichts als Schwurgericht erstinstanzlich zuständig ist (z. B. Mord, Totschlag, Raub mit Todesfolge). 6 15. Welchen Vorteil sieht die Landesregierung in der Einrichtung dieser besonderen Sachgebiete? Spezialisierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte können noch stärker dazu beitragen , entsprechende Taten umfassender aufzuklären. Die Konzentration von Fachwissen und die konsequente Bündelung und Koordinierung strafrechtlicher Ermittlungen dient der Effizienzsteigerung bei der Strafverfolgung und gewährleistet eine einheitliche Rechtsanwendung. 16. Wird die Wirksamkeit dieser Sachgebiete evaluiert bzw. ist dies geplant? Eine Evaluierung erfolgt nicht und ist nicht geplant. 17. Wie stellt sich die „gesonderte Beachtung“ in der Realität dar? Die gesonderte Beachtung eines speziellen Kriminalitätsbereichs kommt in der Schaffung von Sonderdezernaten bei den Staatsanwaltschaften zum Ausdruck. Während sich die Zuständigkeit für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Dezernat „Allgemeine Strafsachen“ in der Regel aus den Anfangsbuchstaben des Familiennamens (bei erwachsenen Beschuldigten) oder nach dem Wohnort (bei jugendlichen oder heranwachsenden Beschuldigten) ergibt, ist für die Zuständigkeit in Sonderdezernaten die spezielle Deliktsart maßgeblich. 18. Wird bei einer Zuordnung von Straftaten zu einem der besonderen Sachgebiete auf den konkreten politischen Hintergrund einer Straftat abgestellt oder werden Bürger mit einer per se „rechten“ politischen Gesinnung grundsätzlich „gesondert beachtet“, gleich um welche Straftaten es sich handelt? Die Zuordnung eines Ermittlungsverfahrens zu einem „Sonderdezernat“ ergibt aus dem konkreten Delikt. Allein die politische Einstellung eines oder einer Beschuldigten begründet nicht die staatsanwaltschaftliche Verfahrensbearbeitung in einem besonderen Sachgebiet.