Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2457 16.02.2018 (Ausgegeben am 19.02.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Oliver Kirchner (AfD) Enquete-Kommission: Linke Szene (VI). Frühprävention und Diversity-Bildung im Vor- und Grundschulalter Kleine Anfrage - KA 7/1336 Vorbemerkung des Fragestellenden: Laut Aussage der Bundesregierung1 möchte diese im Rahmen der „Demokratieförderung “ die „Frühprävention bzw. zur Diversity-Bildung im Vor- und Grundschulalter“ fördern. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung Frage 1: Wie definiert die Landesregierung das Ziel der „Diversity-Bildung“? „Diversity-Bildung“ bezeichnet Bildungskonzepte und Maßnahmen zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz insbesondere im Hinblick auf die Befähigung zum Erkennen , Anerkennen und Integrieren unterschiedlicher Gruppen, insbesondere im Hinblick auf Kultur, Ethnie, Alter, Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung oder soziale Stellung. Ziel ist die Befähigung zu einem diskriminierungsfreien Denken und Handeln . „Diversity-Bildung“ ist damit zentraler Bestandteil der Menschenrechtserziehung sowie inklusiver Bildungskonzepte. 1 „Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung“, S. 21. 2 Frage 2: Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage fußen die Konzepte zur „Diversity- Bildung“? Konzepte zur Diversity-Bildung basieren im Ursprung auf Erfahrungen und Handlungskonzepten der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Das Institut CAP für angewandte Politikwissenschaft sowie die Bertelsmann-Stiftung haben mehrere pädagogische Konzepte aus den USA und Israel für den deutschsprachigen Raum adaptiert und weiterentwickelt (z. B. Betzavta, Eine Welt der Vielfalt, Achtung und Toleranz ). Einen Überblick über die wissenschaftliche Diskussion bietet beispielsweise die Publikation Managing diversity: die diversitätsbewusste Ausrichtung des Bildungs -und Kulturwesens, der Wirtschaft und Verwaltung2. Frage 3: Welche konkreten Projekte/Veranstaltungen/Initiativen gibt es derzeit in Sachsen -Anhalt, um diese Ziele der Bundesregierung umzusetzen bzw. welche konkreten Projekte/Veranstaltungen/Initiativen sind geplant? Die Landesregierung unterstützt seit mehreren Jahren Projekte zur Umsetzung der entsprechenden Bildungskonzepte, hierzu gehört das Projekt IKOE der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e. V., der gemeinsame Aufbau eines Trainer-Pools der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e. V. sowie der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) z. B. für Schulprojekttage und Lehrerfortbildungen. Die Durchführung von Schulprojekttagen erfolgt auf Nachfrage aus den Schulen. Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung bereits langjährig das Engagement sowie die vielfältigen Projektangebote zur Förderung interkultureller Kompetenzen der Servicestelle für interkulturelles Lernen in der Schule. Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) fördert im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ - Aktiv gegen Rechtsextremismus , Gewalt und Menschenfeindlichkeit (2015-2019)“ Modellvorhaben, die sich für die Demokratieförderung im Vor- und Grundschulalter einsetzen und innovative Ansätze in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen erproben . In Sachsen-Anhalt arbeiten gegenwärtig zwei Modellvorhaben in diesem Themenfeld : 1. Das Projekt „DISA - Demokratie und Integration in Sachsen-Anhalt“ der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt e.V. möchte im ländlichen Raum modellhaft Kindergärten und Schulen vernetzen. Im ländlichen Raum sind dies wichtige Orte der Begegnung. Damit sind sie Ausgangspunkt, um gesellschaftlich wichtige Themen wie Demokratieentwicklung und Rechtsextremismusprävention zu platzieren und unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen. Ziel ist es, die demokratische Teilhabe von Kindern in Kitas, Horten und Grundschulen stärker zu fördern und den respektvollen Umgang mit Unterschieden zwischen Menschen, aber auch mögliche Bildungsungleichheiten stärker als bisher zum Thema in diesen Einrichtungen zu machen. Im Fokus des Projektes DISA stehen die inhaltliche Begleitung und Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften in Form von Fort- und Weiterbildungen und Praxisbegleitungen. 2 Feidooni, Karim und Antoinetta P. Zeoli (2016): Managing diversity: die diversitätsbewusste Ausrichtung des Bildungs-und Kulturwesens, der Wirtschaft und Verwaltung, Springer VS-Verlag, Wiesbaden 3 2. Das Projekt „KiWin – Mit Kindern in die Welt der Vielfalt hinaus“ des Vereins Kinder Stärken e. V. fokussiert auf die Erprobung von Methoden einer Pädagogik der Vielfalt anhand der Kategorien Ethnizität, Religion, Geschlecht, sexuelle Identität und sozialer Herkunft im Elementarbereich. Anhand des Aktionsraumes ländlicher Raum und in Verbindung zwischen Theorie und Praxis der Pädagogik wird ein Methodenhandbuch entwickelt. Es wird mittels Kompetenz- und Organisationsentwicklung in KiTas implementiert und soll nachhaltig in Lehre und Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen in Sachsen-Anhalt (und darüber hinaus) verankert werden. Darüber hinaus ist das Bildungsprogramm „Bildung: elementar - Bildung von Anfang an“ gem. § 5 Abs. 3 KiFöG verbindliche Grundlage der Umsetzung des Erziehungsund Bildungsauftrages der Träger der Tageseinrichtungen. Das Bildungsprogramm setzt sich an verschiedenen Stellen, insbesondere aber in Leitlinie 5 (Inklusion), mit Konzepten von Vielfalt und Inklusion auseinander. Jedes Kind, gleich welcher Herkunft , Religion, gesundheitlichen Belastungen, körperlichen, geistigen oder seelischen Besonderheiten oder gleich welchen Geschlechts hat das Recht darauf, in eine Tageseinrichtung aufgenommen und entsprechend seiner Individualität und Bedürfnisse gebildet und gefördert zu werden. Die pädagogischen Fachkräfte haben sich nach den konkreten Lebensumständen und Erfahrungswerten der Familien zu erkundigen und dieses Wissen als Basis des gemeinsamen Alltags in der Tageseinrichtung zu nutzen. Kinder sollen den Umgang mit Vielfalt, aber auch die Auswirkungen von Ungleichheit, Vorurteilen und Diskriminierung kennenlernen und so gefördert werden, dass alle Kinder gleichberechtigt an der Gemeinschaft teilhaben können. Des Weiteren gibt es in Sachsen-Anhalt seit Ende 2015 das Modellprojekt „Willkommens KITAs“ - ein Unterstützungsprogramm für Kindertageseinrichtungen, die durch die Zunahme von Kindern aus asylsuchenden Familien in den Einrichtungen vor neue pädagogische und organisatorische Herausforderungen gestellt werden. Aufgrund des geringen Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung Sachsen-Anhalts haben viele pädagogische Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen bislang nur wenig oder gar keine Erfahrung im Umgang mit Kindern mit Fluchtgeschichte und aus anderen Kulturen. Sie fühlen sich deshalb im Umgang mit diesen Kindern und ihren Eltern nicht gut vorbereitet, zum Teil überfordert und allein gelassen. Hier besteht hoher Unterstützungsbedarf. Um Kindertageseinrichtungen darin zu stärken, Bildung und Teilhabe für jedes Kind zu ermöglichen, haben die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) und das Ministerium für Arbeit , Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt im November 2015 gemeinsam das Landesmodellprojekt „WillkommensKITAs Sachsen-Anhalt“ initiiert. Durch Coachings, Fortbildungen für sozialpädagogische Fachkräfte und Netzwerktreffen werden landesweit 26 Modelleinrichtungen dabei unterstützt, sich zu Orten zu entwickeln, an denen Kinder aller Kulturen und ihre Familien sich sicher, anerkannt und willkommen fühlen und teilhaben können. 4 Frage 4: Wird die Wirkung dieser Projekte etc. evaluiert bzw. ist dies geplant? Wenn geplant , ab wann und für welchen Zeitraum? Wer ist/wird mit der Evaluation betraut ? Die Fortbildung und Zertifizierung der Trainer erfolgt durch zertifizierte Ausbilder, die Programme der Bertelsmann-Stiftung werden durch die Stiftung evaluiert. Das Deutsche Jugendinstitut e. V. (DJI) ist seit dem Start des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ mit der Aufgabe der Programmevaluation u. a. für die Programmsäule der Modellprojekte beauftragt. Die Programmevaluation untersucht die Umsetzung und die Effekte der Programmaktivitäten in ihrer Gesamtheit, ordnet sie fachlich ein und bewertet sie. Die wissenschaftliche Begleitung realisiert eine Projektbegleitung mit unterschiedlicher Reichweite und Tiefe: Sie kombiniert quantitative Erhebungen bei allen Projekten mit qualitativen Erhebungen bei einem ausgewählten Teil der Projekte. Weitergehende Informationen sind unter folgendem Link im Internet einsehbar: https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/DemokratieLeben/Zweiter_Bericht_Modellpr ojekte_2016.pdf Darüber hinaus sind keine Evaluierungen vorgesehen. Frage 5: Welche Kosten werden nach Auffassung der Landesregierung dem Land aus der Umsetzung der genannten Projekte etc. in 2018, 2019 und 2020 entstehen? Im Jahr 2018 wird durch die LpB das Projekt IKOE mit 5.000,00 € gefördert, Anfragen zu Schulprojekttagen liegen der LpB noch nicht vor. Für die Jahre 2019 und 2020 liegt noch kein Haushaltsplan im Ministerium für Bildung vor. Die Förderung der Modellprojekte im Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ erfolgt schwerpunktmäßig durch das BMFSFJ. Für das Land Sachsen-Anhalt sind in den Jahren 2018 und 2019 folgende Haushaltsmittel (vorbehaltlich der zur Verfügung stehenden Mittel) im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration geplant: Ko-Finanzierung 2018 Ko-Finanzierung 2019 Projekt DISA 12.000 € 12.000 € Projekt KiWin 11.634 € 11.634 € Ausgehend von der Programmlaufzeit des Bundesprogramms bis zum 31.12.2019 ist eine Förderung im Haushaltsjahr 2020 derzeit nicht vorgesehen. Die Kosten für das Landesprojekt „WillkommensKITAs Sachsen-Anhalt“ (Projektlaufzeit : November 2015 - November 2018) belaufen sich im Jahr 2018 insgesamt auf ca. 225.000 €.