Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2480 20.02.2018 (Ausgegeben am 21.02.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Frauen und Mädchen mit Genitalverstümmelung in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/1410 Vorbemerkung des Fragestellenden: Laut Angabe der „Empirischen Studie zur weiblichen Genitalverstümmelung in Deutschland. Daten - Zusammenhänge - Fakten“, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wurde, lebten im Jahr 2017 47.500 Frauen und Mädchen mit Genitalverstümmelung in Deutschland. Darüber hinaus sind derzeit zwischen 1.558 und 5.684 Mädchen davon bedroht. Allein in Hessen sind 572 Fälle erfasst, wobei die Dunkelziffer weitaus höher liegen dürfte. In Deutschland wird die Genitalverstümmelung strafrechtlich geahndet (§ 226a StGB). Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie viele Fälle der Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen sind in Sachsen-Anhalt registriert? Bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten auflisten. Genaue Daten, wie viele von Genitalverstümmelung betroffene Mädchen und Frauen in Sachsen-Anhalt leben, liegen der Landesregierung nicht vor. Eine Registrierung ist nicht vorgesehen. Aktuell ist ein Fall von Genitalverstümmelung , der von der Beratungsstelle „Vera“ begleitet wird, bekannt. 2. Gibt es Beratungsstellen, die ein gezieltes Angebot für betroffene Frauen und Familien vorhalten? Wenn ja, welche sind das konkret? 2 In Sachsen-Anhalt bietet die Beratungsstelle „Vera“ Fachstelle gegen Frauenhandel , Zwangsverheiratung und Gewalt im Namen der Ehre, in Trägerschaft des AWO Landesverbandes Sachsen-Anhalt e. V., ein gezieltes Angebot für betroffene Frauen und Familien an. Die Fachstelle „Vera“ wird vom Land Sachsen -Anhalt gefördert. 3. Welche Hilfen (psychologische/psychotherapeutische, medizinische, soziale ) stehen den betroffenen Frauen und Familien zur Verfügung? In Sachsen-Anhalt bietet das Psychosoziale Zentrum für Migrantinnen und Migranten (PSZ), welches aus Landesmitteln kofinanziert wird, in seinen Kontaktstellen in Magdeburg und Halle psychologische Beratung, Therapie, psychosoziale gruppen- sowie begleitende Sozialberatung an. Darüber hinaus können die betroffenen Frauen und Mädchen vom PSZ an entsprechende Dienste weiter vermittelt werden. Die Angebote sind kostenlos und auch Dolmetscherinnen und Dolmetscher können bei Bedarf kostenlos hinzugezogen werden. Darüber hinaus bemühen sich die ehrenamtlichen Hilfen des Medi Netz Magdeburg und Halle sowie die psychosozialen Zentren in Halle und Magdeburg bei Bedarf um eine Notversorgung. Die Betroffenen weisen meist einen Migrationsoder Fluchthintergrund auf, sodass ihnen die Notfallbehandlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehen. Im Universitätsklinikum Halle (Saale) und deren Poliklinik für Gynäkologie existiert eine Ambulanz für „Allgemeine Gynäkologie/Dysplasie“ als Anlaufstelle für spezielle medizinische Fragestellungen, u. a. gesundheitliche Folgen der Infibulation . In den vergangenen vier Jahren wurde nur eine Klientin an das Universitätsklinikum weitervermittelt. Des Weiteren gibt es Kooperationen mit dem Flüchtlingsfrauenhaus in Halle (Saale). In dieser Einrichtung wurden in den letzten vier Jahren insgesamt 30 Frauen aufgenommen und betreut. Bei zwei Frauen war eine Genitalverstümmelung bekannt. Unterstützung erhalten Betroffene von Genitalverstümmelung auch über das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, das barrierefrei, anonym und mehrsprachig rund um die Uhr zur Verfügung steht. 4. Gibt es Präventionsprojekte, die von der Landesregierung unterstützt werden? Wenn ja, welche sind das? Aktuell gibt es keine Präventionsprojekte, die seitens des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung sowie des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration unterstützt werden. 5. Welche Fortbildungsangebote zum Thema Genitalverstümmelung und deren Prävention gibt es in Sachsen-Anhalt für Menschen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten? Ein Fachtag ist für Herbst 2018 in Vorbereitung, der einen Einblick in die Thematik bieten soll. Dieser Fachtag wird vom Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt 3 e. V. in Kooperation mit den betreffenden Mitgliederorganisationen, unter anderem auch mit der Fachstelle „Vera“ ausgerichtet. Darüber hinaus sind Fortbildungsangebote nicht bekannt. 6. Wie viele Strafanzeigen liegen in Sachsen-Anhalt gem. § 226a StGB vor und wie viele führten zu einer Verurteilung? Bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln. Seit Einführung des Straftatbestandes des § 226a StGB, Verstümmelung weiblicher Genitalien ist in Sachsen-Anhalt bis zum heutigen Tage kein Verfahren erfasst worden. Im Jahr 2017 ist in der Polizeilichen Kriminalstatistik des Landes Sachsen-Anhalt (Ausgangsstatistik) kein Fall einer Verstümmelung äußerer Genitalien einer weiblichen Person gem. § 226a Strafgesetzbuch (StGB) erfasst worden. 7. Gibt es Aufklärungsangebote für Betroffene, Vereine und Verbände aus Herkunftsländern über die Ahndung der Genitalverstümmelung in Deutschland? Wenn ja, welche sind das konkret? Erkenntnisse zu Aufklärungsangeboten für Betroffene, Vereine und Verbände aus Herkunftsländern über die Ahndung der Genitalverstümmelung in Deutschland liegen der Landesregierung nicht vor. 8. Inwiefern werden in Sachsen-Anhalt Frauen und Mädchen, die Genitalverstümmelung erfahren haben oder davon bedroht sind, als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Bleiberecht? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Genitalverstümmelungen nach der Entscheidungspraxis des BAMF zur Gewährung von Flüchtlingsschutz führen.