Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2496 26.02.2018 (Ausgegeben am 26.02.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hendrik Lange (DIE LINKE) Abgeordnete Kerstin Eisenreich (DIE LINKE) Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie Kleine Anfrage - KA 7/1411 Vorbemerkung der Fragestellenden: Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist die zentrale Herausforderung und Aufgabe für die Wasserressourcenbewirtschaftung in den Ländern der EG im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts. Die Bewahrung oder Herstellung eines guten ökologischen Zustandes bis spätestens 2027 erfordert eine grundsätzlich andere Philosophie beim Umgang mit der Ressource Wasser und eine internationale sowie interdisziplinäre Herangehensweise bei der Erarbeitung und Umsetzung von WRRL-Maßnahmeprogrammen . Nach bisherigen Erkenntnissen sind die Erfolge der Maßnahmeprogramme in Sachsen -Anhalt überschaubar. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Welche Ursachen sieht die Landesregierung, dass Sachsen-Anhalt bundesweit zu den Schlusslichtern hinsichtlich des guten ökologischen Zustandes (GÖZ) der Gewässer bzw. bei der Umsetzung der WRRL gehört (in Sachsen-Anhalt weisen lediglich 5 % der Gewässer einen GÖZ auf)? Die Verteilung der Gewässerzustandsklassen gemäß Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist ähnlich wie in anderen landwirtschaftlichen Flächenländern wie Brandenburg , Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Dies entspricht auch den Erhebungen in den entsprechenden Flussgebietsgemeinschaften. So verfügt die FGG Elbe, zu der 97 Prozent der Fläche Sachsen-Anhalts gehören, im Durchschnitt über einen guten ökologischen Zustand von rund 5 Prozent. Andere landwirtschaftlich ge- 2 prägte Einflussgebiete wie Warnow/Peene, Weser, Oder, Schlei/Trave und Ems liegen zum Teil deutlich darunter. Die Ursachen für die Einstufung des Gewässerzustandes sind die strukturellen Veränderungen der Gewässer über viele Jahrhunderte sowie stoffliche Belastungen aus diffusen und punktuellen Quellen. Dazu gehören zum Beispiel die landwirtschaftliche Düngung, die atmosphärische Deposition, industrielle Altlasten, Einträge aus dem Bergbau und Altbergbau oder Abwassereinleitungen. 2. Warum können über 17 Jahre nach Inkrafttreten der WRRL bislang keine Verbesserungen des ökologischen Zustandes der Gewässer im Land festgestellt werden? Die Maßnahmen zur Verbesserung des ökologischen Zustands wirken überwiegend sehr langfristig, das trifft im besonderen Maße auf Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur zu. Es bedarf daher eines erheblichen Zeitraums bis sich die Maßnahmen in einer Verbesserung des ökologischen Zustands beziehungsweise in der Verbesserung der ökologischen Zustandsklasse niederschlagen. Teilweise sind positive Resultate erst nach Jahrzehnten erkennbar. Dies ist unter anderem vom Wiederbesiedlungspotenzial wie dem vorhandenen Artenbestand und möglichen Besiedlungswegen sowie von der Gesamtsituation im Einzugsgebiet abhängig . Auch im Grundwasser sind Verbesserungen nur über sehr lange Zeiträume zu erzielen . So spiegelt die heutige Grundwasserqualität zum Beispiel die vor 30 Jahren eingebrachten stofflichen Belastungen wieder. 3. Welche Aktivitäten werden unternommen, wenn es zu (akuten) Verschlechterungen des GÖZ kommt? Bitte in Jahresscheiben und nach Gewässern sortieren. Insofern keine Aktivitäten unternommen werden, warum nicht? Die Erfassung und Bekämpfung von akuten Verschlechterungen als Folge von Gewässerverunreinigungen und -schadensfällen erfolgt durch die zuständigen Gefahrenabwehrbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte im Rahmen der Havarieabwehr sowie -aufklärung. Eine Übersicht zu den Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen ist auf der Internetseite des Statistischen Landesamtes verfügbar: https://www.statistik.sachsenanhalt .de/Internet/Home/Daten_und_Fakten/3/32/323/index.html 4. Warum gibt es Gewässer, deren gutes ökologisches Potential kaum oder gar nicht genutzt wird bzw. für die keine GEK erarbeitet werden (bspw. Grabensysteme im Drömling)? Was ist Grundlage für die Bewertung (wertvoller ) Gewässerlebensräume? Siehe Antwort zur Frage 2 auf die Große Anfrage „Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Sachsen-Anhalt“ (Drs. 7/1272) vom 18.04.2017. 3 Die Grundlage für die Bewertung der Gewässerlebensräume ist die WRRL. Für natürliche Gewässer wird der ökologische Zustand und für künstliche oder erheblich veränderte Gewässer das ökologische Potenzial bestimmt. 5. Welche Aktivitäten sollen künftig unternommen werden, um den Bearbeitungsstand , insbesondere bei den Gewässern zweiter Ordnung, voranzutreiben ? Wenn keine weiteren Aktivitäten unternommen werden, warum nicht? Das Land refinanziert auch weiterhin freiwillige Maßnahmen der Unterhaltungsverbände zur projektbezogenen Umsetzung der Ziele der WRRL. Um darüber hinaus die Aktivitäten voranzutreiben, unterstützt das Land die Unterhaltungsverbände im Rahmen des Umweltsofortprogramms bei der Renaturierung von Gewässern 2. Ordnung. Die Maßnahmen des Umweltsofortprogramms sind unter der Internetseite https://mule.sachsen-anhalt.de/umwelt/umweltsofortprogramm/ abrufbar . Des Weiteren haben die Arbeiten an den Gewässerentwicklungskonzepten (GEK) Aller und Tucheim-Parchener Bach begonnen. Das GEK Holtemme befindet sich in der Planungsvorbereitung. 6. Sind die Unterhaltungsverbände nach Auffassung der Landesregierung personell und finanziell in die Lage versetzt, die Umsetzung der WRRL bestmöglich voranzutreiben? Ja. Freiwillige Maßnahmen zur projektbezogenen Umsetzung von Zielen der WRRL durch die Unterhaltungsverbände werden durch das Land vollständig refinanziert. 7. Wie ist die finanzielle und personelle Situation der Unterhaltungsverbände im Vergleich zu jenen anderer Bundesländer? Insofern diese Ausstattung Unterschiede aufweist, was sind aus Sicht der Landesregierung Gründe dafür ? Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die finanzielle Ausstattung der Unterhaltungsverbände gut. Dies liegt einerseits daran, dass die Kosten für die Maßnahmen der Unterhaltungsverbände zur Umsetzung der WRRL zu 100 % erstattet werden. Dies gilt auch für die Personal- und Sachkosten, die den Unterhaltungsverbänden zur Umsetzung der WRRL entstehen. Ein Vergleich der Personalausstattung ist nicht möglich, da der Umfang der personellen Erfordernisse abhängig ist von der Anzahl und dem Umfang der Maßnahmen. 8. Gibt es Bestrebungen, die Unterhaltungsverbände bei Vorplanung und Planung stärker zu unterstützen als bisher? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Nein. Die Planungskosten sowie ggf. die Kosten eines Projektsteuerers trägt schon heute vollständig das Land. 4 9. Wie wird das wissenschaftliche Potential des Landes Sachsen-Anhalt bei der Umsetzung der WRRL einbezogen und unterstützt? Bitte nach Jahresscheiben sortieren und Projekte benennen. Die Martin-Luther-Universität Halle, die Hochschule Magdeburg-Stendal sowie das Umweltforschungszentrum (UFZ) sind über den Gewässerbeirat des Landes direkt an der Umsetzung der WRRL beteiligt. Die Ergebnisse der Sitzungen des Gewässerbeirats sind unter der Internetseite: https://wrrl.sachsen-anhalt.de/oeffentlichkeitsarbeit/gewaesserbeirat/ abrufbar. Das UFZ ist außerdem an der Bearbeitung des Schadstoffkonzeptes Sachsen-Anhalt beteiligt. Mit den vorgenannten Forschungseinrichtungen verbindet das Land zudem eine Reihe von Studienarbeiten zu praxisbezogenen Fragen bei der Umsetzung der WRRL. 10. Werden planerische, wasserbauliche und ökologische Forschungen der Hochschulen/Universitäten des Landes finanziell unterstützt? Wenn ja, bitte nach Jahresscheiben sortieren und Projekte benennen. Wenn nein, warum nicht? Ja. Im Rahmen des Förderprogramms „Forschung und Innovation im Umweltbereich“ des MULE wurde 2016/17 ein Forschungsprojekt der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg zum wassererosionsbedingten und sedimentgebundenen Phosphor- Austrag in die Fließgewässer Sachsen-Anhalt mit 167.000 Euro unterstützt. Unabhängig davon sind Hochschulprojekte auch mit Projektmitteln der WRRL umgesetzt worden, wie zum Beispiel das Projekt „Modellhafte Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an den Nuthen im Naturpark Fläming“ der Hochschule Magdeburg- Stendal. 11. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass sich über 53 % des Grundwassers in Sachsen-Anhalt in einem schlechten Zustand befinden? Die Grundwasserbeschaffenheit in Sachsen-Anhalt ist maßgeblich durch geogene Faktoren geprägt, jedoch auch deutlich anthropogen beeinflusst. Geogen kommen insbesondere die Faktoren Versalzung und Versauerung regional zum Tragen. Anthropogen haben in Sachsen-Anhalt vor allem die landwirtschaftliche Flächennutzung, der Bergbau und die Altlasten einen großen Einfluss auf die Belastung des Grundwassers . 12. Inwiefern sieht die Landesregierung einen Kausalzusammenhang zwischen dem schlechten Zustand der Gewässerkörper in Sachsen-Anhalt insgesamt und der steigenden Importmenge von Gülle und Gärresten in Sachsen- Anhalt? Derzeit ist ein Kausalzusammenhang nicht herstellbar, da der Zustand der Gewässer in Sachsen-Anhalt zuletzt im Jahr 2013 bewertet wurde. Die Importmenge von Gärresten ist ab 2012 und von Gülle ab 2014 in Sachsen-Anhalt zwar angestiegen, allerdings weiterhin auf einem niedrigen Niveau. 5 Entsprechend den Meldungen nach § 4 der Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdünger (WDüngV) betrug die durchschnittliche Importmenge je Hektar: - im Jahr 2013 ca. 2 kg N/ha - im Jahr 2014 ca. 2,9 kg N/ha - im Jahr 2015 ca. 2,9 kg N/ha - im Jahr 2016 ca. 4,6 kg N/ha Die Importmenge liegt weit unterhalb der nach Düngeverordnung vorgegebenen Grenze von 170 kg Gesamt-N je Hektar und Jahr aus Wirtschaftsdüngern.