Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2499 27.02.2018 (Ausgegeben am 28.02.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Marcus Spiegelberg (AfD) Heuschnupfen, Lebensmittel- und Tierhaarallergien in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/1405 Vorbemerkung des Fragestellenden: Ein Familienmitglied, das Heuschnupfen hat, ein Bekannter, der empfindlich gegen Katzenhaare ist, ein Freund, der laktoseintolerant ist, der Kollege, der an Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) leidet: nahezu jeder Bürger kennt eine Person, die an einer Allergie leidet bzw. ist selbst betroffen. Allergien sind weltweit auf dem Vormarsch. Während Ende der 20er Jahre lediglich ein bzw. zwei Prozent der Menschen an Heuschnupfen litt, sind es jetzt bereits circa zwölf Prozent. Die Zunahme Betroffener ist in Industriestaaten am größten, allein in Deutschland ist mittlerweile jeder zweite Allergiker. Währenddessen steigen die Profite der Pharmaindustrie immer weiter, denn für eine Linderung sind oft pharmazeutische Mittel unersetzlich . Dabei sind oft viele Allergien - nach dem Herausfinden der tatsächlichen Ursache - heilbar oder zumindest linderbar. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration 1. Wie hat sich der Anteil von Allergien jeglicher Art, an der Bevölkerung Sachsen-Anhalts seit dem Jahr 1990 verändert? Existieren regionale Schwerpunkte? Bitte, falls möglich, nach Kreis bzw. kreisfreier Stadt, Alter und Geschlecht aufschlüsseln. Eine explizit auf diese Frage bezogene Statistik liegt der Landesregierung nicht vor. Die Gesundheitsberichterstattung des Landes verfügt aber über Diagnosedaten zu insgesamt fünf Diagnosegruppen der im Krankenhaus behandelten Fälle je 100.000 Einwohner - getrennt nach Geschlecht und mit dem zeitlichen Verlauf 2000 bis 2016 (s. Anlagen 1 und 2). Aus den beiden Abbildungen ist zu erkennen, dass sich die 2 Gesamtzahl der im Krankenhaus behandelten Fälle T78.4 Allergie (nicht näher bezeichnet ) seit dem Jahr 2000 verringert hat, ebenso die Fälle J67 Allergische Alveolitis durch organischen Staub. Zugenommen haben dagegen die Unverträglichkeiten, wie Störungen des Fruktosestoffwechsels (E74.1), die Laktoseintoleranz (E73) und die Intestinale Malabsorption (K90), darunter Zöliakie (K90.0). 2. Wie viele der betroffenen Personen haben mehr als eine Allergie bzw. Unverträglichkeit ? Bitte nach Alter und Geschlecht angeben. Hierzu liegen keine Daten vor, zumal die Statistik immer fallbezogen und nicht personenbezogen ist und somit keine Aussagen zu Personen getroffen werden können. 3. Wie hat sich die Zahl der von Allergien und Unverträglichkeiten betroffenen Minderjährigen seit dem Jahr 1990 in Sachsen-Anhalt verändert? Bitte in Stufen von 0 bis 6 Jahren, 7 bis 12 Jahren und 13 bis 18 Jahren nach Kreisen bzw. kreisfreie Städte angeben. Bei den unter 1 bis unter 20-Jährigen liegen Krankenhausdiagnosedaten auf Landesebene zu den behandelten Fällen je 100.000 Einwohner hinsichtlich der Diagnosegruppen T78.4, E73 und K90 vor (s. Anlagen 3, 4 und 5). Bei der Einteilung der Altersgruppen zeigt sich eine Zunahme von Unverträglichkeiten (Intestinale Malabsorption , Laktoseintoleranz). Bei den nicht näher bezeichneten Allergien (T78.4) ist kein eindeutiger Trend zu beobachten. Hinweise zu Zeittrends von Allergien bei Minderjährigen können auch aus der Schulanfängerstudie (SAS), den Schuleingangsuntersuchungen (SEU) und den Schulreihenuntersuchungen in den 3. und 6. Klassen (SR3, SR6), die durch die Gesundheitsämter erhoben werden, gewonnen werden. Die SAS stellte für den Zeitraum 1991 bis 2000 einen Anstieg der Häufigkeit von Heuschnupfen und Allergien bei einzuschulenden Kindern, für 2000 bis 2014 hingegen keine eindeutigen Trends fest. Die Auswertung der SEU, SR3 und SR6 im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung zeigt, dass die Häufigkeit von ärztlich verifizierten Allergien (durch standardisierte qualifizierte Befragung) seit 2009 bei Dritt- und Sechstklässlern geringfügig, aber stetig abnimmt und bei einzuschulenden Kindern stagniert bzw. zuletzt wieder leicht ansteigt (s. Anlage 6). Nur bei SEU, SR3 und SR6 liegen Daten auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte vor; hier gibt es regionale Unterschiede (s. Anlage 7 für die Jahre 2015 und 2016). Allerdings kann nicht belegt werden, dass es sich dabei um echte Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit und im Risikoprofil handelt . 4. Wie bewertet die Landesregierung bzw. das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration den Anstieg der von Allergien und Unverträglichkeiten betroffenen Personen innerhalb der letzten 27 Jahre? 5. Welche Gründe sieht die Landesregierung bzw. das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration für den Anstieg der von Allergien und Unverträglichkeiten betroffenen Bürger Sachsen-Anhalts? Eine vollständige Datenerhebung über den Anstieg der von Allergien und Unverträglichkeiten betroffenen Personen innerhalb der letzten 27 Jahre liegt der Landesregierung nicht vor. Jedoch zeigen die nach dem Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Berufsausübung im Gesundheitswesen im Land Sachsen-Anhalt 3 (Gesundheitsdienstgesetz – GDG LSA) erhobenen Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen , den Schulreihenuntersuchungen sowie den verfügbaren Diagnosedaten der Krankenhäuser keinen absoluten Anstieg. Die Krankheitsbilder sind differenziert zu beurteilen. Demnach nehmen die nicht-immunologisch bedingten Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu, die Allergien aber nicht. Mögliche Ursachen liegen in einer Veränderung des Lebensstils und der Ernährungsgewohnheiten - aber auch in einer verbesserten Diagnostik. 6. Wie hoch ist der durch die Pharmaindustrie generierte Umsatz durch den von Allergien und Unverträglichkeiten betroffenen Bürger Sachsen- Anhalts? Wie hat sich dieser seit dem Jahr 1990 verändert? Bitte nach den einzelnen Jahren und die prozentuale Steigerung bzw. Senkung zum Vorund Folgejahr aufschlüsseln. Eine diesbezügliche Statistik liegt der Landesregierung nicht vor. Für die Herstellung von Arzneimitteln ist es unerheblich, in welchem Indikationsgebiet das Arznei-mittel Anwendung findet. Auch gilt, dass im verschreibungspflichtigen Bereich die Entscheidung zur Anwendung des Arzneimittels bei der Ärztin/ dem Arzt liegt; im apothekenpflichtigen Bereich ist die Apothekerin/ der Apotheker verpflichtet, vor Abgabe die Symptome der Patientin / des Patienten zu hinterfragen, Grenzen der Selbstmedikation aufzuzeigen und ggf. im Rahmen der Zulassung eine Versorgung sicherzustellen. Der Grundsatz ist, dass die Patientin/der Patient bei Bedarf ein Arzneimittel erhalten und anwenden kann. Statistiken zum Umsatz bestimmter Arzneimittelgruppen offenbaren daher nicht, ob und in welcher Menge die in Rede stehenden Antiallergika auch (off-label = außerhalb der Zulassung) schlafanstoßend oder gegen Übelkeit eingesetzt werden. 7. Falls die Landesregierung zu einer oder mehreren der oben genannten Fragen aufgrund fehlender Datenerhebung nicht in der Lage zu einer informativen Antwort ist: Warum werden diese wichtigen Daten nicht ermittelt? Sieht die Landesregierung diese Thematik nicht als wichtig genug an, um Daten zu erheben? In Ergänzung der Ausführungen zu den Fragen 1 bis 6 ist anzumerken, dass die Landesregierung im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen sowie bei den Schulreihenuntersuchungen anamnestische Erhebungen zum allgemeinen Gesundheitszustand mittels Elternfragebogen durchführt. Darüber hinaus initiierte die Landesregierung bereits 1991 eine Schulanfängerstudie, die auch das Thema Allergien berücksichtigte und die bis 2014 durchgeführt wurde. Die Ermittlung wichtiger und zielführender Daten wird folglich unterstützt. 4 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 T78.4 Allergie, nicht näher bezeichnet 12 24 16 11 13 9 10 9 10 11 9 9 8 7 8 8 8 K90 Intestinale Malabsorption (dar.: Zöliakie) 7 6 6 6 5 4 5 6 7 8 7 7 10 11 14 11 12 E73 Laktoseintoleranz 4 3 3 3 3 3 4 4 4 5 7 4 8 6 8 7 6 J67 Allergische Alveolitis durch organischen Staub 6 5 5 3 4 3 3 4 2 4 3 2 2 3 3 2 3 E74.1 Störungen des Fruktosestoffwechsels 1 1 1 2 2 1 2 2 3 2 4 5 7 4 7 7 6 0 5 10 15 20 25 30 Fä lle  je  10 0. 00 0 w ei bl . Ei nw oh ne r Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000, weiblich, Sachsen‐Anhalt  Anlage 1 5 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 T78.4 Allergie, nicht näher bezeichnet 12 18 12 9 9 7 8 5 8 6 8 9 7 5 5 7 6 K90 Intestinale Malabsorption (dar.: Zöliakie) 5 5 4 3 5 4 4 5 6 6 4 6 7 10 10 9 9 E73 Laktoseintoleranz 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 5 5 5 5 5 4 J67 Allergische Alveolitis durch organischen Staub 4 3 3 4 4 5 4 4 3 2 2 2 2 2 3 3 2 E74.1 Störungen des Fruktosestoffwechsels 0 0 1 1 1 1 2 2 1 2 3 3 3 3 3 5 4 0 5 10 15 20 25 30 Fä lle  je  10 0. 00 0 m än nl . Ei nw oh ne r Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000, männlich, Sachsen‐Anhalt  Anlage 2 6 Anlage 3 7 Anlage 4 8 Anlage 5 9 10,2 10,1 8,7 8,8 8,1 8,2 8,17,8 7,3 7,3 6,7 5,8 6,3 4,7 3,7 3,1 3,0 2,6 2,2 2,0 2,3 2,4 0 2 4 6 8 10 12 14 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 An te il de r u nt er su ch te n K in de r m it m in d. w ei ne r A lle rg ie in P ro ze nt Ärztlich verifizierte Allergiediagnose bei Kindern beim Screening der Schuleingangsuntersuchung (SEU) und der Reihenuntersuchungen in 3. (SR3) und 6. Klassen (SR6), Sachsen-Anhalt im Zeitvergleich, 2009-2016 SR6 SR3 SEU *,** Landesweite Einführung von veränderten, standardisierten Erhebungs‐ und Dokumentationsmethoden bei der SEU(*) bzw. bei SR3und SR6 (**) Datenquelle/Copyrigt: Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen‐Anhalt: Auswertung der Reihenuntersuchungen der Gesundheitsämter in Kitas und Schulen Anlage 6 10 Anlage 7 2015 2016 Mittelwert Rang des MW 2015 2016 Mittelwert Rang des MW 2015 2016 Mittelwert Rang des MW 2015 2016 Mittelwert Rang des MW Dessau-Roßlau, Stadt 0,5 0,9 0,7 12 4,1 6,1 5,1 11 0,0 0,0 0,0 14 0,0 1,0 0,5 13 12,5 Halle (Saale), Stadt 1,8 1,4 1,6 9 6,8 5,8 6,3 4 0,0 4,8 2,4 10 7,5 5,7 6,6 9 8,0 Magdeburg, Stadt 1,6 1,2 1,4 10 4,9 3,2 4,1 14 3,1 3,9 3,5 8 4,6 6,0 5,3 10 10,5 Altmarkkreis Salzwedel 0,0 0,0 0,0 14 5,2 6,4 5,8 7 0,2 0,3 0,3 13 0,0 0,4 0,2 14 12,0 Anhalt-Bitterfeld 1,1 1,3 1,2 11 6,1 6,1 6,1 6 5,6 4,1 4,8 7 7,6 6,1 6,8 8 8,0 Börde 0,2 1,2 0,7 13 5,5 5,0 5,2 10 0,0 2,1 1,1 12 9,1 8,1 8,6 7 10,5 Burgenlandkreis 5,4 4,9 5,1 1 8,8 7,7 8,3 1 9,2 8,5 8,9 2 15,1 17,3 16,2 1 1,3 Harz 4,1 4,7 4,4 3 4,5 5,4 4,9 12 8,1 5,4 6,8 4 10,7 13,7 12,2 3 5,5 Jerichower Land 1,8 1,5 1,6 8 4,4 3,8 4,1 13 7,1 7,9 7,5 3 10,0 10,3 10,2 5 7,3 Mansfeld-Südharz 2,9 1,8 2,3 5 5,4 6,1 5,8 8 8,4 4,5 6,4 5 15,0 8,9 12,0 4 5,5 Saalekreis 4,4 4,7 4,5 2 7,2 6,6 6,9 2 11,2 7,7 9,4 1 15,1 14,4 14,7 2 1,8 Salzlandkreis 2,2 2,9 2,6 4 6,5 5,9 6,2 5 6,1 0,0 3,1 9 7,4 10,7 9,1 6 6,0 Stendal 0,9 2,8 1,8 7 6,8 6,6 6,7 3 4,9 4,8 4,8 6 2,0 4,9 3,4 11 6,8 Wittenberg 2,4 2,0 2,2 6 6,3 4,4 5,3 9 4,4 0,0 2,2 11 0,4 5,5 3,0 12 9,5 Sachsen-Anhalt 2,3 2,4 2,3 6,0 5,5 5,8 6,3 4,7 5,5 8,2 8,1 8,2 Mittlerer Rang der MW Regionale Häufigkeit von Allergien bei Einschülern, Drittklässlern und Sechstklässlern, Sachsen-Anhalt, 2015 und 2016 Datenquelle/Copyrigt: Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt: Auswertung der Reihenuntersuchungen der Gesundheitsämter in Kitas und Schulen SR3 Screening SR6 Screening mit Befund in % SEU Screening SEU Elternangaben Kreisfreie Stadt/Kreise Land