Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2612 14.03.2018 (Ausgegeben am 15.03.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Daniel Roi (AfD) Gefahrenabwehrverordnung in Bitterfeld-Wolfen unnötige Bürokratie? Kleine Anfrage - KA 7/1484 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Stadt Bitterfeld-Wolfen hat mit dem Stadtratsbeschluss (Beschluss-Nr.170-2017) vom 1. November 2017 mit knapper Mehrheit von 17 Ja, 15 Nein und 3 Enthaltungen eine sogenannte „Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Bitterfeld-Wolfen über die Anzeigepflicht von Veranstaltungen“ beschlossen. Diese Richtlinie wird in der Stadt kontrovers diskutiert und ist dem Vorwurf der unangemessenen und unnötigen Bürokratie ausgesetzt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Richtlinie vor dem Hintergrund der oft kritisierten zunehmenden Bürokratie? Das Landesrecht Sachsen-Anhalt enthält (im Gegensatz zu Ländern wie Bayern und Thüringen) keine Rechtsverpflichtung, die Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung der Sicherheitsbehörde nach § 89 Abs. 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) anzuzeigen. Gleichwohl besteht für einen Veranstalter in Bezug auf eine von ihm geplante (genehmigungsfreie) Veranstaltung, die insbesondere aufgrund der Anzahl der zeitgleich erwarteten Besucher die Annahme rechtfertigt, dass Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eintreten können, grundsätzlich eine Auskunftspflicht gegenüber der Sicherheitsbehörde (§ 14 Abs. 1 und 2 SOG LSA); 2 diese kann notfalls durch die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden. Das SOG LSA ermächtigt zudem die Gemeinden und Verbandsgemeinden, für ihren Bezirk oder Teile ihres Bezirkes zur Abwehr abstrakter Gefahren Gefahrenabwehrverordnungen zu erlassen (§ 94 SOG LSA). Da viele der für die Wahrnehmung von Aufgaben der Gefahrenabwehr originär zuständigen Behörden und Fachaufsichtsbehörden im Land Sachsen-Anhalt es für die Aufgabenerledigung für unverzichtbar halten, zum Zweck der Abwehr abstrakter Gefahren eine Anzeigepflicht für Veranstaltungen zu normieren, wird von der Verordnungsermächtigung des § 94 SOG LSA im Land Sachsen-Anhalt auch mit Blick auf eine derartige Anzeigepflicht entsprechend Gebrauch gemacht. Unabhängig davon beabsichtigt die Landesregierung, das SOG LSA in dieser Legislaturperiode auch in dieser Hinsicht umfassend zu evaluieren und die Erfahrungen der Kommunen, die eine Anzeigepflicht normiert haben, in die Evaluation einzubeziehen. 2. Schränkt diese Richtlinie Regelungen des Versammlungsgesetzes oder andere bestehende Bürgerrechte ein? Gemäß § 1 der Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Bitterfeld-Wolfen über die Anzeigepflicht von Veranstaltungen werden Versammlungen und Aufzüge im Sinne des Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt über Versammlungen und Aufzüge (VersammlG LSA) nicht von den Vorschriften der Gefahrenabwehrverordnung erfasst. 3. Sind mit der Richtlinie kurzfristige Mahnwachen, Demonstrationen oder Bürgerfeste aus ggf. aktuellen Anlässen zukünftig auch unterhalb einer Frist von 3 Wochen Anmeldung möglich? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ? Mahnwachen und Demonstrationen sind grundsätzlich als Versammlungen im Sinne des VersammlG LSA zu werten und werden daher nicht von den Vorschriften der Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Bitterfeld-Wolfen über die Anzeigepflicht von Veranstaltungen erfasst. Auf die Antwort auf Frage 2 wird insoweit verwiesen. Im Hinblick auf kurzfristig angemeldete „Bürgerfeste“ bedarf es der Einzelfallentscheidung durch die zuständige Behörde, ob von der vorgeschriebenen Anmeldefrist abgewichen werden kann. 4. Sind Parteien und Wählergruppen in Wahlkampfzeiten an diese Richtlinie gebunden und müssen jede öffentliche Veranstaltung entsprechend der Richtlinie anmelden oder gelten hier Ausnahmen? Sofern es sich bei der jeweiligen Veranstaltung um eine Versammlung im Sinne des VersammlG LSA handelt, wird auf die Antwort auf Frage 2 verwiesen. Im Übrigen bedarf es im Hinblick auf Ausnahmen von den Vorschriften der Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Bitterfeld-Wolfen über die Anzeigepflicht 3 von Veranstaltungen der Einzelfallprüfung durch die zuständige Behörde. Hierbei ist stets die Parteienfreiheit sowie das Recht auf einen freien Wahlkampf zu gewährleisten (Art. 21 Abs. 1 S. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 38 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz). 5. Welche Städte/Gemeinden in Sachsen-Anhalt haben ähnliche Richtlinien? Nach Auskunft des Landesverwaltungsamtes haben die kreisfreie Stadt Dessau -Roßlau, die Städte Oschersleben (Bode), Wanzleben-Börde, Haldensleben , Hohenmölsen, Halberstadt, Ballenstedt, Ilsenburg (Harz), Wernigerode, Allstedt, Hansestadt Gardelegen, Bernburg (Saale), Schönebeck (Elbe), Coswig (Anhalt), Lutherstadt Wittenberg, Köthen (Anhalt), Sandersdorf-Brehna, Südliches Anhalt, Zerbst/Anhalt und Zörbig, die Gemeinden Muldestausee und Osternienburger Land sowie die Verbandsgemeinden Vorharz und Beetzendorf- Diesdorf ähnliche Regelungen in Gefahrenabwehrverordnungen getroffen. Auch in den kreisfreien Städten Magdeburg und Halle (Saale) sowie in der Stadt Braunsbedra bestehen ähnliche Regelungen; diese sind jedoch auf Veranstaltungen mit Beschallungstechnik bzw. Musikveranstaltungen beschränkt. 6. Sieht die Landesregierung in der Richtlinie eine sinnvolle Regelung? Auf die Antwort auf Frage 1 wird verwiesen.