Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2626 19.03.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 19.03.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fahreignung und Cannabis Kleine Anfrage - KA 7/1503 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. Wie viele Fahreignungsüberprüfungen wurden nach § 14 der Fahrerlaubnisverordnung in den Jahren 2012 bis 2017 wegen a) des Besitzes von Cannabis, b) des Besitzes von Cannabis beim Führen eines Kraftfahrzeuges, c) des Konsums von Cannabis und d) des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Einfluss von Cannabis eingeleitet? Eine diesbezügliche Statistik wird bei den in Sachsen-Anhalt für die Fahreignungsüberprüfung zuständigen Fahrerlaubnisbehörden nicht geführt. Darüber hinaus unterliegen die personenbezogenen Daten den Regelungen der Registerführung der §§ 28 ff. des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), sodass diese Daten mitunter bereits gelöscht und somit nicht mehr valide darstellbar sind. Die digitalen Systeme erfassen nur die allgemeinen Angaben zum Entzug der Fahrerlaubnis zum Beispiel zur Klärung von Eignungszweifeln nach § 14 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) im Hinblick auf die Einnahme von Betäubungs - und Arzneimitteln ohne weitere Differenzierung. 2 Auch die durch das Kraftfahrt-Bundesamt im Fahreignungsregister gespeicherten Daten lassen keinen Rückschluss auf die Begutachtungen nach § 14 FeV im Detail zu. Statistisches Zahlenmaterial zu einzelnen Fahrerlaubnismaßnahmen nach Ländern hält das Kraftfahrtbundesamt als zuständige Registerbehörde auf ihrer Internetseite bereit: https://www.kba.de/DE/Statistik/Kraftfahrer/Fahrerlaubnisse/Fahrerlaubnismass nahmen/fahrerlaubnismassnahmen_node.html 1.1 Welche Methoden kommen in Sachsen-Anhalt bei vermutetem Führen eines Kraftfahrzeuges unter Einfluss von Cannabis zur Anwendung , um die THC-Konzentrationen zu bestimmen? Die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie die Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen ist durch den Gem. RdErl. des MI und MJ vom 12. Mai 2005 (MBl. LSA 2005, S. 273), zuletzt geändert durch Gem. RdErl. des MI und MJ vom 26. Mai 2016 (MBl. LSA 2016, S. 356) geregelt. Danach sind bei Verdacht auf Medikamenten- oder Drogeneinfluss die darin benannten Untersuchungsstellen nach Anlage 3 des Erlasses für die Bestimmung der THC-Konzentration beim vermuteten Führen eines Kraftfahrzeuges unter Einfluss von Cannabis zuständig. Bei den dort benannten Instituten für Rechtsmedizin der Universitäten von Magdeburg und Halle (Saale) wird zunächst die eingeschickte Blutserumprobe einem Screening auf Basis eines Enzymimmunoassays unterzogen. Im Falle eines positiven immunochemischen Nachweises von Cannabis werden anschließend der psychoaktive Hauptwirkstoff ∆9-Tetrahydrocannabinol (THC) und die Hauptmetaboliten 11-Hydroxy-∆9-THC (11-OH-THC) und 11-nor-9- carboxy-∆9-THC (THC-COOH) im Rahmen einer Bestätigungsanalyse quantitativ bestimmt. Dafür werden Cannabinoide mittels Festphasenextraktion (SPE) angereichert und die Extrakte nach Silylierung mit N-Methyl-N-trimethylsilyltrifluoracetamid (MSTFA) am GC-MS (Gaschromatographie mit Massenspektrometrie -Kopplung) im Einzelionenmodus (SIM) analysiert. 1.2 Nach welchen Kriterien und anhand welcher Methodik wird in Sachsen -Anhalt im Rahmen der Fahreignungsüberprüfung zwischen regelmäßigem und gelegentlichem Cannabiskonsum unterschieden? Nach § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen , wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist . Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen. Ein solcher Mangel liegt bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis vor (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 der FeV). Ein Verhalten ist dann als regelmäßig anzusehen, wenn es bestimmten Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgt, insbesondere in etwa gleichen zeitlichen Abständen stattfindet . Anders als bei gelegentlichem Konsum (Nr. 9.2.2 der Anlage zur FeV) müssen bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis keine zusätzlichen Tatbestandsmerkmale - wie etwa fehlendes Trennungsvermögen - erfüllt sein. 3 Der gelegentliche Konsum schließt die Fahreignung noch nicht aus, es sei denn, der Konsum beeinflusst das Fahren, es werden zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe gebraucht oder es liegt Kontrollverlust vor (Nr. 9.2.2 der Anlage 4). Die Unterscheidung erfolgt danach aufgrund der bei der Blutuntersuchung ermittelten THC- und THC-COOH-Werte und anhand von eigenen Einlassungen des Betroffenen, die auf ein wiederkehrendes Konsummuster hindeuten, wobei bei einem nachgewiesenen THC-Carbonsäure-Wert ab 150 ng/ml im Blutserum davon ausgegangen werden kann, dass THC regelmäßig konsumiert wurde. Gelegentlicher Konsum liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen - insbesondere zeitlichen - Zusammenhang aufweisen (vgl. Urteil des BVerwG 3 C 3/13 vom 23. Oktober 2014). Für die Feststellung des fehlenden Trennungsvermögens von Konsum und Fahren hat die Rechtsprechung mangels gesetzlicher Grenzwerte einen Gefährdungsmaßstab entwickelt. Die Grenze des hinnehmbaren Cannabiskonsums sieht das Bundesverwaltungsgericht bereits dann als überschritten an, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht (vgl. Urteil des BVerwG, ebenda). Das heißt, wenn der Betroffene durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er die Einnahme von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeuges nicht in jedem Fall so trennt, dass eine Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit durch den Konsum ausgeschlossen ist, ist er als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges anzusehen. Zwar hat im September 2015 die Grenzwertkommission empfohlen, erst bei einer THC- Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum eine Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu verneinen, dennoch hielt die Rechtsprechung bisher an dem Wert von 1,0 mg/nl fest. Nach einer in diesem Revisionsverfahren dem BVerwG vorgelegten neuen Stellungnahme der Grenzwertkommission besteht bereits bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml im Blutserum die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Fahrsicherheit . Ebenso hat sich der Verkehrsgerichtstag im Januar 2018 für diesen Grenzwert ausgesprochen (Arbeitskreis V, Cannabiskonsum und Fahreignung). Es ist davon auszugehen, dass die Rechtsanwendung wegen bisher divergierender Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte durch eine weitere Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes für die Zukunft vereinheitlicht wird. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen, ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung des Konsumverhaltens ein ärztliches Gutachten nach § 14 Abs. 1 FeV an. Gegebenenfalls ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, um festzustellen , inwieweit der Betroffene trotz weitergehenden Konsums in Zukunft gewährleisten kann, dass Konsum und Fahren voneinander getrennt werden können. Der einmalige oder gelegentliche Konsum von Cannabis ohne Bezug zum Straßenverkehr rechtfertigt jedoch keine fahrerlaubnisrechtliche Überprüfungsmaßnahme . 4 1.3 Bei wie vielen dieser Fälle wurde eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet? Bitte gesondert angeben für die vier beschriebenen Fallkonstellationen. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Darüber hinaus können auch die Jahresstatistiken der für die medizinischpsychologischen Gutachten zuständigen Begutachtungsstellen für Fahreignung nicht herangezogen werden, da aus ihnen ebenso wenig die gewünschte Differenzierung hervorgeht und auch nicht ersichtlich ist, ob der Betroffene überhaupt in Sachsen-Anhalt wohnhaft ist. Die 16 aktiven Träger der bundesdeutschen Begutachtungsstellen führten im Jahr 2016 insgesamt 91.185 medizinisch -psychologische Untersuchungen durch. In 24 Prozent der Fälle waren Drogen und Medikamente Anlass der Begutachtung. Mit insgesamt 47 Prozent bildeten die Alkoholfragestellungen nach wie vor die stärkste Anlassgruppe. 1.4 Bei wie vielen dieser Fälle wurde die Fahrerlaubnis entzogen (gemäß § 46 Abs. 1)? Bitte gesondert angeben für die vier beschriebenen Fallkonstellationen. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 1.5 Bei wie vielen dieser Fälle wurde durch die Verkehrsbehörde die Fahrerlaubnis eingeschränkt oder an Auflagen geknüpft (gemäß § 46 Abs. 2)? Bitte gesondert angeben für die vier beschriebenen Fallkonstellationen . Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 1.6 Welche Grenzwerte bestehen in Sachsen-Anhalt zur Feststellung einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit durch Cannabiskonsum? Es wird auf die Antwort zu Frage 1.2 verwiesen. Für das Land Sachsen-Anhalt wurde kein gesonderter Grenzwert zur Feststellung einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit durch Cannabiskonsum festgelegt . Die Fahrerlaubnisbehörden des Landes orientieren sich an der Festlegung der Grenzwertkommission (festgesetzter Wert der Grenzwertkommission zu § 24a Abs. 2 StVG entspricht 1,0 ng/ml im Blutserum) und einschlägiger Rechtsprechung . Der genannte Grenzwert wurde insbesondere durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt (OVG LSA, Beschluss vom 06. September 2017 - 3 M 171/17) herangezogen und damit obergerichtlich bestätigt. 1.7 Gibt es seitens der Landesregierung Empfehlungen an die Fahrerlaubnisbehörden zur Auslegung der Kann-Regelungen in § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Fahrerlaubnisverordnung zur Anordnung von Gutachten und medizinisch-psychologischen Untersuchungen aufgrund des Besitzes von Cannabis? Wie gewährleistet die Landesregierung eine landesweit einheitliche Anwendung dieser Regelungen? 5 Die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie die Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen ist durch Gem. RdErl. des MI und MJ vom 12. Mai 2005 (vgl. Fundstelle unter Nr. 1.1) geregelt. Mitteilungen der Polizei über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, erfolgen an die Fahrerlaubnisbehörden auf Grundlage des § 2 Abs. 12 StVG. Diese entscheiden nach dem ihnen zustehenden pflichtgemäßen Ermessen im Lichte der aktuellen Rechtsprechung. 2. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften am 9. März 2017 wurde Cannabis ein verschreibungsfähiges Medikament. Inwieweit wird die Rechtslage zur Medizin Cannabis beim Vollzug der Fahrerlaubnisverordnung in Sachsen-Anhalt, insbesondere bezüglich § 14, berücksichtigt? Anders als bei der vorherigen Ausnahmegenehmigung durch die Bundesopiumstelle (§ 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) handelt es sich nach der neuen Rechtslage nicht um eine Selbsttherapie durch den Patienten, sondern um eine ärztlich verordnete Medikation durch den Arzt, die durch die Krankenkasse (§ 31 Abs. 6 SGB V) übernommen werden kann. Um in der Praxis den fahrerlaubnisrechtlichen Umgang mit Cannabis als Medikament aufgrund der Gesetzesänderung entsprechend zu berücksichtigen, wurden die Länder in den zuständigen Fachgremien bereits aus dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte der Bundesopiumstelle über den Zweck und den Inhalt der neuen gesetzlichen Regelungen zu Cannabis als Medikament entsprechend sensibilisiert . Für die Fahreignungsbegutachtung zum Thema der Cannabismedikation haben die Fachgesellschaften DGVM und DGVP Handlungsempfehlungen erarbeitet. In diesen wird berücksichtigt, dass es sich einerseits bei der Verordnung von Cannabismedikamenten um eine legitime Therapieoption handelt, andererseits auch die Möglichkeit eines Missbrauchs zu reflektieren ist. Derzeit arbeitet die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) an einem Arbeitspapier, welches die Fragestellungen im Zusammenhang der Fahreignung mit Medikamenten und insbesondere die schwierigen Fragen rund um Cannabis als Medikament behandelt . Dieses Papier wird in einer Arbeitsgruppe erarbeitet und in der nächsten Sitzung den Vertretern der zuständigen Landesbehörden zur weiteren Diskussion eröffnet. Im Ergebnis muss die Frage beantworten werden, ob der Betroffene aufgrund der Cannabismedikation unter Berücksichtigung der Vorerkrankung am Straßenverkehr teilnehmen kann. 2.1 Durch welche Maßnahmen hat die Landesregierung dafür gesorgt, dass diese Rechtslage bei der Polizei und den Fahrerlaubnisbehörden bekannt ist und bei der Anwendung der Fahrerlaubnisverordnung berücksichtigt wird? Das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BtMRuaÄndG) vom 6. März 2017 (BGBl. I S. 403) wurde im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Darüber hinausgehende Maßnahmen zur Unterrichtung der Poli- 6 zei Sachsen-Anhalt mussten nicht ergriffen werden. Aktuelle Gesetzesänderungen werden im Übrigen den nachgeordneten Behörden durch die Obersten Landesbehörden wie üblich im Rahmen der Fachaufsicht bekannt gegeben. Dabei wird regelmäßig auch über den gegenwärtigen Stand der Diskussion und die Empfehlungen auf Bund-Länder-Ebene sowie über die Ergebnisse des bundesweiten Erfahrungsaustausches „Begutachtung der Fahreignung“ unter Vorsitz der BASt informiert. Aktuelle Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und deren Auswirkungen auf die Anwendung der fahreignungsrelevanten Vorschriften der FeV werden u. a. den Fahrerlaubnisbehörden des Landes Sachsen-Anhalt auf dem Erlasswege bekannt gegeben. Darüber hinaus findet die obergerichtliche Rechtsprechung ihren Niederschlag in der Fortschreibung der Gesetzgebung und deren Auslegungshilfen. Soweit die dem BtMG unterfallende Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (vgl. § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG), unterliegt sie der Anwendung der Spezialregelung für die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln nach Nummer 9.6.2 der Anlage 4 der FeV. Während bei der illegalen regelmäßigen Einnahme von Cannabis die Fahreignung ohne weiteres ausgeschlossen ist (Nummer 9.2.1 der Anlage 4 der FeV), ist bei einer ärztlich verordneten Therapie mit Cannabis eine einzelfallorientierte Beurteilung der Fahreignung unter Würdigung der individuellen Aspekte erforderlich, die sowohl aus verkehrsmedizinischer Sicht die Erkrankung, ihre Symptome, die medikamentenspezifischen Auswirkungen und die ärztliche Überwachung der Medikamenteneinnahme erfasst, als auch aus verkehrspsychologischer Sicht die individuelle Leistungsfähigkeit, die Fähigkeit zur Kompensation von ggf. festgestellten Leistungseinschränkungen, die Compliance des Patienten gegenüber der Therapie, die Fähigkeit zur Risikoeinschätzung und auch die Gefahr der missbräuchlichen Einnahme überprüft (vgl. auch Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 31. Januar 2017, Az: 10 S 1503/16, Rn. 8, juris.; Schubert/ Schneider/ Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs -Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Auflage, Kapitel 3.12.2, S. 201 f., Kapitel 3.14.1 und 3.14.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung a.a.O.). 2.2 Welche Vorschriften bestehen in Sachsen-Anhalt für den Nachweis des Konsums zu medizinischen Zwecken im Rahmen polizeilicher Verkehrs- oder Personenkontrollen? Es ist gesetzlich nicht festgeschrieben, dass Patienten unter Dauermedikation einen Nachweis hierüber mit sich führen müssen. Insoweit ist, wie im Übrigen bei allen Fällen des § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG, der Nachweis über die bestimmungsgemäße Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels grundsätzlich in Abhängigkeit des Einzelfalls zu prüfen und zu führen. 7 2.3 Wurde gegen Personen in Sachsen-Anhalt, die Cannabis nachweislich aus medizinischen Gründen konsumieren und bei denen z. B. im Rahmen einer Verkehrs- oder Personalkontrolle der Konsum oder der Besitz von Cannabis festgestellt wurde a) ein polizeiliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, b) eine Aufnahme in die „Falldatei Rauschgift“ vorgenommen, c) ein ärztliches Gutachten und/oder d) eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet? Die Richtlinien zur Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), die jährlich vom Arbeitskreis II Innere Sicherheit der Innenministerkonferenz verbindlich für alle Bundesländer festgelegt werden, sehen eine Erfassung von Verstößen gegen Bestimmungen, die der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit im Straßenverkehr dienen, in der PKS explizit nicht vor (siehe Nr. 2.1.5 der Richtlinien). Unter Nr. 4.4.4.2 der Richtlinien wird die Erfassung / Nichterfassung des nicht strafbaren Betäubungsmittelkonsums geregelt. Liegen demnach bei einem festgestellten Betäubungsmittelkonsum keine Verdachtsgründe wie Sach- oder Personalbeweise vor, die auf einen Erwerb, Besitz oder eine sonstige strafbare Handlung nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) schließen lassen, werden diese Fälle in der PKS nicht erfasst. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Anfangsverdachts eines allgemeinen Verstoßes gegen das BtMG, wie er beispielsweise durch Aussagen zum Konsumverhalten aufgrund toxikologischer Gutachten begründet sein kann, reicht für eine PKS-Erfassung nicht aus. Eine statistische Erfassung zu Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis aus nachweislich medizinischen Gründen liegt somit nicht vor. In der PKS werden keine Informationen zu polizeilichen Maßnahmen, wie z. B. Verkehrskontrollen, erfasst. Rückschlüsse sind daher nicht möglich. Im Rahmen einer anlassbezogenen Recherche in der „Falldatei Rauschgift“ konnten keine Sachverhalte festgestellt werden, in welchen gegen Personen, die Cannabis nachweislich aus medizinischen Gründen konsumieren, polizeiliche Ermittlungsverfahren eingeleitet und/oder entsprechend Daten in der „Falldatei Rauschgift“ erfasst wurden. Eine entsprechende Statistik wird bei den Fahrerlaubnisbehörden nicht geführt (siehe Antwort zu Frage 1.) Vereinzelte Fälle sind den Fahrerlaubnisbehörden bekannt. Aus der Antwort der Bundesregierung vom 27. März 2017 (Drs. 18/11701) zur Kleinen Anfrage „Cannabismedizin und Straßenverkehr“ ist unter Ziffer 6 ersichtlich , dass bisher lediglich ein Patient aus Sachsen-Anhalt mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 BtMG versehen war.