Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2627 19.03.2018 (Ausgegeben am 19.03.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ulrich Siegmund (AfD) Weg-Bau in Arendsee Kleine Anfrage - KA 7/1511 Vorbemerkung des Fragestellenden: In Arendsee gibt es den unbefestigten Birken- und Parkweg, welche dieses Jahr erneuert werden sollen. Die Anlieger sollen zu 90 % finanziell an den Umbaumaßnahmen beteiligt werden und mit 70 % in Vorkasse gehen. Wie schon das Sächsische OVG urteilte: „Für Anliegerstraßen ist ein Anliegeranteil in Höhe von 60 % angemessen (SächsOVG, Urteil v. 31.1.2007 - 5 B 522/06, SächsVBl 2007, 112)“, stellt sich nun die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der finanziellen Belastungen für Anlieger. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Vorbemerkung: Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2007 (Az.: 5 B 522/06) stellt auf die Erhebung von Ausbaubeiträgen nach dem Sächsischen Kommunalabgabengesetz ab. Bei den Baumaßnahmen im Birken- und Parkweg in der Einheitsgemeinde Arendsee handelt es sich um Erschließungsmaßnahmen , für die Erschließungsbeiträge auf Grundlage des Baugesetzbuches (BauGB) zu erheben sind. Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist daher auf die Baumaßnahmen in der Einheitsgemeinde Arendsee nicht anwendbar. Der Bundesgesetzgeber hat in § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB die Beteiligung der Gemeinde in Höhe von mindestens zehn von Hundert des beitragsfähigen Erschlie- 2 ßungsaufwands für alle beitragsfähigen Erschließungsanlagen angeordnet. Diese Anordnung trägt dem Umstand Rechnung, dass diese Erschließungsanlagen nicht nur den erschlossenen Grundstücken, sondern außerdem allgemeinen Interessen dienen. 1. Wann wurden die Grundstücke am Birkenweg erschlossen? 2. Wann wurden die Grundstücke am Parkweg erschlossen? Die Fragen 1 und 2 werden zusammenhängend beantwortet. Die Grundstücke am Birkenweg und am Parkweg sind verkehrsseitig noch nicht erschlossen. Im Einzelnen gehören zu einer Erschließung von Grundstücken der Anschluss an das öffentliche Straßen- und Wegenetz, d. h. eine verkehrsgerechte Anbindung an eine Straße sowie der Anschluss an das Versorgungsnetz, wie Wasser-, Abwasser - und Elektrizitätsanschluss. Ob erstmals hergestellte Teileinrichtungen endgültig hergestellt sind, richtet sich nach den gemäß § 123 Nr. 4 BauGB in der Erschließungsbeitragssatzung festzulegenden Merkmalen der endgültigen Herstellung. In § 9 Abs. 1 Nr. 3 und 4 der Erschließungsbeitragssatzung der Einheitsgemeinde Arendsee (Altmark) ist u. a. geregelt, dass Straßen endgültig hergestellt sind, wenn die Beleuchtungseinrichtungen vorhanden sind und die Fahrbahn auf tragfähigem Unterbau mit einer Decke aus Asphalt, Beton oder einem ähnlichen Material hergestellt bzw. befestigt ist. Die Fahrbahnen des Birken- und Parkweges sind zurzeit unbefestigt und weisen eine Oberfläche bestehend aus Sand auf. Die Einheitsgemeinde Arendsee plant, die Fahrbahnen erstmalig mit einem Unterbau zu versehen und einer Decke aus Asphalt zu überziehen sowie eine Straßenbeleuchtung zu schaffen. Es würde sich dann bei diesen Teileinrichtungen um eine erstmalige Herstellung handeln, für die Erschließungsbeiträge zu erheben sind. 3. Auf welche Höhe belaufen sich die Gesamtkosten? Das Ausschreibungsverfahren für die Baumaßnahmen im Birken- und Parkweg ist noch nicht beendet. Somit können die Erschließungskosten anhand von Planungsunterlagen nur geschätzt werden. Danach belaufen sich die Erschließungskosten im Birkenweg auf ca. 100.700 Euro und für den Parkweg auf ca. 60.000 Euro. 4. Wie viele Anwohner sind von den Umbaumaßnahmen betroffen? Auf die Anzahl der Anwohner kommt es bei Erschließungsmaßnahmen nicht an. Gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist derjenige beitragspflichtig, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist. Die Baumaßnahmen betreffen 29 Grundstücke mit den jeweiligen Eigentümern. 3 5. Was passiert mit einem Anwohner, der die 70 % der Vorkasse nicht leisten kann? Im Einzelfall kann die Gemeinde gemäß § 135 Abs. 5 BauGB auch von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist. Die Billigkeitsregelung ist auch auf die Anforderung von Vorausleistungen anwendbar. 6. Handelt es sich bei dem Parkweg um eine Straße im Sinne des Baugesetzbuches (BauGB)? 7. Handelt es sich bei dem Birkenweg um eine Straße im Sinne des BauGB? Die Fragen 6 und 7 werden zusammenhängend beantwortet. § 127 Abs. 2 BauGB regelt, dass u. a. öffentliche zum Anbau bestimmte Straßen, Wege und Plätze, öffentliche aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbare Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete Erschließungsanlagen sind. § 2 Straßengesetz für das Land Sachsen-Anhalt definiert , was unter einer öffentlichen Straße zu verstehen ist. Danach sind der Parkweg und der Birkenweg öffentliche Straßen im Sinne des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt. 8. Auf welcher Grundlage wurde statt eines Ausbaubeitrages ein Erschließungsbeitrag erhoben? Gem. § 242 Abs. 9 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) kann für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen im Beitrittsgebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 bereits hergestellt worden sind, ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. In § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB hat der Gesetzgeber angeordnet, als bis zum 3. Oktober 1990 bereits hergestellt seien die seinerzeit einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen anzusehen (vgl. Driehaus, Kommentar Kommunalabgabenrecht , § 8, Rd. 218 d). Eine Teileinrichtung war bis zum 3. Oktober 1990 bereits hergestellt, wenn sie in ihrer gesamten Ausdehnung einem technischen Ausbauprogramm oder den ortsüblichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellt war. War zum Beispiel die Straßenbeleuchtung nicht bis zum 3. Oktober 1990 auf ganzer Länge bereits endgültig hergestellt, kommt es auf ein technisches Ausbauprogramm oder auf die örtlichen Ausbaugepflogenheiten nicht an (vgl. Driehaus a. a. O., § 8, Rd. 218h). Demnach muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob eine Straße und deren Teileinrichtung vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits endgültig hergestellt worden ist. Das Bundesverwaltungsgerichts hat mit Urteil vom 11. Juli 2007 (Az.: 9 C 5.06) dazu Prüfkriterien aufgestellt. Stellt sich bei der Prüfung heraus, dass für die Erhebung der Beiträge das Erschließungsbeitragsrecht anzuwenden ist, so besteht für die Gemeinde kein Ermessenspielraum für eine andere Entscheidung. Die Gemeinden haben dann gemäß § 127 Abs. 1 BauGB zur Deckung ihres anderweitigen nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag zu erheben. Diese Befugnis der Gemeinden hat der Bundesgesetz- 4 geber als eine bindende Verpflichtung ausgestaltet. Der Erhebungszwang dient der Beitragsgerechtigkeit (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. November 1977, Az.: IV C 104.74), und zwar im Interesse einer möglichst gleichartigen Behandlung der Grundstückseigentümer in allen Gemeinden. 9. Auf welcher Grundlage bittet man die Anwohner um Vorkasse, trotz einer erfolgten Erschließung der Grundstücke in den Vorjahren? Eine Erschließung der Teileinrichtung „verkehrsgerechte Anbindung an eine Straße“ ist in den Vorjahren weder im Birkenweg noch im Parkweg erfolgt. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB können für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Erhebung von Vorausleistungen ist hier noch nicht erfolgt.