Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2666 04.04.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 04.04.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hannes Loth (AfD) Zustand des Fledermausquartiers - Keller Schlossruine Zerbst (FFH0225) Kleine Anfrage - KA 7/1520 Vorbemerkung des Fragestellenden: Aufgrund umfassender Rekonstruktions- und Renovierungsarbeiten an der Ruine hat sich der Zustand des Quartiers in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Austrocknung und Erwärmung zahlreicher Räumlichkeiten infolge von Baumaßnahmen (Heizungseinbau) bzw. Nutzungen führten zu einem drastischen Rückgang der Zahl überwinternder Fledermäuse (http://www.natura2000-lsa.de/natura _2000/front_content.php?idart=287&idcat=33&lang=1, Abruf, 12. Februar 2018). Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Vorbemerkung der Landesregierung: Die Sanierungsmaßnahmen im Bereich des FFH-Gebiets Keller Schlossruine Zerbst (FFH 0225) haben nach vorläufiger aktueller Einschätzung der Landesregierung zu Verschiebungen in der Zusammensetzung des Artinventars, jedoch nicht zu einem drastischen Rückgang der Zahl überwinternder Fledermäuse geführt. Die Aussagen der in der Vorbemerkung des Fragestellers zitierten Quelle (nach JENTZSCH, M und REICHHOFF, L (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt) können nach aktueller Datenlage nicht pauschal aufrechterhalten, derzeit aber auch nicht abschließend neu gefasst werden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung zeichnete sich tatsächlich eine solche Tendenz ab (s. Antwort zu Frage 1, Tabelle 1). 2 1. Wie haben sich die Bestände der im FFh0225 nachgewiesenen 11 Fledermausarten seit 2003 entwickelt? Bitte nach Art mit Individuenzahlen nach Schwarmzeiten, Sommer- und Winterquartier je Jahr ausführen und begründen. Die vorliegenden Daten stammen aus unterschiedlichen Quellen, wurden jedoch nicht in der angefragten Art und Weise ermittelt. Ausführlichere Zeitreihen liegen aus ehrenamtlichen Erfassungen vor. Diese wurden im Auftrag des LAU für den Zeitraum 1994 bis 2011 zusammengefasst (MYOTIS 2011, s. Anlage, Winterquartier). Weitere Ergebnisse aus ehrenamtlichen Erfassungen aus den Jahren 2004 bis 2018 liegen bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Anhalt- Bitterfeld vor. Der Bestand der Fledermäuse im FFH-Gebiet „Keller Schlossruine Zerbst“ ist anhand der Ergebnisse der jährlichen Winterquartierkontrollen (eine pro Jahr 2003-2018) als stabil einzuschätzen. Die Zahlen der überwinternden Fledermäuse können allerdings nicht als abschließend gesehen werden, da nur die sichtbaren Tiere gezählt werden. Fledermäuse können hinter Verblendungen, in Ziegellochsteinen oder in weiteren uneinsehbaren Bereichen sitzen. Im FFH-Gebiet variieren die Ergebnisse der Winterquartierkontrollen in den Jahren 2004 bis 2018 zwischen 31 und 92 Individuen (vgl. Tab. 1). Die Schwankungen in den Bestandszahlen ergeben sich aus den klimatischen Winterwettersituationen und bewegen sich im natürlichen Schwankungsbereich. Vergleiche dazu Tabelle 1: Tab. 1: Winterquartierkontrolle im FFH-Geb. „Keller Schlossruine Zerbst“ (FFH0225) 2004-2018 B.bar M.nat M.bech M.myst M.m P.aur P.aus P.pip E.ser V.mur M .dau Jan 2004 12 48 3 1 2 3 4 6 79 Feb 2005 2 37 2 3 2 1 3 50 Feb 2006 3 56 2 3 5 5 4 1 2 81 Feb 2007 57 1 1 2 61 März 2008 41 1 2 2 6 1 53 Feb 2009 2 67 6 3 1 8 1 4 92 Feb 2010 21 50 1 2 1 1 10 1 1 88 Feb 2011 12 23 3 6 1 1 46 März 2012 1 22 1 1 1 1 4 31 Feb 2013 7 31 3 2 2 1 3 2 51 Feb 2014 5 26 1 1 3 2 38 3 Feb 2015 3 34 5 1 1 2 2 1 4 53 Feb 2016 1 31 4 1 1 1 7 2 2 3 53 Feb 2017 1 58 1 1 5 2 16 2 1 87 Feb 2018 3 30 4 1 3 3 39 1 5 89 ges. 73 601 22 3 31 34 23 104 16 5 30 952 B.bar = Barbastella barbastellus (Mopsfledermaus), M.nat = Myotis nattereri (Fransenfledermaus), M.bech = Myotis bechsteinii (Bechsteinfledermaus), M.myst = Myotis mystacinus (Kleine Bartfledermaus ), M.m = Myotis myotis (Großes Mausohr), P.aur = Plecotus auritus (Braunes Langohr), P.aus = Plecotus austriacus (Graues Langohr) , P.pip = Pipistrellus pipistrellus (Zwergfledermaus), E.ser = Eptesicus serotinus (Breitflügelfledermaus), V.mur = Vespertilio murinus (Zweifarbfledermaus), M.dau = Myotis daubentonii (Wasserfledermaus) Zur Schwärmzeit erfolgten vereinzelte Untersuchungen (z. B. 2005, 2006, 2013) durch die Landesreferenzstelle für Fledermausschutz Sachsen-Anhalt und dem Arbeitskreis Fledermäuse Sachsen-Anhalt e. V. Belegbare Aussagen zur Eigenschaft des FFH-Gebiets als Schwärmquartier können daraus nicht sicher abgeleitet werden. Quellenangabe: MYOTIS (2011): Ersterfassung der Arten der FFH-Richtlinie der Europäischen Union im Land Sachsen-Anhalt - Fledermäuse - Teilbereich Ost - Endbericht (WV44/09/10) - unveröff. Gutachten im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (dort einsehbar). 2. Gab es weitere Nachweise von Fledermausarten, die bisher nicht im Standarddatenbogen ausgeführt wurden? Bitte Arten und Zeitraum listen. Große Bartfledermaus (Myotis brandtii): Nach MYOTIS (2011) liegen für Myotis brandtii nicht näher terminierte Altdaten vor. Da es hierfür jedoch keine konkreten und überprüfbaren Datensätze (Beobachter, Datumsangabe, Individuenzahlen etc.) gibt, wurde die Art nicht in den Standarddatenbogen einbezogen. Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus): Ein Einzelexemplar wurde am 27.02.2010 festgestellt. Auf eine Aufnahme in den Standarddatenbogen wurde zunächst verzichtet, da die regelmäßige oder zumindest wiederholte Quartiernutzung nicht erkennbar war. Da bei nachfolgenden Kontrollen erneut Nachweise überwinternder Tiere erfolgte, wird bei einer künftigen Überarbeitung des Standarddatenbogens die Aufnahme der Art geprüft werden. 3. Wurden im FFH0225 Fledermäuse beringt und wenn ja, welche Ergebnisse zur Standorttreue oder Herkunft konnten dabei erzielt werden? Am Standort Schlossruine Zerbst wurden Fledermäuse beringt (Sommer /Winter). Eine vollständige detaillierte Auswertung der Ergebnisse der ehrenamtlichen Beringung liegt noch nicht vor. Eine Übersicht der an der Fledermausmarkierungszentrale am Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie verwalteten Daten (Beringung und Wiederfunde) zeigt, dass Wiederfunde überwiegend von vor Ort beringten Tieren stattfanden. Es 4 wurden gleichwohl überregionale räumliche Beziehungen durch wandernde Tiere zu folgenden Gebieten festgestellt: Nordöstlicher Unterharz und Vorland: Ahlsdorf, Meisdorf, Walbeck (Myotis myotis) Dübener Heide/Muldetal: Muldenstein (Myotis myotis) Drömling: Mieste (Nyctalus noctula) 4. Wie schätzt die Landesregierung die aktuelle Situation des FFH0225 ein, da sich die eingangs geschilderten Umweltbedingungen offenbar weiter verschlechtert haben? Bitte anhand der Daten von Frage 1 begründen. Eine aktuelle und belastbare Bewertung des Zustandes des FFH-Gebietes bzw. Fledermausquartiers erfordert neben der Erhebung der Bestandszahlen der Fledermäuse eine detaillierte Erfassung der Umweltparameter ggf. sowie deren Veränderung über längere Zeiträume. Es ist nicht vorbehaltlos davon auszugehen , dass eine Verschlechterung vorliegt. Eine vorläufige fachliche Einschätzung geht davon aus, dass die Sanierungsmaßnahmen , die z. T. für die Rettung der Ruine und folglich für das FFH-Gebiet notwendig waren, das Arteninventar bzw. die Anzahl der Individuen pro Art verändert haben. Durch die Baumaßnahmen sind die Überwinterungshabitate trockener und weniger frostzugänglich geworden. Das verringert z. B. die Anzahl kälteliebender Arten, wie z. B. der Mopsfledermaus. Aus der Veränderung des Artbestandes ist keine pauschale Verschlechterung der Umweltbedingungen im Sinne einer generellen Habitatverschlechterung abzuleiten . Zudem könnten Bestandsschwankungen einzelner Arten teilweise durch natürliche Einflüsse bedingt sein. Das Gebiet ist nach wie vor von besonderer Bedeutung für verschiedene Fledermausarten. 5. Welche Möglichkeiten schöpft die Landesregierung aus, um die Schlossnutzung und den Erhalt der Fledermausbestände in Einklang zu bringen? Bitte benennen und begründen. Die rechtliche Sicherung des FFH-Gebietes „Keller Schlossruine Zerbst“ (DE 4038-301, FFH 0225) erfolgte auf Basis einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld und der Stadt Zerbst vom 29.11.2010. Diese regelt die dauerhafte Sicherung der Lebensstätten der Fledermäuse und den Umgang mit dem FFH-Gebiet und der Nutzung des Schlosses durch die Stadt Zerbst bzw. Förderverein Schloss Zerbst e. V. Alle bisherigen Sanierungsmaßnahmen sind vertragsgerecht der UNB zur Prüfung eingereicht worden . Genehmigungen für Sicherungsmaßnahmen liegen dem Förderverein Schloss Zerbst e. V. vor und wurden mit der unteren Naturschutzbehörde abgestimmt . Die vertragliche Sicherung ist im Falle von ortskonkreten Fledermausquartieren, die anthropogenen Ursprungs sind und Nutzungen unterliegen, das geeignetste Mittel und findet nicht nur im Falle des FFH-Gebiets 0225 Anwendung. Neben 5 dem Erhalt und der dauerhaften Sicherstellung der Schutzgüter sind die Maßnahmen zum Erhalt und zur Sicherung des Fledermausquartieres sowie die Kontrolle und Überwachung der Fledermausbestände Vertragsgegenstand. Dieses kontinuierliche Monitoring ist auch als Grundlage für Nutzungsansprüche durch die Stadt Zerbst unter Beachtung der Anforderungen des FFH- Gebiets zu betrachten. 6. Liegt eine Einschätzung der Problematik in Frage 4 seitens des Büro Myotis vor? Wenn ja, welche Lösungen werden vorgeschlagen? Vonseiten des Fachbüros Myotis liegen keine Einschätzungen zu den in Frage 4 dargestellten Sachverhalten vor. Um die Belange von Natura 2000 sowie des nationalen und europäischen Artenschutzes und die Nutzung durch den Förderverein Schloss Zerbst e. V. noch besser vereinbaren zu können, sollte vom Fachbüro Myotis 2016 ein „Masterplan " entwickelt werden. Dieser liegt bis zum heutigen Zeitpunkt der zuständigen Naturschutzbehörde zur Abstimmung nicht vor. 7. Wenn sich die Umweltbedingungen - entsprechend den eingangs dargestellten Fakten - noch weiter verschlechtert haben (s. auch Ergebnisse Frage 1), welche Gegenständlichkeit sieht die Landesregierung dann im FFH0225? Bitte begründen. Die Meldung des Gebietes für das Schutzgebietssystem Natura 2000 erfolgte nach fachlichen Aspekten, da das Gebiet ein überregional bedeutsames Winterquartier für mehrere Fledermausarten darstellt. Aus der Meldung resultiert die Verpflichtung zur Sicherung und Erhaltung des FFH-Gebietes. Planungen zu Sanierungsarbeiten und begleitende Monitoringmaßnahmen werden entsprechend der vertraglichen Vereinbarung zwischen Landkreis und Stadt Zerbst abgestimmt. Die pauschale Annahme einer Verschlechterung der Umweltbedingungen wird unter Verweis auf die Antwort auf die Frage 4 nicht geteilt. Die Landesregierung sieht daher keine Veranlassung, die Gegenständlichkeit des FFH-Gebiets FFH 0225 zu hinterfragen.