Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2678 06.04.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 09.04.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hagen Kohl (AfD) Autokorso am 4. Februar 2018 in Magdeburg und Barleben Kleine Anfrage - KA 7/1550 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 4. Februar 2018 fuhren nach offiziell unbestätigten Informationen durch die Gemeinde Barleben und die Landeshauptstadt Magdeburg Fahrzeugkolonnen (Autokorsos ) mit Fahrzeugen, die aufgrund der angebrachten Fahnen bzw. Dekoration ein pro-kurdisches oder zumindest politisch motiviertes Anliegen für wahrscheinlich erscheinen lassen. Dabei haben die Teilnehmer durch Hupen und einer auf einem PKW angebrachten Lautsprecheranlage besondere Aufmerksamkeit erregt. Laut Zeugenaussagen sollen sich Fahrzeuginsassen im Fondbereich durch die geöffnete Seitenscheibe aus dem Fahrzeug herausgelehnt bzw. dort sogar im Fensterbereich gesessen haben. In den sozialen Netzwerken lassen sich diverse Videoaufnahmen zu diesen Autokorsos finden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Handelt es sich bei einem Autokorso um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz respektive Art. 12 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt? Gelten für derartige Veranstaltungen und explizit für die vorgenannten Autokorsos die Regelungen des Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt über Versammlungen und Aufzüge (Landesversammlungsgesetz )? Wenn ja, wird um eine entsprechende Begründung und die Beantwortung folgender Fragen gebeten: 2 Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge sind Versammlungen im Sinne des Artikels 8 GG örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und Meinungsäußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken. Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst nicht nur das gewählte Thema der Veranstaltung, sondern auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will. Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt , sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens. Demnach ist auch ein Autokorso als besondere Form eines Aufzuges eine Versammlung , sofern die o. g. Merkmale einer Versammlung vorliegen. Dies war hier der Fall. 1.1 Standen diese Autokorsos nach Erkenntnissen der Landesregierung in irgendeinem Zusammenhang? Wenn ja, wird um eine entsprechende Erläuterung gebeten. Die Versammlung wurde nach Kenntnisstand der Landesregierung in Form eines Autokorsos durchgeführt. 1.2 Wann, von wem, bei welchen Versammlungsbehörden und unter welchem Motto wurden die Autokorsos angemeldet? Welcher Streckenverlauf wurde jeweils von dem Veranstalter oder den Veranstaltern angegeben? Wurden diese genehmigt und eingehalten? Unter welchen behördlichen Auflagen bzw. Beschränkungen fanden diese Korsos statt? Wurden diese eingehalten? Die Versammlung mit dem Thema: „Solidarität mit Afrin“ war am 31. Januar 2018 durch eine Privatperson bei der Versammlungsbehörde (Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord) angemeldet worden. Weitere Einzelheiten zum Ablauf der Versammlung teilte der Anmelder am 1. Februar 2018 mit. Die Anmeldung enthielt folgende Angaben zum Streckenverlauf: Nicolaiplatz, Lübecker Straße, Lüneburger Straße, Gareisstraße, Erzbergerstraße, Otto-von- Guericke-Straße, Hasselbachplatz, Hallische Straße, Halberstädter Straße, Bergstraße, Kroatenweg, Halberstädter Straße, Hallische Straße, Breiter Weg, Ernst-Reuter-Allee, Otto-von-Guericke-Straße, Erzbergerstraße, Gareisstraße, Lüneburger Straße, Lübecker Straße, Barleber Straße, Ziolkowskistraße, Barleber Chaussee, Breiteweg (Barleben), Barleber Chaussee, Ziolkowskistraße, Barleber Straße, Lübecker Straße, Nicolaiplatz. Diese Aufzugsstrecke, die keiner Genehmigung durch die Versammlungsbehörde bedurfte, wurde eingehalten. Beschränkungen wurden durch die Versammlungsbehörde nicht erteilt. 3 1.3 Waren den Versammlungsbehörden bekannt, dass mit Unterstützung von an Kraftfahrzeugen angebrachten Lautsprecheranlagen diese Autokorsos durchgeführt werden sollen? Ist die Benutzung von Lautsprechertechnik im Rahmen von Autokorsos erlaubnisfähig oder -bedürftig? Wenn ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlage und wurde dieses von den Versammlungsbehörden erlaubt? Der Anmelder hatte im Zuge der Anmeldung angegeben, 25 Kraftfahrzeuge und eine Lautsprecheranlage als Hilfsmittel zur Meinungskundgabe nutzen zu wollen . Der Einsatz von Lautsprechertechnik als Hilfsmittel zur Meinungskundgabe im Rahmen der Versammlung bedurfte keiner Erlaubnis. Zwar ist grundsätzlich gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVO der Betrieb von Lautsprechern verboten, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Die Straßenverkehrsbehörde kann von diesem Verbot gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 9 StVO Ausnahmegenehmigungen erteilen. Im Rahmen von Versammlungen bedarf der Einsatz von Lautsprechern jedoch grundsätzlich keiner besonderen Genehmigung , da die Verwendung von Lautsprechern ein adäquates Mittel der Meinungskundgabe bei Versammlungen ist. Das Versammlungsrecht geht insoweit als lex specialis den straßenverkehrsrechtlichen Regelungen vor. 1.4 Welche Losungen haben die Versammlungsteilnehmer in welcher Sprache über die Lautsprecher verbreitet? Sind diese strafrechtlich relevant? Wurden im Rahmen dieser Autokorsos seitens der Teilnehmer Ordnungswidrigkeiten oder mutmaßliche Straftaten begangen? Wenn ja, gegen wie viele Personen wurden entsprechende Verfahren zu jeweils welchem Tatvorwurf eingeleitet? Welche Nationalität besitzen diese Personen? Welchem politisch motivierten Phänomenbereich werden die mutmaßlichen Straftaten zugeordnet? Bitte entsprechend aufschlüsseln. Die Inhalte der über Lautsprecher verbreiteten Redebeiträge wurden nicht dokumentiert . Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wurden im Laufe der Versammlung nicht festgestellt. 1.5 Fanden im Vorfeld der Versammlungen Kooperationsgespräche zwischen den Versammlungsbehörden und dem Veranstalter bzw. den Veranstaltern statt? Wenn ja, was war der Inhalt dieser Gespräche? Es fanden Kooperationsgespräche im Vorfeld der Versammlung statt. Im Verlauf dieser Gespräche erfolgte die Präzisierung der Aufzugsstrecke. Des Weiteren wurde der Anmelder auf das Verbot des Verwendens von Kennzeichen und Äußerungen mit PKK-Bezug hingewiesen. 4 1.6 War den Versammlungsbehörden im Vorfeld der Autokorsos bekannt oder war aufgrund der Umstände damit zu rechnen, dass es während der Autokorsos seitens der Teilnehmer zu Meinungsäußerungen in nichtdeutscher Sprache kommt? Welche Maßnahmen haben die Versammlungsbehörden oder Polizei einsatzbegleitend durchgeführt, um die Redebeiträge zu überwachen ? Angesichts des Versammlungsthemas war nicht auszuschließen, dass es im Rahmen der Versammlung zu Meinungsäußerungen in nichtdeutscher Sprache kommen kann. Anhaltspunkte dahingehend, dass Störungen der öffentlichen Sicherheit durch Inhalte von Redebeiträgen zu erwarten waren, lagen der Versammlungsbehörde im Vorfeld der Versammlung nicht vor. 2. Falls diese Autokorsos nicht bei den Versammlungsbehörden angemeldet waren, wird gebeten darzulegen, wann die Versammlungsbehörden oder die Polizei von den Autokorsos erfahren haben. In welchem zeitlichen Umfang fanden diese Autokorsos nach Informationen der Landesregierung statt? Wurden die Reden überwacht bzw. die Fahrzeuge auf verbotene Symbole überprüft? Inwieweit war dieses aufgrund der geringen Vorbereitungszeit nicht möglich? Die Versammlung begann um 15.00 Uhr und endete um 16.50 Uhr. Die Redebeiträge wurden nicht überwacht, da Anhaltspunkte dahingehend, dass Störungen der öffentlichen Sicherheit von den Inhalten der Redebeiträge ausgehen könnten, nicht vorlagen. Eine Überprüfung im Hinblick auf die Verwendung verbotener Kennzeichen wurde vorgenommen. Verbotene Kennzeichen wurden nicht festgestellt. 3. Aus wie vielen Fahrzeugen bestanden die Autokorsos? Wie viele Personen haben an diesen teilgenommen? Der Autokorso bestand aus 25 Fahrzeugen. Es nahmen 75 Personen an der Versammlung teil. 4. Sofern Autokorsos nicht dem Versammlungsrecht unterliegen, wird um Angabe der Rechtsgrundlage gebeten, aufgrund derer diese beantragt bzw. genehmigt werden müssen. Inwieweit kommen hierbei Regelungen des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (StrG LSA) z. B. hinsichtlich der Sondernutzung oder des § 29 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zur Anwendung? Hatten die Veranstalter einen entsprechenden Antrag bei den zuständigen Erlaubnisbehörden gestellt und diesen bewilligt bekommen? Welche Regelungen des StrG LSA oder des StVO schränken das Versammlungsrecht ein? Zwar bedürfen Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden (dies betrifft auch im geschlossenen Verband fah- 5 rende Kraftfahrzeuge), gemäß § 29 StVO grundsätzlich der Erlaubnis der Straßenverkehrsbehörde. Handelt es sich dabei jedoch um eine Versammlung, geht das Versammlungsrecht als lex specialis den straßen- und straßenverkehrsrechtlichen Regelungen vor. In diesem Fall entscheidet die Versammlungsbehörde - unter Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und den straßen- und straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften - über den Umfang der Inanspruchnahme der jeweiligen öffentlichen Verkehrsflächen und erteilt gegebenenfalls Beschränkungen. Ein gesonderter Antrag bei der Straßenverkehrsbehörde ist nicht erforderlich. 5. Wie viele Polizeivollzugsbeamte waren im Zusammenhang mit den Autokorsos zur Gewährleistung der Versammlungsfreiheit im öffentlichen Raum bzw. für die verkehrspolizeiliche Begleitung eingesetzt? Wie viele Einsatzstunden haben die Polizeibeamten dabei geleistet? Es waren acht Polizeivollzugsbeamte im Einsatz, die insgesamt 29,20 Mannstunden leisteten.