Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2732 16.04.2018 (Ausgegeben am 16.04.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Thomas Lippmann (DIE LINKE) Neuausschreibung von Schulleiterstellen bei steigenden Schülerzahlen Kleine Anfrage - KA 7/1568 Vorbemerkung des Fragestellenden: In den letzten Jahren sind im Ergebnis von Schulschließungen und insgesamt wieder steigenden Schülerzahlen auch an vielen Einzelschulen die Schülerzahlen gestiegen . Da die Einstufung der Funktionsstellen für die Schulleitungen von bestimmten Schwellenwerten bei den Schülerzahlen der Schulen abhängen, kommt es verstärkt dazu, dass Schwellenwerte überschritten werden und dadurch die Funktionsstellen für die Leitung der Schulen einer höheren Besoldungsgruppe zugeordnet sind. Entgegen der Erwartung der Funktionsstelleninhaber führt diese Entwicklung nicht dazu, dass sie zeitnah nach dem Überschreiten des Schwellenwertes eine entsprechende Beförderung erhalten. Durch die Schulbehörde wird diese Situation offensichtlich so gewertet, dass die alte Stelle in der niedrigeren Besoldungsgruppe entfällt und eine neue Stelle in der höheren Besoldungsgruppe entsteht, die neu auszuschreiben und nach den Regeln des Beamtenrechts auch neu zu besetzen ist. Dadurch verlieren die bisher und oftmals seit vielen Jahren in diesen Schulen etablierten Funktionsstelleninhaber ohne für sie erkennbaren Grund ihre bisherige Stelle und sind durch die Neuausschreibung veranlasst, sich auf ihre eigene Funktionsstelle neu zu bewerben. Dies beinhaltet auch die Möglichkeit, dass andere Bewerber erfolgreich sind und sie die Funktion nicht weiter ausüben können. Dieses Verfahren ist weder den Funktionsstelleninhabern noch den Lehrkräften, Eltern und Schülern vermittelbar. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 2 Frage 1: Wie wird aus den beamtenrechtlichen Regelungen des Landes begründet, dass beim Anstieg der Schülerzahlen über einen Schwellenwert eine mit einem Funktionsstelleninhaber dauerhaft besetzte Stelle in einer Schulleitung neu ausgeschrieben wird? Antwort: Das Erfordernis einer Ausschreibung folgt unmittelbar aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz , wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat. Von diesem Prinzip der Bestenauslese , welches zugleich eine Ämterpatronage verhindern will, werden alle statusbezogenen beruflichen Aufstiege erfasst, also insbesondere die einer Beförderungsernennung vorausgehende Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens. Von dieser Norm des Grundgesetzes, welche nach ständiger Rechtsprechung weit auszulegen ist, werden auch Funktionen erfasst, die von Beschäftigten im Arbeitsverhältnis wahrgenommen werden. Nach Nr. 2 der Allgemeinen Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B des Landesbesoldungsgesetzes ist für die Zuordnung eines Leitungsamtes an Schulen zu einer Besoldungsgruppe die Schülerzahl aus der amtlichen Schulstatistik maßgebend. Aufgrund der sich danach ergebenden Zuordnung sind die Ernennung und die Gewährung einer Amtszulage sowie die Einweisung in eine höhere Planstelle nur zulässig, wenn die für die Einstufung maßgebliche Schülerzahl bereits ein Jahr vorgelegen hat und mit hinlänglicher Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass sie mindestens drei weitere Jahre erreicht wird. Erhöht sich die Schülerzahl, so dass sich die Wertigkeit der Ämter der jeweiligen Schulleitungen erhöhen, kann nicht ohne weiteres eine höhere Besoldung gewährt werden. Hierfür bedarf es nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz) einer Ernennung. Die Übertragung eines höherwertigen Amtes durch Ernennung setzt jedoch entsprechend § 9 Beamtengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (Landesbeamtengesetz ) ein Auswahlverfahren voraus, welches nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz durchzuführen ist. Frage 2: In welcher Form wurden die Funktionsstelleninhaber in den öffentlichen Schulen darüber informiert, dass das Überschreiten bestimmter Schwellenwerte bei den Schülerzahlen nach Auffassung der Schulbehörden zum Wegfall der bisherigen Stelle und einer Neuausschreibung mit der Notwendigkeit einer neuen Bewerbung führt? Antwort: Die Ausschreibung von Funktionsstellen gemäß der in der Antwort zu Frage 1 dargestellten Rechtslage ist ständige Verwaltungspraxis der zuständigen Personalstellen des Landesschulamtes. Ob die o. g. Voraussetzungen der Allgemeinen Vorbemerkungen zu den Besoldungsgruppen A und B des Landesbesoldungsgesetzes auf der Grundlage der amtlichen Schulstatistik und einer entsprechenden Prognoseentscheidung tatsächlich eintreffen, ist im Hinblick auf die Unsicherheiten bei der Entwicklung der Schülerzah- 3 len oft nicht längerfristig vorhersehbar. In diesen Fällen erfolgt daher eine kurzfristige Information der betroffenen Funktionsträger durch den zuständigen schulfachlichen Bereich oder durch die Personalreferate des Landesschulamtes. Sofern die Voraussetzungen längerfristig absehbar sind, wird entsprechend früher informiert. In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass den betroffenen Funktionsstelleninhaber /-innen kein Rechtsstatus entzogen wird. Das statusrechtliche Amt mit entsprechendem Anspruch auf amtsangemessene bzw. vergütungsadäquate Verwendung bleibt bestehen. Die bisherige Einweisung in die Planstelle bleibt unberührt. Den Personalstellen ist bisher kein Fall bekannt, in welchem der/die bisherige Funktionsstelleninhaber /-in das Ausschreibungsverfahren der höherwertigen Position nicht für sich entscheiden konnte. Frage 3: Wann und in welcher Form werden die Gesamtkonferenzen der Schulen durch die Schulbehörden informiert, wenn in einer Schule ein solcher Fall der Neuausschreibung einer dauerhaft besetzten Stelle durch das Überschreiten von Schwellenwerten bei den Schülerzahlen eintritt? Antwort: Das Verfahren zur Beteiligung der Gesamtkonferenzen ist in § 31 Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (SchulG LSA) und dem Runderlass des MK vom 04.09.2006, zuletzt geändert durch Runderlass des MK vom 15.06.2011, zur Besetzung von Funktionsstellen im Schulbereich geregelt. Bei der Besetzung der Stellen der Schulleiter/-innen schlägt nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 SchulG LSA die Schulbehörde der Gesamtkonferenz in der Regel zwei geeignete Bewerberinnen oder Bewerber vor. Demnach ist eine Beteiligung der Gesamtkonferenzen nicht schon bei der Ausschreibung , sondern erst bei der Neubesetzung der Funktionsstelle erforderlich. Sofern im Ergebnis des Auswahlverfahrens der/die bisherige Funktionsstelleninhaber /-in die Tätigkeit im konkret-funktionalen Amt fortführt, bedarf es deshalb einer Beteiligung der Gesamtkonferenz nicht. Sollte ein konkurrierender Bewerber bzw. eine konkurrierende Bewerberin zu bestellen sein, werden Gesamtkonferenz und Schulträger - wie dies auch im Rahmen der regelhaften Besetzungsverfahren erfolgt - nach Durchführung des Auswahlverfahrens und vor Bestellung beteiligt. Frage 4: Welche Änderungen in den beamtenrechtlichen Regelungen des Landes sind erforderlich, um die Neuausschreibung von dauerhaft besetzten Funktionsstellen in Schulleitungen öffentlicher Schulen aufgrund des Überschreitens von Schwellenwerten bei den Schülerzahlen zu vermeiden? Ist beabsichtigt, diese Änderungen vorzunehmen und wenn ja, bis wann? Antwort: Wie in der Antwort zu Frage 1. dargestellt, ergibt sich die Notwendigkeit der Neuausschreibung unmittelbar aus dem Grundgesetz. Beamtenrechtliche Regelungen des Landes, die statuieren würden, dass eine Neuausschreibung in diesen Fällen entbehrlich wäre, stünden im Widerspruch zum Grundgesetz. Im Rahmen der Normenhierarchie ist gemäß Art. 20 Absatz 3 Grundgesetz die Legislative an die verfassungsmäßige Ordnung, also an die Rechtsordnung und damit an die Verfassung, gebunden. Rechtssätze unterhalb des Verfassungsrangs, die dem Grundgesetz wi- 4 dersprechen, sind in der Regel verfassungswidrig und vom Bundesverfassungsgericht für nichtig zu erklären. Aus diesem Grund ist davon abzusehen, landesbeamtenrechtliche Regelungen zu schaffen, die dem Grundgesetz zuwiderlaufen.