Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2779 23.04.2018 (Ausgegeben am 23.04.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Frank Scheurell (CDU) Erweiterter Familienbegriff Kleine Anfrage - KA 7/1599 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Europaparlament in Straßburg hat am 16. November 2017 einer Reform der Dublin-Regeln zur Migrantenverteilung zugestimmt1. Kernpunkte der Regelung sind2: • Die Zulässigkeitsprüfung, die einem Asylprozess vorgelagert ist und die auf der Durchquerung „Sicherer Drittstaaten“ und dem Asylstatus in einem Drittstaat beruht, wurde gestrichen. • Die Familienzusammenführung soll erleichtert werden. Der betreffende Mitgliedsstaat wird automatisch zuständig für den neuen Asylantrag, wenn der Antragsteller behauptete, Familienangehörige in einem bestimmten Mitgliedsstaat zu haben, die einen legitimen Aufenthaltsstatus oder anerkannten Schutz genießen. • Es wurden Sanktionierungen gestrichen, die zu beschleunigten Asylverfahren führen sollten. • Es wurden weitere Kriterien aufgenommen (neben den familiären Verbindungen ), die bestimmen sollen, welchem Mitgliedsstaat die betreffende Zuständigkeit obliegt. • Den Antragstellenden soll das Recht eingeräumt werden, kostenlosen Rechtsbeistand während des vollständigen Asylprozesses zu erhalten, wenn die Person die Kosten nicht selbst aufbringen kann. In der Praxis würde das u. a. bedeuten, dass die Zuständigkeit eines Mitgliedsstaates für das Asylverfahren einer Person automatisch die Zuständigkeit für die Asylverfahren einer Großfamilie nach sich zieht. Damit ist nicht auszuschließen, dass sich 1 Welt vom 21. Januar 2018 2 Pressemitteilung vom 17. November 2017 von Cornelia Ernst (MdEUP) 2 der Zuzug von Migranten vervielfachen könnte und eine erneute Sogwirkung entsteht . Auch der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka äußerte ähnliche Zweifel. Er sagte der „Welt“: „Ich sehe das Vorhaben kritisch und habe erheblichen Diskussionsbedarf .3“ Im Rahmen des Trilog-Verfahrens stehen nun Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission an. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Wie will die Landesregierung ihren Einfluss auf Bundesebene ausüben (z. B. im Bundesrat durch eine entsprechende Initiative), dass die bisherigen Erfolge zur Eindämmung der Zuwanderung nicht konterkariert werden und es zu keiner Umverteilung zulasten Deutschlands, und damit Sachsen-Anhalts, kommt? Die Europäische Kommission hat im Frühjahr 2016 Vorschläge zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) vorgelegt. Bestandteil des Reformpakets ist auch ein Vorschlag zur Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sogenannte Dublin-III-Verordnung ). Über den Vorschlag wird derzeit zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union beraten. Voraussetzung für das Inkrafttreten einer Neufassung der Dublin-Verordnung ist, dass sich das Europäische Parlament und der Rat auf eine gemeinsame Fassung verständigen. Das Europäische Parlament hatte sich seinerseits im November 2017 zu den Reformvorschlägen positioniert und seinen Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) mandatiert, mit dem Rat Verhandlungen mit dem Ziel der Einigung auf einen gemeinsamen Reformtext aufzunehmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich bisher nicht auf eine Position zu den einzelnen Regelungen des Verordnungsvorschlages der Europäischen Kommission und den Änderungswünschen des Europäischen Parlaments geeinigt. Die Beratungen in den zuständigen Ratsarbeitsgremien dauern vielmehr an. Die Länder sind in diesen Beratungen durch einen Beauftragten des Bundesrates vertreten. Dieser ist auch in die Abstimmung der deutschen Verhandlungslinie eingebunden und stimmt sich seinerseits im Vorfeld mit den Ländern ab. Auf diesem Wege nimmt auch die Landesregierung - soweit erforderlich - die Möglichkeit wahr, auf die deutsche Verhandlungslinie etwa zur Reichweite des Familienbegriffes Einfluss zu nehmen. Darüber hinaus kann die Landesregierung mittels Bundesratsinitiativen Einfluss auf die Verhandlungen nehmen. 3 Welt vom 1. August 2016