Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2808 02.05.2018 (Ausgegeben am 02.05.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Stand der Umsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/1607 Vorbemerkung des Fragestellenden: MDR AKTUELL (Radio) berichtete in einem Beitrag vom 20. März 2018 Folgendes: „Eigentlich sollten Anwälte schon seit Jahresbeginn Akten über das sogenannte besondere elektronische Anwaltspostfach „beA" den Gerichten zuschicken können. Ein sicheres und verschlüsseltes E-Mail-System zwischen Anwälten und Gerichten. Es funktioniert nur noch nicht - ausgerechnet eine Sicherheitslücke hat es lahmgelegt. Die Anwälte ärgert das, doch die meisten Richter in Sachsen-Anhalt freuen sich darüber , dass es noch nicht soweit ist. Ein Richter am Amtsgericht Stendal sieht darin einen Aufschub für eine katastrophale Situation in den Geschäftszimmern der Gerichte. ‚Da rettet uns mit unserer Ausstattung , die wir im Moment haben, allein die Tatsache, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach nicht läuft.‘ Denn, auch wenn „beA“ funktionieren sollte, bleibt die elektronische Gerichtsakte ausgerechnet bei den Gerichten hängen. Denn dort fehlt auf lange Sicht die Technik, um sie digital an alle Verfahrensbeteiligten weiterleiten zu können. Stattdessen muss die Mail mit allen Anhängen ausgedruckt, kopiert und sortiert werden. Wie vor dem digitalen Verschicken in den Anwaltskanzleien.“ 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie schätzt die Landesregierung die im Eingangstext der Kleinen Anfrage beschriebene gegenwärtige Situation hinsichtlich der Einführung des elektronischen Anwaltspostfaches „beA“ beziehungsweise der elektronischen Gerichtsakte a) für die elektronische Kommunikation der Rechtsanwälte mit Gerichten, Behörden und sonstigen Dritten sowie b) für die elektronische Kommunikation der Gerichte ein? 1 a) Die Situation, insbesondere auf das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) bezogen, stellt sich wie folgt dar: Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (FördElRV; BGBl. I S. 3786) wurde das beA eingeführt , welches den Rechtsanwälten die sichere elektronische Kommunikation mit der Justiz und untereinander ermöglicht. Für die empfangsbereite Einrichtung des beA ist gemäß § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zuständig. Mithin stützen sich die Angaben zur beA-Situation im Wesentlichen auf Mitteilungen der BRAK, welche öffentlich zugänglich sind (www.brak.de). Unabhängig vom beA existieren andere Kommunikationsinfrastrukturen, auf denen die Justiz für die Rechtsanwälte und Behörden auf einem gesicherten, elektronischen Weg erreichbar ist. Dies sind unter anderem auf der Infrastruktur des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP) basierende, registrierte Drittprogramme (zum Teil in Kombination mit einer qualifizierten elektronischen Signatur) oder De-Mail. 1 b) Die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes Sachsen-Anhalt haben die Voraussetzungen geschaffen, um die Annahmebereitschaft für elektronische Eingänge auf den festgelegten Kommunikationsinfrastrukturen ab dem 01.01.2018 zu gewährleisten. Lediglich für Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ist die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Elektronischen Rechtsverkehr durch Verordnung des Landes bis zum 31.12.2019 ausgesetzt. Soweit in Teilbereichen wie z. B. dem Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts - und Vereinsregister, dem elektronischen Mahnverfahren sowie in der Verwaltungs-, Finanz- und Arbeitsgerichtsbarkeit der elektronische Rechtsverkehr bereits vor dem 01.01.2018 fakultativ oder obligatorisch eröffnet war, besteht dieser, abgesehen von der geänderten gesetzlichen Grundlage, fort. 3 Erst in einer weiteren Ausbaustufe besteht gemäß dem Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 (BGBl. I S. 2208) ab dem 01.01.2022 die Verpflichtung, auch den elektronischen Postausgang vorzuhalten und aktiv mit den professionellen Verfahrensbeteiligten via EGVP zu kommunizieren. 2. Welches Sicherheitsrisiko bestand beziehungsweise besteht noch für die Rechner der Rechtsanwaltschaft bei der Anmeldung zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach „beA“? Für die empfangsbereite Einrichtung des beA ist die BRAK zuständig (vgl. § 31a BRAO). Diese hat die interessierte Öffentlichkeit in den Presseerklärungen 15/2017, 1-5 und 7/2018 (www.brak.de) über bestehende Risiken in Zusammenhang mit dem beA informiert. Die Landesregierung verfügt über keine darüber hinausgehenden Kenntnisse. 3. Wann rechnet die Landesregierung mit einer tatsächlichen und vor allem sicheren Bereitstellung des „beA“? Die Landesregierung geht davon aus, dass das beA in Betrieb genommen wird, sobald die in dem Zwischenbericht der Firma Secunet AG beschriebenen Schwachstellen behoben wurden. 4. Wie beurteilt die Landesregierung den gegenwärtigen Stand der Technik an den Gerichten, um die elektronische Gerichtsakte im Fall der (Wieder-) Funktionsfähigkeit von „beA“ an alle Verfahrensbeteiligten weiterleiten zu können? Die Wiederinbetriebnahme des beA und die Einführung der elektronischen Gerichtsakte sind zwei zeitlich und sachlich voneinander unabhängige Ereignisse. Seit dem 01. Januar 2018 ist es möglich, mit den Verfahrensbeteiligten elektronisch zu kommunizieren. Verpflichtend ist dies ab dem 1. Januar 2022. Die von der Justiz genutzte EGVP-Infrastruktur setzt die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes Sachsen-Anhalt dazu in die Lage. Die verpflichtende elektronische Aktenführung hat der Bundesgesetzgeber erst ab dem 01. Januar 2026 vorgesehen. Die Software zur Umsetzung der elektronischen Aktenführung wird aktuell in länderübergreifenden Verbünden konzipiert und entwickelt. 4.1 Sind die Gerichte Sachsen-Anhalts mit entsprechend ausreichender und moderner Technik - insbesondere auch mit Blick auf die vorhandenen Drucker - ausgestattet? Für die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes Sachsen-Anhalt wurde Ende des Jahres 2017 zusätzliche Drucktechnik beschafft, um das prognostizierte Druckvolumen anlässlich der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs bewältigen zu können. Die tatsächlichen Eingangszahlen bleiben, nicht zuletzt bedingt durch die Abschaltung des beA, weit hinter den getroffenen Annahmen zurück. Mithin ist die aktuelle Ausstattung mindestens bedarfsgerecht. 4 Die vom tatsächlichen Verhalten der Einreicher abhängende, künftige Entwicklung der elektronischen Eingänge wird weiter beobachtet. Bei Bedarf werden ggf. entsprechende Maßnahmen zur Absicherung der Empfangsbereitschaft und Ergänzung der Ausstattung ergriffen. 5. Welche Bedarfsanforderungen gibt es seitens aller Beteiligten? Konkrete Bedarfsanforderungen, die über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen , gibt es von den Beteiligten nicht. Hintergrund ist, dass es bislang an ausreichenden Erfahrungen mit dem elektronischen Rechtsverkehr in Sachsen- Anhalt fehlt. Die insoweit gesammelten Erfahrungen im Bereich des Handelsregisters oder in der Verwaltungsgerichtsbarkeit konnten z. B. nur bedingt für die gesamte ordentliche Gerichtsbarkeit herangezogen werden. 6. Wie schätzt die Landesregierung die gegenwärtige Leitungsfähigkeit des Landesdatennetzes hinsichtlich einer voll umfänglichen Funktionsfähigkeit des elektronischen Rechtsverkehrs ein? 6.1 Welche Mängel existieren? Diverse Standorte der Justiz im Landesdatennetz ITN-LSA verfügen nur über sehr geringe Anschlussbandbreiten. 6.2 Wie kann Abhilfe geschaffen werden? Das Land Sachsen-Anhalt erneuert aktuell sein Landesdatennetz gemeinsam mit seinem Auftragnehmer. Ziel des Projektes „ITN-XT“ ist die Erstellung eines neuen BSI-zertifizierungsfähigen Netzes als Basis für eine sichere Zusammenarbeit. Es werden die WAN- und LAN-Infrastruktur modernisiert sowie moderne VoIP- Telefonie in allen Standorten der Landesverwaltung eingeführt. Aufgrund der Rechtslage zur Thematik des elektronischen Rechtsverkehrs wurde der Bereich der Justiz mit höchster Priorität im Projekt eingruppiert. Insbesondere besteht für den Bereich der Justizzentren und Gerichte innerhalb des Projektes der Anspruch , all diese Standorte in 2018 zu migrieren, sofern dies die technischen, sicherheits -technischen und baurechtlichen Rahmenbedingungen zulassen. Die Bandbreiten im WAN-Bereich resultieren aus den Anforderungen des MJ und werden umgesetzt. 6.3 Wie kann das Landesdatennetz optimiert werden? Auf Frage 6.2 wird verwiesen. Eine Optimierung im derzeitigen Landesdatennetz ITN-LSA ist nicht mehr möglich . Eine Verbesserung kann nur durch Migration in das neue Landesdatennetz ITN-XT erzielt werden. 7. Ist aus Sicht der Landesregierung Sachsen-Anhalt ausreichend für den elektronischen Rechtsverkehr vorbereitet? Die Justiz des Landes Sachsen-Anhalt ist ausreichend auf die gesetzlich normierten Anforderungen vorbereitet.