Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2824 07.05.2018 (Ausgegeben am 07.05.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Detlef Gürth (CDU) Synergieeffekte durch kommunale Zusammenarbeit über Kreisgrenzen Kleine Anfrage - KA 7/1636 Vorbemerkung des Fragestellenden: Bereits seit vielen Jahren arbeiten die Städte Aschersleben, Falkenstein/Harz und Seeland umfassend und auf vielfältige Art und Weise miteinander zusammen. Die gute Zusammenarbeit führte schließlich am 20. Juni 2013 zum Abschluss einer Kooperationsvereinbarung für eine interkommunale Zusammenarbeit. Diese Vereinbarung wurde bereits am 2. Juni 2016 um die Stadt Arnstein erweitert. Die vier Städte am Rande des Harzes (Kooperationsstädte) sind unabhängig der bestehenden Kreisgrenzen durch vielfältige Verflechtungen und historische Beziehungen miteinander verbunden und leben diese Verbindungen auch auf vielfältige Art und Weise. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. Bei der gemeinsamen Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, wie z. B. den Aufgaben des Personenstandswesens, stoßen die Kooperationsstädte an rechtliche Grenzen, da örtliche Zuständigkeiten (z. B. Standesamtsbezirke ), die gesetzlich vorgegeben sind, eine effektive und unkomplizierte Zusammenarbeit erschweren. Können neben den bereits praktizierten Einzelfallerlaubnissen, für die gemeinsame Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, generelle Erlaubnisse für die vier Kooperationsstädte erteilt werden? Für welche hoheitlichen Aufgaben ist dies möglich und welche Behörde erteilt diese Erlaubnisse? Für öffentlich-rechtliche Organisationsformen der freiwilligen kommunalen Zusammenarbeit bietet das Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKG- LSA) verschiedene Handlungsmöglichkeiten. So können kommunale Körper- 2 schaften nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GKG-LSA im Rahmen einer Zweckvereinbarung vereinbaren, dass eine kommunale Körperschaft eine oder mehrere bestimmte Aufgaben der anderen in ihre eigene Zuständigkeit mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten, insoweit auch Hoheitsbefugnissen, übernimmt und diese Aufgaben für die anderen erfüllt. In einem solchen Fall der delegierenden Zweckvereinbarung werden die übertragenden kommunalen Körperschaften von ihrer Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung im Umfang der Übertragung befreit; die übernehmende kommunale Körperschaft wird im Außenverhältnis in vollem Umfang allein zuständig und damit verantwortlich für die Erfüllung der Aufgabe. Demgegenüber kann im Wege einer mandatierenden Zweckvereinbarung eine Zusammenarbeit dergestalt vorgenommen werden, dass eine kommunale Körperschaft bestimmte Aufgaben vollständig im Namen und nach Weisung der anderen Beteiligten lediglich durchführt. In dem Fall bleiben die Zuständigkeit der übertragenden kommunalen Körperschaft zur Wahrnehmung der Aufgabe und damit ihre öffentlich-rechtliche Verantwortung unberührt. Eine bestimmte Aufgabe in diesem Sinne kann nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GKG-LSA jede Aufgabe sein, zu deren Wahrnehmung die beteiligten Körperschaften berechtigt oder gesetzlich ver-pflichtet sind. Einerlei ist es, ob es sich um eine Aufgabe des eigenen oder des übertragenen Wirkungskreises handelt. Der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde bedarf eine Zweckvereinbarung nur, soweit einer kommunalen Körperschaft eine gesetzlich zugewiesene Aufgabe des eigenen oder Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises zur Erfüllung übertragen werden soll (§ 3 Abs. 3 Satz 1 GKG-LSA). In einem solchen Fall der delegierenden Zweckvereinbarung gehen Befugnisse und damit hoheitliche Rechte gegenüber Dritten von einer kommunalen Körperschaft auf eine andere über. Eine solche Änderung von gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen bedarf der staatlichen Mitwirkung, die im Wege der kommunalaufsichtlichen Genehmigungspflicht sichergestellt wird. Sind gesetzliche Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises Gegenstand der Zweckvereinbarung, kann die Genehmigung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 GKG-LSA allein bei Rechtswidrigkeit der Zweckvereinbarung versagt werden. Im Übrigen besteht ein Anspruch auf Genehmigung. Soweit aufgrund einer Zweckvereinbarung Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises erfüllt werden sollen, steht die Genehmigung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 GKG-LSA im pflichtgemäßen Ermessen der Kommunalaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Fachaufsichtsbehörde. Die Genehmigungsfähigkeit einer Zweckvereinbarung bestimmt sich mithin nach den gesetzlichen Regelungen und Rechtsvorschriften, die im konkreten Einzelfall für die mit der Zweckvereinbarung beabsichtigte Aufgabenübertragung maßgebend sind. Die Erteilung einer generellen Genehmigung für eine Zweckvereinbarung durch die Kommunalaufsichtsbehörde, losgelöst von ihrem Gegenstand und Inhalt, ist insoweit nicht möglich. 3 2. Die Kooperationsstädte haben als ein erstes außenwirksames Projekt die Erstellung einer Machbarkeitsstudie für eine touristische Radtour im Hoheitsgebiet der vier Städte gemeinsam beauftragt und finanziert. Im Rahmen einer umfassenden Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange an dieser Studie wurden die dabei gegebenen Hinweise in der Studie berücksichtigt . Welche Möglichkeiten einer Förderung gibt es, um die Kooperationsstädte bei der kreisgebietsübergreifenden Finanzierung des Ausbaus und der Unterhaltung des Radwegenetzes unter Beachtung der in der Studie vorgeschlagenen Entwicklung des Radwegenetzes umfassend zu unterstützen ? Für den Ausbau des Radwegenetzes in Sachsen-Anhalt stehen mehrere Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Für die Unterhaltung von Bestandsradwegen kann i. d. R. nur auf Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich zurückgegriffen werden. Einen umfassenden Überblick über alle Förderprogramme des Radverkehrs bietet die sog. „Förderfibel Radverkehr“, die über die Internetseite www.nationaler-radverkehrsplan.de/de/foerderfibel aufgerufen werden kann. Bei der Suche nach einem geeigneten Förderprogramm ist grundsätzlich nach der Art des geplanten Radweges zu unterscheiden in touristische Radwege, Radwege auf ländlichen Wegen, Alltagsradwege, die signifikant zur Einsparung von CO2 beitragen können, sowie straßenbegleitende Radwege an Bundesund Landesstraßen. Die wichtigsten Förder- bzw. Finanzierungsprogramme sind: Im Rahmen der Förderung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) ist ein qualitativer Ausbau von Radwegen der Klassen 1 und 2 des Landesradverkehrsplanes sowie der Radwege mit Vernetzungsfunktion zwischen den Radwegen der Klassen 1 und 2 und den landesbedeutsamen Tourismusthemen (Luther und Reformation, Bauhaus und Moderne, UNESCO-Welterbe, Blaues Band, Gartenträume, Straße der Romanik , Himmelswege) möglich. Zuwendungsempfänger sind Gebietskörperschaften oder kommunale Zweckverbände , die der Kommunalaufsicht unterstehen. Die Zuständigkeit liegt beim Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung . Mit den Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der regionalen ländlichen Entwicklung des Landes Sachsen-Anhalt in der EU-Förderperiode 2014 bis 2020 (Richtlinien RELE 2014 - 2020) können gemäß der Förderbereiche A (FP 6302 Wegebau) und D (FP 6311 Touristische Infrastruktur ) multifunktionale ländliche Wege, Rad- und Wanderwege außerhalb von Ortschaften sowie an den demografischen Wandel angepasste Erneuerungen und auch der Neubau örtlicher Infrastruktur gefördert werden. Zuwendungsempfänger sind u. a. Gemeinden und Gemeindeverbände. 4 Die Zuständigkeit liegt beim Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie . Mit der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung nachhaltiger Mobilität, Teilaktion Radwege werden gemäß den Zielen des Operationellen Programms für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EF- RE) 2014 - 2020 der Neu- und Ausbau von Radverkehrsanlagen sowie begleitender Radverkehrsinfrastruktur gefördert. Die CO2-Einsparung durch das Vorhaben muss einen signifikanten Beitrag zu den Klimaschutzzielen des Landes und des Operationellen Programms für den EFRE des Landes Sachsen-Anhalt 2014 - 2020 leisten. Das Programm kommt somit insbesondere für Alltagsradwege in Betracht. Zuwendungsempfänger sind Kommunen, soweit sie Träger der Baulast der zu fördernden Verkehrsanlage sind. Die Zuständigkeit liegt beim Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr. 2015/2016 wurden die sog. Radwegebedarfspläne Bund und Land fortgeschrieben , in denen anhand eines einheitlichen Bewertungsverfahrens eine Prioritätenreihung der Radwegevorhaben im Zuge von Bundes- und Landesstraßen vorgenommen wurde. Ziel ist die Umsetzung der Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs bis 2030. Die Planung und Umsetzung der straßenbegleitenden Radwege an Bundes- und Landesstraßen erfolgt durch die Landesstraßenbaubehörde . Die Zuständigkeit liegt beim Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr. Darüber hinaus stehen weitere Förderprogramme des Landes, des Bundes und anderer Fördermittelgeber zur Verfügung, die in der „Förderfibel Radverkehr“ eingesehen werden können. 3. Zwischen den Kooperationsstädten gibt es vielfältige Wegebeziehungen. Hier ist festzustellen, dass gewachsene Strukturen durch Kreisgrenzen unterbrochen werden. Dies gilt in besonderem Maße für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). So werden z. B. bestimmte Buslinien von Aschersleben nach Falkenstein/Harz und hier besonders in das touristisch bedeutsame Selketal nicht mehr bzw. nur noch sehr eingeschränkt bedient. Welche Möglichkeiten bestehen, den ÖPNV in Sachsen-Anhalt, ungeachtet von bestehenden Kreisgrenzen an den tatsächlichen Bedürfnissen der Kommunen und ihrer Einwohner und auch von Touristen auszurichten und anzubieten? Die Aufgabenträger des ÖPNV haben keine Beschränkungen in ihren Möglichkeiten den ÖPNV ungeachtet von bestehenden Kreisgrenzen an den tatsächlichen Bedürfnissen der Kommunen und ihrer Einwohner sowie auch von Touristen auszurichten und anzubieten.