Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2869 16.05.2018 (Ausgegeben am 17.05.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Kerstin Eisenreich (DIE LINKE) Antibiotikaresistente Keime in Sachsen-Anhalts Gewässern Kleine Anfrage - KA 7/1645 Vorbemerkung des Fragestellenden: Recherchen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) vom Februar 2018 zufolge wurde in Niedersachsen an Seen, Bächen und Flüssen eine Vielzahl multiresistenter Keime gefunden. Gegen diese Keime hilft kein Antibiotikaeinsatz mehr. Dies hat lebensbedrohliche Wirkungen besonders für immungeschwächte Menschen wie alte, kranke oder sehr junge Menschen. Forscher geben als Ursache für die Verbreitung der multiresistenten Keime die Abwässer von Krankenhäusern und landwirtschaftlicher Massentierhaltung an. Das Umweltbundesamt (UBA) forderte jüngst eine Nachrüstung der Kläranlagen in den Bundesländern. Anfang März 2018 hat sich mit dieser Problematik in Düsseldorf eine Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft befasst. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration 1. Welche Ergebnisse hat das Treffen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 7. März 2018 in Düsseldorf zur Belastung der Badegewässer mit multiresistenten Keimen erbracht? Der Bund-Länder-Arbeitskreis Badegewässer (BLAK) dient dem Erfahrungsaustausch zwischen den für die Badegewässerüberwachung zuständigen Behörden der Länder und dem Bund sowie der Abstimmung des Verwaltungshandelns zwischen den Ländern. Voten des Arbeitskreises ersetzen nicht die eigenverantwortliche Entscheidung der Länder bezüglich der Badegewässerüberwachung. Von der Sitzung am 07.03.2018 liegt noch kein Protokoll vor. Zur Thematik „Multiresistente Bakterien in (Bade)-Gewässern“ wurde Folgendes besprochen: 2 Der BLAK hält ein Monitoring von antibiotikaresistenten Bakterien in Badegewässern derzeit nur zum Zweck der Forschung und nicht als Überwachungsinstrument für sinnvoll. Um die Datenbasis zu vergrößern, können in 2019/ 2020 auf Basis der Ergebnisse von HyReKA1 zusätzlich länderspezifische und -abgestimmte freiwillige Sonder-Messprogramme in Badegewässern in Kooperation mit dem UBA durchgeführt werden. Bei den Untersuchungen sollten möglichst Nachweisverfahren angewendet werden , die auch im HyReKA Projekt eingesetzt werden, um die Ergebnisse vergleichen zu können. Auch wenn ein individuelles gesundheitliches Risiko beim Baden durch multiresistente Bakterien nur in seltenen Ausnahmefällen denkbar ist (bspw. bei Immunsuppression , Wundinfektion), empfiehlt der BLAK eine bundesweit abgestimmte Empfehlung für Badegäste. Der BLAK bittet das Umweltbundesamt, diese Empfehlung bis zu Beginn der Badesaison 2018 zu erarbeiten. Der Entwurf wird den BLAK Mitgliedern vorab zur Verfügung gestellt. 2. Welche Position vertritt die Landesregierung zur oben geschilderten Situation ? Das Thema der Resistenzbildung bei Bakterien ist nicht neu. In der Umwelt werden kontinuierlich unterschiedliche Resistenzmechanismen ausgebildet. Das Vorkommen von Antibiotika in der Umwelt erleichtert die Entstehung von Antibiotika-Resistenz- Genen. Bei erhöhten Konzentrationen von Resistenzgenen in der Umwelt kann es zur Bildung von neuen Kombinationen von Resistenzgenen in Bakterien kommen, die dann z. B. im Darm von Menschen auf Krankheitserreger übertragen werden können (horizontaler Gentransfer). Dadurch besteht die Gefahr der Bildung von neuen multiresistenten Krankheitserregern, die nicht mehr mit Antibiotika bekämpft werden können. Die Entstehung antibiotikaresistenter Bakterien z. B. in Badegewässern ist abhängig vom Antibiotika-Eintrag (Schaffung eines entsprechenden Selektionsdrucks ) sowie von der Menge an Bakterien. Antibiotikaresistente Bakterien können auch über Abwässer (Kläranlagen) oder direkt von infizierten Personen in Gewässer eingetragen werden. Bei den ausgewiesenen Badegewässern des Landes werden nicht nur regelmäßig Untersuchungen auf bakterielle Indikator-Keime (Intestinale Enterokokken, Escherichia coli) durchgeführt, sondern auch mit den s. g. Badegewässerprofilen relevante Verschmutzungsquellen erfasst. Dabei wird u.a. geprüft, ob es Kläranlagenzuflüsse gibt. Entsprechend belastete Gewässer sind in Sachsen- Anhalt nicht als Badegewässer ausgewiesen. Theoretisch ist das Vorhandensein von antibiotikaresistenten Keimen in Badegewässern nicht auszuschließen. Allerdings wird nach bisherigem Kenntnisstand das Gesundheitsrisiko für Badende ohne erhöhte Vulnerabilität als gering eingeschätzt. Badende mit erhöhter Vulnerabilität (z. B. offene Wunden, unterdrückte Immunantwort, Einnahme von Antibiotika) würden sich grundsätzlich einem höheren Gesundheitsrisiko aussetzen, dies auch unabhängig vom Vorhandensein von resistenten Keimen. 1 Der BMBF-Forschungsverbund HyReKA (Hygienisch-medizinische Relevanz und Kontrolle Antibiotika -resistenter Krankheitserreger in klinischen, landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung in Rohwässern), bestehend aus 11 Teilprojekten (2016-2019), untersucht die Ausbreitung resistenter Erreger über die genannten Quellen und prüft geeignete Gegenstrategien. 3 Um das vielschichtige Problem der Entstehung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Keimen weiter zu bearbeiten und um wirksame Maßnahmen treffen zu können , soll das Wissen über den Eintrag von Antibiotika in die Gewässer, über antibiotikaresistente Bakterien und Antibiotikaresistenzgene in der Umwelt verbessert werden . Es sollten geeignete Maßnahmen getroffen werden, die eine Ausbreitung und Entstehung von antibiotikaresistenten Bakterien vor allem an der Quelle bekämpfen. HyReKA wird als wichtiges Forschungsprojekt zu dieser Thematik betrachtet (siehe Antwort zu Frage 1). 3. Welche Maßnahmen (personell, finanziell, gesetzlich, strategisch etc.) möchte die Landesregierung zur Kontrolle der Gewässer in Sachsen-Anhalt ergreifen? Gegenwärtig werden hinsichtlich der Überwachung der Badegewässer keine Maßnahmen für erforderlich erachtet, welche über die in der Badegewässerverordnung des Landes vom 13.12.2007 (GVBl. LSA S. 439) festgelegten hinausgehen. Die Badegewässerprofile zur Ermittlung von Verschmutzungsquellen sind regelmäßig zu überprüfen. Die entsprechenden Empfehlungen des Umweltbundesamtes für Badegäste werden nach deren Vorlage öffentlich bekannt gemacht und die Ergebnisse von HyReKA nach Abschluss des Projektes ausgewertet (siehe Antwort zu Frage 1). Die sonstigen Gewässer werden durch die Umweltverwaltung zurzeit nicht auf ihre Keimbelastung untersucht. Dies ist auch zukünftig nicht vorgesehen. 4. Wie wird in Sachsen-Anhalt der Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft erfasst, kontrolliert und auf ein Mindestmaß reduziert? Grundsätzlich setzt der Einsatz von Antibiotika in der Veterinärmedizin bundesweit eine tierärztliche Untersuchung, Diagnosestellung und die Verschreibung eines entsprechend der Indikation geeigneten Präparates voraus. Die Erfassung des Einsatzes von Antibiotika erfolgt dann zum einen nach den Rechtsvorgaben durch die Dokumentation in den sogenannten Anwendungs- und Abgabebelegen durch den Tierhalter . Prinzipiell ist eine Anwendung der Antibiotika durch den Tierhalter nach den Angaben des Tierarztes und unter dessen Kontrolle möglich. Die Dokumentation kann schriftlich aber auch datenelektronisch erfolgen. Zusätzlich hat der Tierarzt den Medikamenteneinsatz auch für Antibiotika für das entsprechende Tier oder die Tiergruppe zu dokumentieren. Eine amtliche Kontrolle erfolgt zum einen im landwirtschaftlichen Betrieb stichprobenartig und nach Risikoeinstufung durch den zuständigen Landkreis oder die kreisfreie Stadt als Veterinärbehörde in Form der Einsicht der Abgabe- und Anwendungsbelege . Die Kontrolle der Dokumentation bei dem praktischen Tierarzt erfolgt durch das Landesverwaltungsamt in Form der Einsichtnahme und Prüfung der Dokumentation zum Bezug und zur Abgabe der Antibiotika an landwirtschaftliche Nutztiere. Die Kontrolle erfolgt hierbei in der Regel alle zwei Jahre und nach der Risikobewertung, wobei landwirtschaftliche Unternehmen grundsätzlich in eine höhere Risikokategorie eingestuft sind. Bei der gegebenen Therapiefreiheit des Tierarztes ist die Verschreibung und Anwendung eines Antibiotikums grundsätzlich in der Diagnose zu begründen und dessen Anwendung durch den praktizierenden Tierarzt zu kontrollieren. 4 Die Reduktion des Einsatzes von Antibiotika erfolgt für den Bereich der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt im besonderen Maße seit der Verabschiedung des 16. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes durch die Erfassung und Bewertung jedes einzelnen Einsatzes von Antibiotika in der staatlichen Antibiotikadatenbank. Sogenannte „Vielverbraucher“, die durch Überschreitung einer halbjährlich aktuell ausgewiesenen Kennzahl belegt werden, sind verpflichtet, einen Maßnahmeplan zu erstellen. In dem Plan wird die hohe Einsatzmenge der Antibiotika selbstkritisch durch den Landwirt gemeinsam mit dem betreuenden Tierarzt hinterfragt. Zudem sind in dem Plan geeignete Maßnahmen auszuweisen, um den Antibiotikaeinsatz zu senken. Der Maßnahmeplan ist der zuständigen Veterinärbehörde zur Bewertung vorzulegen. Sowohl die Verbrauchsmengen an Antibiotika in der Veterinärmedizin (erfasst seit 2012) als auch die erfassten Kennzahlen seit 2014 lassen bundesweit eine fast kontinuierliche Abnahme des Einsatzes von Antibiotika in der Veterinärmedizin , speziell auch in der Nutztierhaltung erkennen. Der bundesweite Trend lässt sich ebenso auf Sachsen-Anhalt übertragen. Mit der Verabschiedung der Neufassung der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung zum 01.03.2018 wird künftig zusätzlich der Einsatz von Fluorchinolonen und Cephalosporinen der 3. und 4. Generation (kritisch bedeutsame Antibiotika oder sogenannte Reserveantibiotika) auch in Sachsen-Anhalt restriktiver erfolgen. Zudem sind diagnostisch zusätzliche Elemente für die tierärztliche Tätigkeit verpflichtend. Dazu zählt in erster Linie die Erstellung von Antibiogrammen in definierten Fällen, um die Empfindlichkeit der vermuteten Bakterien zu testen und somit den sorgsamen Umgang mit Antibiotika in der Veterinärmedizin weiter zu untermauern. 5. Welche Position vertritt die Landesregierung zur vom UBA geforderten Nachrüstung der Kläranlagen im Land? Aus Sicht des Gewässerschutzes ist eine Desinfektion des Abwassers, die im Übrigen von der sogenannten 4. Reinigungsstufe von Kläranlagen nicht geleistet werden kann, nicht erforderlich. Die Erweiterung von Kläranlagen um eine Desinfektionsstufe ist darüber hinaus nur sehr begrenzt wirksam, da es eine ganze Reihe weiterer Eintragspfade von Keimen in Gewässer gibt.