Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2947 25.05.2018 (Ausgegeben am 29.05.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Jens Diederichs (CDU) Vollstreckungsmaßnahmen im Zuge von Sorgerechtsstreitigkeiten Kleine Anfrage - KA 7/1677 Vorbemerkung des Fragestellenden: Wie aus den Printmedien („Mitteldeutsche Zeitung“, „Berliner KURIER“), den sozialen Medien und durch Befragen von Augenzeugen des Geschehens zu erfahren war, haben sich dramatische Szenen am Montag, dem 5. März 2018, an der Grundschule Helbra abgespielt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Gibt es Überlegungen, dass Vollstreckungsmaßnahmen im Zuge eines Sorgerechtsstreites nicht mehr in Schulen und Kindereinrichtungen stattfinden , um solche Szenen wie in Helbra geschehen, künftig auszuschließen ? Nach Auffassung der Landesregierung können Schulen und Kindertagesstätten als Orte der Durchführung einer Herausgabevollstreckung im Interesse der betroffenen Kinder nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Insbesondere wenn absehbar ist, dass die Vollstreckung nur gegen den Widerstand des Herausgabepflichtigen möglich sein wird, bieten sich Schulen und Kindertagesstätten als neutrale und eingefriedete Orte an, um die Herausgabevollstreckung in Abwesenheit des Herausgabepflichtigen durchführen zu können (vgl. Völker FPR 2012, 485 [489]; Völker/Clausius, Das familienrechtliche Mandat - Sorgeund Umgangsrecht, 7. Aufl., § 6 RdNr. 80; Carl/Heitland/Gallo DGVZ 2005, 145 [149]). Daneben berücksichtigen das nach § 88 FamFG zuständige Amtsgericht und der verantwortliche Gerichtsvollzieher bei der Wahl des Ortes der Zwangsvollstreckung aber auch die Interessen der Mitschülerinnen und Mitschüler sowie der Lehrerinnen und Lehrer. 2 2. Welche Gründe veranlassten das Jugendamt des Landkreises Mansfeld- Südharz bereits am 11. August 2017, also drei Tage, nachdem das Familiengericht Eisleben der Kindsmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen hatte, eine gewaltsame Wegnahme des Kindes aus Helbra nach Hettstedt zu veranlassen, ohne die Widerspruchsfrist abzuwarten? Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass es am 11. August 2017 zum Versuch einer Herausgabevollstreckung gekommen ist. Nach § 88 Abs. 1 FamFG obliegt die Vollstreckung von Entscheidungen über die Herausgabe von Personen dem Amtsgericht - Familiengericht -, in dessen Bezirk die Person zum Zeitpunkt der Einleitung der Vollstreckung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im konkreten Fall des in Helbra aufhältigen Kindes war dies das Amtsgericht - Familiengericht - Eisleben. Da eine solche Vollstreckungsentscheidung am 11. August 2017 noch nicht vorlag, konnte auch ein Gerichtsvollzieher, der allein für die Durchführung der Herausgabevollstreckung zuständig ist, von dem Amtsgericht noch nicht um Erledigung ersucht werden (siehe nur § 156 Abs. 1 Satz 1 GVGA). Der Landesregierung ist insoweit nur bekannt, dass die Kindesmutter am 11. August 2017 den Beschluss des Amtsgerichtes - Familiengericht - Eisleben vom 8. August 2017 erhalten hatte und das Kind von der Schule abholen wollte. Da das Kind aber nicht bereit war, mit der Kindesmutter freiwillig mitzugehen, informierte die Schulleiterin der Grundschule Helbra das Jugendamt des Landkreises Mansfeld-Südharz fernmündlich. Die aufgrund dieses Telefonates erschienenen Mitarbeiterinnen des Jugendamtes brachten das Kind schließlich zum Kindesvater. 3. Die katholische Kirchengemeinde Helbra hat wiederholt Vorschläge gemacht , die Übergabe des Kindes auf ihrem Gelände und vor allem ohne Vertreter der Staatsmacht durchzuführen. Die Chance einer friedlichen und freiwilligen Übergabe des Kindes war damit gegeben. Womit erklären Jugendamt und Gerichtsvollzieher den Verzicht auf diese Möglichkeit? Die katholische Kirchengemeinde Helbra hat sich mit dem Vorschlag einer Übergabe des Kindes auf ihrer Liegenschaft weder an das Amtsgericht - Familiengericht - Eisleben noch an den zuständigen Gerichtsvollzieher gewandt. Der zuständigen Richterin ist lediglich noch erinnerlich, dass der Kindesvater in einem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter das Angebot gemacht habe, die katholische Kirchengemeinde als mögliche außergerichtliche Vermittlerin einzuschalten. Ob und in welcher Weise die Kindesmutter auf dieses Angebot reagiert hat, ist der zuständigen Richterin nicht bekannt. Ebenso wenig hatte der Gerichtsvollzieher bei der Planung und Vorbereitung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme Kenntnis von einem Angebot der katholischen Kirchengemeinde Helbra. Generell ist ergänzend anzumerken, dass es zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens die Chance einer friedlichen und freiwilligen Übergabe des Kindes gegeben hat. Die Maßnahme der Zwangsvollstreckung war nur erforderlich, weil die Eltern nicht in der Lage waren, in eigener Verantwortung eine „friedliche“ Lösung zu finden. Bei einer freiwilligen Herausgabe des Kindes hätte es keiner 3 Zwangsvollstreckung bedurft. Noch in der Phase der Planung der Zwangsvollstreckung versuchte der Gerichtsvollzieher, den Kindesvater mehrfach zu einer freiwilligen Herausgabe des Kindes zu bewegen. Dieser lehnte eine freiwillige Herausgabe ab und führte hierzu aus, dass die Entscheidung des Amtsgerichtes - Familiengericht - Eisleben für ihn nicht relevant sei.