Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3138 05.07.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 06.07.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Rüdiger Erben (SPD) Umgehung des Ladenöffnungszeitengesetzes Sachsen-Anhalt durch sog. „Spätis“ Kleine Anfrage - KA 7/1799 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Vorschrift des § 3 des Gesetzes über die Ladenöffnungszeiten im Land Sachsen- Anhalt (Ladenöffnungszeitengesetz Sachsen-Anhalt - LÖffZeitG LSA) ermöglicht es, dass an Werktagen Verkaufsstellen von Montag bis Freitag von 0 bis 24 Uhr und am Samstag von 0 bis 20 Uhr geöffnet sind. Am Samstag nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen dürfen sie jedoch für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden nicht geöffnet sein. Sogenannte Spätverkaufsstellen (in Großstätten meist als „Spätshops“ bzw. „Spätis“ bezeichnet) nutzen diese Ladenöffnungszeiten sehr weitgehend aus. Vor allem in den späten Abend- und den Nachtstunden sind sie Anlaufpunkt, um dort kostengünstig alkoholische Getränke zu erwerben. Von Montag 0 Uhr bis Samstag 20 Uhr ist dies auch grundsätzlich vom geltenden Recht gedeckt. Es fällt jedoch auf, dass der Verkauf auch am Samstag nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen erfolgt . Dem Vernehmen nach, soll es mittlerweile eine Reihe sog. „Spätis“ in Sachsen- Anhalt geben, die ab Samstag 20 Uhr von einer Verkaufsstelle nach dem LÖffZeitG LSA zu einer Gaststätte nach dem Gaststättengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (GastG LSA) mutieren. Durch das weitgehend liberalisierte GastG LSA sehen sich die zuständigen Gewerbebehörden außerstande solche gewerberechtlichen Mischbetriebe zu verhindern. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Vorbemerkung der Landesregierung: An Werktagen dürfen Verkaufsstellen von Montag bis Freitag von 0 bis 24 Uhr und am Samstag von 0 bis 20 Uhr geöffnet sein. An Sonn- und Feiertagen dürfen gemäß § 3 Satz 2 LÖffZeitG LSA Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden nicht geöffnet sein, soweit in den §§ 4 bis 8 LÖffZeitG LSA nichts Abweichendes bestimmt ist. Entsprechendes gilt am Heiligabend nach 14 Uhr gemäß § 3 Satz 2 LÖff- ZeitG LSA, wenn dieser Tag auf einen Werktag fällt (§ 3 Satz 3 LÖffZeitG LSA). Zu der Frage, ob alkoholische Getränke in Spätshops allgemein kostengünstiger als anderenorts erworben werden können, liegen der Landesregierung keine entsprechenden Erkenntnisse vor. Der Verkauf von alkoholischen Getränken am Samstag nach 20 Uhr und an Sonnund Feiertagen ist vorbehaltlich bestimmter Vorgaben u. a. des Gaststättengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt, des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage des Landes Sachsen-Anhalt, des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt und hierzu ergangener Sperrzeitverordnungen nur möglich, wenn der Betriebsteil des Mischbetriebes, in dem die alkoholischen Getränke verkauft werden, eine Gaststätte ist. Spätshops werden als Mischbetriebe geführt, die einen Betriebsteil „Einzelhandelsbetrieb “ und einen Betriebsteil „Gaststätte“ umfassen. Es erfolgt samstags ab 20 Uhr also keine, wie vom Fragesteller beschriebene, Mutation von einer Verkaufsstelle nach dem Ladenöffnungszeitengesetz Sachsen-Anhalt zu einer Gaststätte nach dem Gaststättengesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Frage 1: Ist der Landesregierung die oben beschriebene Entwicklung in Sachsen-Anhalt bekannt und wie beurteilt sie diese? Antwort zu Frage 1: Der Landesregierung ist die Existenz von sogenannten Spätverkaufsstellen („Spätshops “) in Sachsen-Anhalt bekannt. Diese dürfen im Rahmen des geltenden Rechts betrieben werden. Es ist zulässig, in einer Räumlichkeit in Form eines Mischbetriebes sowohl einen Einzelhandelsbetrieb als auch eine Gaststätte zu betreiben. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob ein Betriebsteil den anderen Betriebsteil überwiegt, ein Betriebsteil dem Gesamtbetrieb sein Gepräge gibt oder welcher Anteil am Umsatz auf die beiden Betriebsteile entfällt. Die in dem Raum betriebene Gaststätte und das ebenfalls dort betriebene Einzelhandelsgewerbe unterliegen dem jeweils für sie geltenden Regelungsregime (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 19. März 2015, Aktenzeichen: 6 S 844/14). Der Gaststättenbetrieb ist im Gaststättengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (GastG LSA) geregelt. Gemäß § 5 Satz 2 GastG LSA dürfen die Gewerbetreibenden zum unmittelbaren Verzehr oder Verbrauch Getränke oder Speisen, die sie in ihren Be- 3 trieben ausschenken oder zubereiten, sowie Flaschenbier, alkoholfreie Getränke und Tabak- und Süßwaren an jedermann „über die Straße“ abgeben, und zwar außerhalb einer Sperrzeit nach § 94a Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA). Da für die Gaststätten innerhalb von Gebäuden nach Maßgabe von § 94a SOG LSA keine Sperrzeit gilt, ist der Außer-Haus-Verkauf „über die Straße“ zeitlich im Rahmen des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage im Land Sachsen-Anhalt uneingeschränkt zulässig. Hierbei sind allerdings folgende Vorgaben zu beachten: 1. Dosenbier fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 5 Satz 2 GastG LSA, darf also nicht „über die Straße“ abgegeben werden (Köhler, Gaststättengesetz des Landes Sachsen-Anhalt und Nichtraucherschutz, Kommentar, § 5, Rn. 11). 2. Die „über die Straße“ verkauften Waren müssen zum unmittelbaren Verzehr oder Verbrauch dienen. 3. Es muss sich um eine „Nebenleistung“ handeln. Die Hauptleistung des Gaststättenbetriebes im Sinne von § 1 Abs. 1 GastG LSA muss im Vordergrund stehen. Die Nebenleistung darf nicht zu einer Hauptleistung werden, denn dann unterliegt der Gaststättenbetrieb nicht mehr der Privilegierung des Gaststättengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt. Hierzu bedarf es einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalles (Köhler, a. a. O., § 5, Rn. 4). 4. Keine Abgabe von alkoholischen Getränken an erkennbar Betrunkene „über die Straße“ (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 5 Satz 2 GastG LSA). 5. Durchführung einer Zuverlässigkeitsprüfung des Gewerbetreibenden vor der beabsichtigten Abgabe von alkoholischen Getränken „über die Straße“ durch die zuständige Behörde (§ 8 i. V. m. §§ 7 und 5 Satz 2 GastG LSA i. V. m. § 35 Gew O). 6. Nicht erfolgte Untersagung des Gaststättenbetriebes oder der Abgabe von alkoholischen Getränken „über die Straße“ von Seiten der zuständigen Behörde (§ 11 i. V. m. § 7 i. V. m. § 5 Satz 2 GastG LSA). Der Gesetzgeber hat im Gaststättengesetz des Landes Sachsen-Anhalt bewusst keine gesonderten Regelungen zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere Sperrzeitregelungen, aufgenommen, sondern auf die einschlägigen Regelungen u. a. des Landesrechts zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung verwiesen (§ 5 Satz 2 GastG LSA). Der Gaststättenbetrieb ist nur „anzuzeigen“. Es besteht keine Erlaubnispflicht . Der Schutz der Nachtruhe ist durch das Sperrzeitrecht zu gewährleisten. Die Gefahrenabwehrverordnung über die Festsetzung der Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten vom 16. Dezember 2014 (GVBl. LSA S. 543) i. V. m. RdErl. des Ministeriums für Inneres und Sport zur Festsetzung der Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten - 21.22-32157/103 - vom 13. Juni 2017 (MBl. LSA S. 305) setzt für Gaststätten in Räumen keine Sperrzeit fest. 4 Soweit es um den Betriebsteil „Einzelhandelsbetrieb“ des Mischbetriebes geht, richten sich die zulässigen Öffnungszeiten nach dem Ladenöffnungszeitengesetz Sachsen -Anhalt. An Werktagen dürfen gemäß § 3 Satz 1 LÖffZeitG LSA Verkaufsstellen von Montag bis Freitag von 0 bis 24 Uhr und am Samstag von 0 bis 20 Uhr geöffnet sein. An Sonn- und Feiertagen dürfen gemäß § 3 Satz 2 LÖffZeitG LSA Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden vorbehaltlich der Sonderregelungen in § 3 Satz 3 und in den §§ 4 bis 8 LÖffZeitG LSA nicht geöffnet sein. Diese Regelung entspricht der Zielstellung des Gesetzgebers, das Ladenöffnungszeitenrecht nicht zu kleinteilig zu regeln. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass aufgrund der zu beachtenden Konkordanz des Ladenöffnungszeitenrechts mit anderen Rechtsbereichen die Ladenöffnungszeiten für Verkaufsstellen zum Schutz anderer Rechtsgüter und hierbei auch der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hinreichend geregelt sind, also keine gesonderten Regelungen hierzu im Ladenöffnungszeitengesetz Sachsen-Anhalt erforderlich sind. Frage 2: Welche räumlichen / baulichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Verkaufsstelle nach dem LÖffZeitG ab Samstag 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen als Gaststätte nach dem GastG LSA betrieben werden kann? Antwort zu Frage 2: Wie bereits zu Frage 1 ausgeführt ist es zulässig, in einer Räumlichkeit in Form eines Mischbetriebes sowohl einen Einzelhandelsbetrieb als auch eine Gaststätte zu betreiben . Es kommt hierbei nicht darauf an, ob ein Betriebsteil den anderen Betriebsteil überwiegt, ein Betriebsteil dem Gesamtbetrieb sein Gepräge gibt oder welcher Anteil am Umsatz auf die beiden Betriebsteile entfällt. Die in dem Raum betriebene Gaststätte und das ebenfalls dort betriebene Einzelhandelsgewerbe unterliegen dem jeweils für sie geltenden Regelungsregime. Soweit ein Betriebsteil des Mischbetriebes als Gaststätte betrieben werden soll, sind die Vorgaben des GastG LSA für den Betrieb der Gaststätte zu beachten. Frage 3: Teilt die Landesregierung die Auffassung des Fragestellers, dass an bestimmten Brennpunkten (z. B. der Bereich des Magdeburger Hasselbachplatzes) durch die ständige Verfügbarkeit von „Nachschub“ an alkoholischen Getränken zu günstigen Preisen in den sog. „Spätis“ alkoholbedingte Straftaten und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begünstigt werden? Antwort zu Frage 3: Es trifft zu, dass durch den Konsum von Alkohol die Hemmschwelle zu aggressiven Verhaltensweisen, die Ordnungswidrigkeiten wie z. B. unzulässigen Lärm, aber auch Straftaten wie Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Beleidigungen nach sich ziehen können, sinken kann. Belastbare Zahlen, die auf eine Kausalität zwischen dem Erwerb von Alkohol in Spätshops und einem Anstieg von alkoholbedingten Straftaten und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schließen lassen, liegen nicht vor. Der Kauf von alkoholischen Getränken ist an den verschiedensten Örtlichkeiten bis spät am Abend oder durchgehend möglich. Hier sind Kaufhallen, Supermärkte, Kioske und Tankstellen beispielhaft zu nennen. Straftaten und Störungen der öffentlichen Sicherheit und 5 Ordnung können im Übrigen auch nach dem Genuss von Alkohol in Gaststätten begangen werden. Soweit es speziell um den Hasselbachplatz in Magdeburg geht, hat die Prüfung durch das Landesverwaltungsamt ergeben, dass eine Kausalität zwischen dem Betrieb von Mischbetrieben („Spätshops“) und Ruhestörungen am Hasselbachplatz nicht nachgewiesen ist. Ermittlungen des Landesverwaltungsamtes und der Stadt Magdeburg zeigen vielmehr, dass die betreffenden Ruhestörer und Randalierer häufig Alkohol in Discountern oder in einer Tankstelle, also nicht in „Spätshops“ oder Gaststätten, erwerben und am Hasselbachplatz konsumieren.