Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3177 20.07.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 23.07.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Zur Situation der Gerichtsvollzieher*innen in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/1810 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie stellt sich die Ausbildung der Gerichtsvollzieher*innen in Sachsen- Anhalt konkret dar? a) Auf der Grundlage welcher Verwaltungsvereinbarung erfolgt die Ausbildung ? Die Ausbildung erfolgt derzeit nach der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern, dem Freistaat Sachsen, dem Land Sachsen-Anhalt und dem Freistaat Thüringen über die gemeinsame Ausbildung und Prüfung der Gerichtsvollzieherbewerber vom 13. Februar/1. März/6. März/25. März 1996, geändert durch die Verwaltungsvereinbarung vom 8. August/28. August /4. September/11. September 2003. b) Wie und mit welchem Inhalt ist die Ausbildung konkret geregelt? Die Ausbildung dauert nach § 7 Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher (APVO GV LSA) vom 4. Dezember 2001 (GVBl. LSA S. 522) 18 Monate und gliedert sich in folgende Abschnitte: 1. Einführende Ausbildung bei einer Gerichtsvollzieherin oder einem Gerichtsvollzieher (in Sachsen-Anhalt) 2. Fachtheoretischer Lehrgang A (an der Justizakademie in Pegnitz, Bayern) 2 3. Praktische Ausbildung I (in Sachsen-Anhalt) 4. Fachtheoretischer Lehrgang B (Justizakademie in Pegnitz) 5. Praktische Ausbildung II (in Sachsen-Anhalt) 6. Fachtheoretischer Lehrgang C (Schlusslehrgang) (Justizakademie in Pegnitz) Das Nähere regelt ein nach der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern, dem Freistaat Sachsen, dem Land Sachsen-Anhalt und dem Freistaat Thüringen genehmigter Rahmenstoffplan, der 207 Seiten umfasst . c) Beabsichtigt die Landesregierung in nächster Zeit die Ausbildungsverordnung für das Land Sachsen-Anhalt dahingehend zu ändern, um Alternativen zur Nachwuchsgewinnung – wie zum Beispiel die Zulassung von sogenannten Seiteneinsteigern oder die Einführung eines Bachelor -Studienganges – zuzulassen? Die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Gerichtsvollziehrinnen und Gerichtsvollzieher (APVO GV LSA) vom 4. Dezember 2001 soll auch zum Zweck der Personalgewinnung und im Hinblick auf die Förderung des eigenen Nachwuchses geändert werden. Ein Inkrafttreten ist für den 1. Oktober 2018 vorgesehen. Künftig kann auch zur Ausbildung für den Gerichtsvollzieherdienst zugelassen werden, wer mindestens zwei Drittel der Probezeit im mittleren Justizdienst absolviert hat und dessen fachliche Bewährung sowie persönliche Eignung bezüglich der Anforderungen der Laufbahn des mittleren Justizdienstes bereits zu diesem Zeitpunkt im Sinne von § 7 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten im Land Sachsen- Anhalt (LVO LSA) festgestellt werden kann. Die Landesregierung geht davon aus, dass auf diesem Weg ausreichend Bewerberinnen und Bewerber aus dem mittleren Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt für eine Laufbahnausbildung gewonnen werden können. Die Einführung eines Bachelor-Studienganges ist nicht beabsichtigt. 2. Wie viele Verfahrenseingänge werden pro Gerichtsvollzieher*in durchschnittlich im Monat bearbeitet und erledigt? Im Landesdurchschnitt gehen bei jeder Gerichtsvollzieherin und jedem Gerichtsvollzieher (im weiteren Gerichtsvollzieher) monatlich 31,42 reine Zustellungsaufträge und 119,33 sonstige Aufträge ein. Eine Erledigungsstatistik über die monatliche Erledigung pro Gerichtsvollzieher führt die Landesjustizverwaltung nicht. 3. Wie lang ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer pro Fall vom Verfahrenseingang bis zur Erledigung? Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von reinen Zustellungsaufträgen und sonstigen Aufträgen wird nicht erfasst. 3 4. Wie schätzt die Landesregierung die Arbeitsbelastung der Gerichtsvollzieher *innen in Sachsen-Anhalt ein. Die Arbeitsbelastung der Gerichtsvollzieher wird im Rahmen der Personalbedarfsberechnung ermittelt. Im Jahr 2017 lag diese bei 1,18. Einem Einsatz von 135,68 Arbeitskraftanteilen (AkA) stand ein Bedarf von 159,47 AkA gegenüber. a) Sind hierbei regionale Schwankungen festzustellen? Wenn ja, wo? Was sind hierfür die Ursachen? Regionale Schwankungen bestehen sowohl innerhalb der Amtsgerichtsbezirke als auch zwischen den einzelnen Amtsgerichts- und den Landgerichtsbezirken . Hierfür ursächlich sind z.B. Schwankungen im Auftragsaufkommen, Zuzug /Wegzug von Stammschuldnern/großen Drittschuldnern, längerfristige krankheitsbedingte Ausfälle und das Ausscheiden von Gerichtsvollziehern. b) Wie ordnet sich Sachsen-Anhalt beim Jahrespensum der Vollstreckungsaufträge im Vergleich zu den anderen Bundesländern ein? Das Jahrespensum 2017 und die Belastung der Gerichtsvollzieher in den anderen Bundesländern sind der Landesregierung nicht bekannt. Die Zahl der beauftragten/erledigten Vollstreckungshandlungen ergibt sich aus der bundesweiten Zusammenstellung zur GV 12. Eine Jahresübersicht über die Geschäftstätigkeit und den Personalbestand wird in der Deutschen Gerichtsvollzieher Zeitung veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Zahlen für das Jahr 2017 ist für das Oktober-Heft 2018 vorgesehen. 5. Wie und auf welcher Grundlage werden in Sachsen-Anhalt die Jahresarbeitszeiten der Gerichtsvollzieher*innen berechnet? Bei der Jahresarbeitszeit handelt es sich um einen Faktor bei der Berechnung des derzeitigen und zukünftigen Personalbedarfs. Die Landesjustizverwaltung Sachsen- Anhalt bedient sich hierbei der „Untersuchung zur Ermittlung von Bemessungszahlen für die Personalbedarfsberechnung im Bereich der Gerichtsvollzieher“ des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz, das auf eine bei der bayerischen Justiz durchgeführten Aufwandserhebung zurückgeht („Bayerisches Berechnungsmodell“). Dieses Modell ist von der Kommission der Landesjustizverwaltungen für Fragen der Personalbedarfsberechnung freigegeben worden. 6. Wie hoch ist die derzeitige monatliche Sachkostenpauschale für Gerichtsvollzieher *innen und wie ist diese im Detail untersetzt? Die Höhe der allgemeinen derzeitigen monatlichen Sachkostenpauschale beträgt nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Aufwandsentschädigung für Bürokosten der Gerichtsvollzieher (GVBKEntschVO) vom 24. Oktober 2008 (GVBl. LSA S. 376) 900,00 Euro. Hinsichtlich der Sachkosten ist hierbei ein nach oben gerundeter Jahressachkostenbetrag in Höhe von 10.800,00 Euro unterlegt. Dieser ist die Grundlage für die monatliche Sachkostenpauschale in Höhe von 900,00 Euro. Dieser Betrag umfasst auch die Kosten für eine angemessene Büroausstattung. 4 a) Beabsichtigt die Landesregierung in nächster Zeit die Sachkostenpauschale an den gestiegenen Verbraucherpreisindex anzupassen? Nein. 7. Wie viele und welche tätlichen Angriffe auf Gerichtsvollzieher*innen im Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen in Sachsen-Anhalt sind der Landesregierung für die Jahre 2015, 2016, 2017 und das I. Halbjahr 2018 bekannt? Der Landesregierung sind für das Jahr 2016 zwei tätliche Angriffe auf Gerichtsvollzieher bekannt geworden. Dabei handelt es sich zum einen um eine Messerattacke und zum anderen um eine verbale Drohung einschließlich einer Drohung über das Internet. Im ersten Halbjahr 2018 ist ein Gerichtsvollzieher von dem Hund eines Schuldners gebissen worden. Für die Jahre 2015 und 2017 sind der Landesregierung keine tätlichen Angriffe auf Gerichtsvollzieher bekannt geworden. 8. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden ergriffen, um Gerichtsvollzieher *innen gegen Angriffe besser zu schützen? Damit sich die Gerichtsvollzieher vor möglichen Angriffen besser schützen können, wurden in der Vergangenheit verschiedene Deeskalationstrainings- und Eigensicherungstagungen speziell für die Zielgruppe der Gerichtsvollzieher angeboten. Dabei handelt es sich im Einzelnen um folgende Tagungen: 19. bis 20. November 2012 in Magdeburg 5. bis 6. Dezember 2012 in Magdeburg 29. bis 30. April 2013 in Halle (Saale) 26. bis 27. Juni 2013 in Magdeburg 28. bis 29. Oktober 2013 in Halle (Saale) 15. bis 16. Oktober 2014 in Magdeburg 17. bis 18. November 2014 in Halle (Saale) 16. bis 17. September 2015 in Halle (Saale) 15. bis 16. Juni 2016 in Magdeburg Aufgrund der geringen Nachfrage aus dem Gerichtsvollzieherdienst wurden die Fortbildungen zur Eigensicherung 2017 und 2018 anderen Zielgruppen in der Justiz angeboten . Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. a) Wie und auf welcher Grundlage gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Polizei? Wie schätzt die Landesregierung diese Zusammenarbeit ein? b) Wer ist für die Erstellung einer erforderlichen Gefährdungsanalyse verantwortlich ? Die Fragen 8 litt. a und b werden wegen des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . 5 Die rechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen den Gerichtsvollziehern und der Polizei enthält § 758 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) und findet sich ergänzend in dem Gem. RdErl. des MI und MJ vom 29. Juni 2007 – Unterstützung der Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch die Polizei (MBl. LSA S. 589; nachrichtlich veröffentlicht in JMBl. LSA S. 245), zuletzt geändert durch Gem. RdErl. des MI und MJ vom 9. Juni 2015 (MBl. LSA S. 326). In diesem Rechtsrahmen können die Gerichtsvollzieher die Polizei um Unterstützung ersuchen, wenn im Einzelfall die Annahme begründet ist, die Zwangsvollstreckung werde sich nicht ohne Gewaltanwendung durchführen lassen. Die Polizei nimmt eine Einzelfallprüfung und Gefährdungsbewertung vor, um die Unterstützungsleistung hinreichend vorbereitet und mit den erforderlichen Kräften erbringen zu können. In der Praxis hat sich diese Verfahrensweise bewährt. 9. In welcher Weise sind Gerichtsvollzieher*innen und deren Angehörige im Schadensfall abgesichert? Gerichtsvollzieher sind Beamte des Landes Sachsen-Anhalt und als solche mit ihren Angehörigen nach den beamtenrechtlichen Grundsätzen abgesichert. 10. Wie beurteilt und unterstützt die Landesregierung das Ansinnen, Auskunftssperren nach § 51 Bundesmeldegesetz für Gerichtsvollzieher*innen und deren Angehörige grundsätzlich über den zuständigen Behördenleiter eintragen zu lassen? § 51 Abs. 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG) fordert für die Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister, dass Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen , dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann. Ob Tatsachen vorliegen, die objektiv eine Gefahr im Sinne dieser Regelung begründen, hängt von den individuellen Verhältnissen ab, zu denen auch die berufliche Tätigkeit der betroffenen Person gehört. Dies ist von der zuständigen Meldebehörde im Einzelfall zu entscheiden und hängt maßgeblich von der Art der Gefährdung und dem Grund für eine mögliche Auskunftssperre ab. Die berufliche Tätigkeit allein kann die Gefahr im Sinne von § 51 Abs. 1 BMG nur in seltenen Ausnahmefällen begründen (BVerwG NJW 2017, 1832 unter Hinweis auf § 18 Abs. 3 des Melderechtsrahmengesetzes – MRRG – in der ursprünglichen Fassung ). Die Gründe einer konkreten Gefährdungssituation hat der Gerichtsvollzieher im Rahmen seines Antrages auf Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister durch eine Bestätigung des zuständigen Behördenleiters nachzuweisen. Davon abgesehen , kann sich der Gerichtsvollzieher auch unmittelbar an die für seine Hauptwohnung zuständige Meldebehörde wenden und die im Zuge einer Antragstellung offenen Fragen unmittelbar klären. 6 11. Inwiefern und mit welchen Maßnahmen werden Gerichtsvollzieher*innen im Rahmen ihrer Ausbildung auf die Konfrontation mit gewalttätigen Schuldnern vorbereitet? Bestandteil sowohl der praktischen als auch der fachtheoretischen Ausbildung sind unter anderem auch Deeskalationsmethoden, Selbstverteidigungstechniken, die Sensibilisierung für gefahrenträchtige Situationen als auch Sozialpsychologie und Gesprächsführung. In Rollenspielen werden die Beamten auch auf die Konfrontation mit gewalttätigen Schuldnern vorbereitet und erlernen Verhaltensweisen sowohl gegenüber verbalen als auch körperlichen Angriffen.