Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3194 24.07.2018 (Ausgegeben am 25.07.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Jugendarrest für Schulverweigerer in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/1823 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat am 20. Juni 2018 den Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt beschlossen . Der Arrest für Schulschwänzer wurde mit dieser Gesetzesänderung nicht abgeschafft, er bleibt somit weiterhin als Ultima Ratio für Schulverweigerer in Sachsen -Anhalt bestehen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung Vorbemerkung: Gemäß §§ 36 und 40 SchulG LSA besteht in Sachsen-Anhalt Schulpflicht, diese ist im Zusammenwirken zwischen den Schülerinnen und Schülern, den Erziehungsberechtigten , den Schulen und den Schulträgern durchzusetzen. Die Mitwirkungspflicht der Erziehungsberechtigten ist in § 43 SchulG LSA verankert. Dieses entspricht der unveränderten Gesetzeslage. Es ist Ziel aller pädagogischen Maßnahmen bei auftretenden Schulpflichtverletzungen , für eine möglichst positiv orientierte, aber auch der Einzelfallsituation angemessene Beendigung der Schulverweigerung zu sorgen. Dabei wird auf eine aktive Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten gesetzt. Pädagogische Maßnahmen sind stets jeder Art von ordnungswidrigkeitsrechtlicher Ahndung vorzuschalten. Ziel ist nicht eine Bestrafung der Schulverweigerung als solche, sondern die Wiederaufnahme des regelmäßigen strukturierten Schul- und Unterrichtsbesuchs. 2 Jugendarrest steht am Ende eines (langen) rechtlichen Weges, wenn es trotz aller pädagogischen Maßnahmen zur Verhängung einer Geldbuße kommt, diese Geldbuße nicht gezahlt wird, die Möglichkeit, z. B. soziale Arbeitsstunden zu leisten, nicht ergriffen wird und alle denkbaren Auflagen, auch des Jugendrichters, die zu einer Absehung vom Jugendarrest führen können, zu keinem Ergebnis führen. Hierbei ist festzuhalten, dass der Jugendarrest nicht die Schulverweigerung als solches ahndet, sondern die Nichterbringung der ersatzweise angeordneten Arbeitsstunden oder von sonstigen Ersatzmaßnahmen. Die Beschreibung der Maßnahmen bis zu einem Jugendarrest macht deutlich, dass es sich tatsächlich um eine allerletzte Maßnahme bei entsprechender Eskalierung handelt (ultima ratio). Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Frage 1: Wie viele Personen befanden sich in den Jahren 2016, 2017 sowie im I. Halbjahr 2018 aufgrund einer Ordnungswidrigkeit gemäß Schulgesetz des Landes Sachsen- Anhalt (Schulpflichtverstoß) im Jugendarrest? Bitte getrennt nach Geschlecht ausweisen. Die Vollstreckung von Jugendarresten wegen eines Verstoßes gegen die Schulpflicht stellt sich in der Jugendarrestanstalt Halle wie folgt dar: im Jahr 2016 wurden 192 Jugendarreste, davon 48 gegen weibliche und 144 gegen männliche Personen vollstreckt; im Jahr 2017 wurden 187 Jugendarreste, davon 53 gegen weibliche und 134 gegen männliche Personen vollstreckt; im 1. Halbjahr 2018 wurden 44 Jugendarreste, davon 10 gegen weibliche und 34 gegen männliche Personen vollstreckt. Frage 2: Welche Schulformen besuchten die unter Ziffer 1 ausgewiesenen Personen? Statistische Daten im Sinne der Fragestellung werden seitens der Jugendarrestanstalt Halle nicht erhoben. Frage 3: Für welchen Zeitraum befanden sich die Arrestanten in den unter Ziffer 1 benannten Jahren in der Jugendarrestanstalt? Im Jahr 2016 wurden in 76 Fällen eine Woche Dauerarrest und in 116 Fällen Kurz- bzw. Freizeitarrest verbüßt. Im Jahr 2017 wurden in 96 Fällen eine Woche Dauerarrest und in 91 Fällen Kurzbzw . Freizeitarrest verbüßt. Im 1. Halbjahr 2018 wurden in 15 Fällen eine Woche Dauerarrest und in 29 Fällen Kurz-bzw. Freizeitarrest verbüßt. 3 Der Freizeitarrest wird gemäß § 16 Absatz 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG) für die wöchentliche Freizeit festgelegt, dauert höchstens zwei Tage und wird auf eine oder zwei Freizeiten bemessen. Der Kurzarrest ist eine Ersatzform des Freizeitarrestes und wird unter den Voraussetzungen des § 16 Absatz 3 Satz 1 JGG verhängt. Zwei Tage Kurzarrest stehen einer Freizeit gleich (§ 16 Absatz 3 Satz 2 JGG). Frage 4: Welche Zeiträume lagen in der Regel bei Schulpflichtverstößen zwischen dem Verstoß und dem Arrestantritt? Statistische Daten, die Auskunft über den Zeitraum zwischen den Schulpflichtverstößen und dem Arrestantritt geben, werden in der Jugendarrestanstalt Halle nicht erhoben . Frage 5: Wie hat sich in den letzten 3 Jahren die Straffälligkeit bzw. Rückfallquote derjenigen entwickelt, gegen die Jugendarrest vollstreckt worden ist? Statistische Daten im Sinne der Fragestellung werden seitens der Jugendarrestanstalt Halle nicht erhoben. Frage 6: Wie schätzt die Landesregierung die Entwicklung der Schulpflichtverletzungen in den letzten 3 Jahren ein? Vollständige statistische Daten im Sinne der Fragestellung sind durch die Landesregierung nicht erhoben worden. Aus diesem Grund ist eine Einschätzung nicht möglich . Frage 7: Welche Projekte und Netzwerke gibt es derzeit in Sachsen-Anhalt zur Arbeit mit Schulverweigerern? Derzeit werden auf der Grundlage des seit 2015 laufenden ESF-Förderprogramms „Schulerfolg sichern“, RdErl. des MK vom 15.12.2014 (MBl. LSA 2015, S. 179), geändert durch RdErl. des MK vom 6.4.2016 (MBl. LSA S. 300), ber. mit Bek. des MB vom 25.5.2016 (MBL. LSA S. 352) rd. 350 Projekte aus ESF- und Landesmitteln gefördert , die Schulerfolg sichern helfen und die Arbeit mit Schulverweigerern beinhalten . In diesem Zusammenhang wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage „Schulsozialarbeit“ - Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/1467 - und die Anlagen verwiesen. Weitere Daten zu Projekten und Netzwerken zur Arbeit mit Schulverweigerern liegen der Landesregierung nicht vor. Frage 8: Welche Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung präventiv zu ergreifen, um künftig mit neuen Ansätzen innovative Wege mit dem Ziel der Zurückdrängung beziehungsweise Verhinderung von Jugendarrest bei Schulpflichtverstößen zu beschreiten? Hinzuweisen ist darauf, dass der Jugendarrest nicht die Schulpflichtverstöße als solche ahndet (diese sind nach § 84 Abs. 2 SchulG LSA mit einer Geldbuße zu ahn- 4 den), sondern mit dem Jugendarrest soll die Nichterbringung ersatzweise angeordneter Arbeitsstunden oder sonstiger Ersatzmaßnahmen etc. kompensiert werden. Um Schulpflichtverletzungen mit pädagogischen Maßnahmen besser zu begegnen, sollen die im geltenden Runderlass zum Umgang mit Schulverweigerung, RdErl. des MK vom 14.01.2015, die unter Ziffern 2.3 bis 2.5 im Einzelnen beschriebenen pädagogischen Maßnahmen künftig personen- und situationsadäquat angewendet werden . Die genannten Maßnahmen sollen schulformspezifisch ausgerichtet und von der Schule eigenständig unter Abwägung der pädagogisch gebotenen Mittel angewendet werden. Frage 9: Beabsichtigt die Landesregierung die Handlungsabläufe im Runderlass des MK „Umgang mit Schulverweigerung in Sachsen-Anhalt“ von 2015 auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen? Wenn ja, wie soll diese Überprüfung aussehen und wann wird sie durchgeführt? Die Landesregierung hat die Handlungsabläufe des geltenden Runderlasses vom 14.01.2015 seitdem jährlich überprüft und für die Anwendung in Zusammenarbeit mit dem Landesschulamt sowie im Ergebnis einer Beratung mit den Ordnungsämtern der Landkreise im Jahr 2016 weitergehende Hinweise zur Anwendung gegeben. Im Ergebnis einer erneuten Überprüfung der Handhabbarkeit des Erlasses Ende 2017 / Anfang 2018 ist beabsichtigt, zu den unter Ziffern 2.3 bis 2.5 genannten Hinweisen des Erlasses in diesem Jahr noch einmal nachzusteuern, um eine einheitliche personen- bzw. situationsadäquate Anwendung der pädagogischen Maßnahmen zu erleichtern und die pädagogischen Maßnahmen künftig schulformspezifisch auszurichten . Außerdem soll mit der Neufassung des Erlasses künftig vermieden werden, dass Schulpflichtverletzungen von den Schulen unterschiedlich geahndet oder ohne Durchführung von pädagogischen Maßnahmen als Ordnungswidrigkeit gemeldet werden.