Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3203 30.07.2018 (Ausgegeben am 31.07.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erfahrungen mit der Bodycam in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/1831 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im Juni 2017 wurde im Landtag das Sechste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt beschlossen . Durch die Änderung wurde der Polizei unter anderem die Befugnis eingeräumt, sogenannte Bodycams in den kreisfreien Städten Sachsen-Anhalts befristet im Rahmen eines Modellversuches einzusetzen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. Mit wie vielen Bodycams ist die Polizei in Sachsen-Anhalt derzeit ausgestattet ? Welche Kosten sind bis zum heutigen Tage durch die Ausweitung der Befugnis zum Tragen von sogenannten Bodycams in Sachsen-Anhalt entstanden? Die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt ist derzeit mit 50 Body-Cams und drei Auswertestationen ausgestattet, welche anteilig in den kreisfreien Städten Magdeburg , Halle (Saale) und Dessau-Roßlau zum Einsatz kommen. Die hierbei entstandenen Kosten belaufen sich auf 40.000 Euro. 2. In wie vielen Fällen wurde bislang von der Befugnis zur Aufbewahrung von Bild- und Tonmaterial gem. § 16 Abs. 5 Satz 3 SOG LSA Gebrauch gemacht ? In wie vielen Fällen wurden erhobene Bild- und Tonaufnahmen für die Beweissicherung von Strafverfahren tatsächlich bereitgestellt, sofern Gewalt gegen Polizeibeamt*innen ausgeübt wurde? Eine explizite Erfassung der angefragten Kriterien erfolgt nicht, da die dauerhafte Speicherung von Videodaten nicht den primären Zweck der Befugnisnorm dar- 2 stellt und daher für die Evaluation des Modellversuches nicht genutzt werden kann. Ein Rückgriff auf gespeicherte Daten ist aufgrund der vorhandenen Löschfristen nur für den Zeitraum der zurückliegenden drei Monate möglich. Auf dieser Datenbasis kann festgestellt werden, dass im Polizeirevier Halle (Saale) Bild- und Tonmaterial in drei Fällen für die Beweissicherung von Strafverfahren bereitgestellt worden ist, in zwei Fällen in Verfahren aufgrund von Straftaten gem. § 113 Strafgestzbuch (StGB). Im Zuständigkeitsbereich des Polizeireviers Dessau- Roßlau wurden in zwei Fällen Videodaten zur Beweissicherung im Strafverfahren bereitgestellt. Im Polizeirevier Magdeburg wurde bislang in keinem Fall von der Befugnis zur Aufbewahrung von Bild- und Tonaufzeichnungen zur Verwendung im Strafverfahren Gebrauch gemacht. In keinem Fall wurden Videodaten gemäß § 16 Abs. 5 Satz 3 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) zu präventiven Zwecken gespeichert. 3. Wie wurde mit den Ton- und Bildaufnahmen nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren verfahren? Sofern keine Löschung erfolgte, wie lange und aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage werden die Tonund Bildaufnahmen im Anschluss an ein abgeschlossenes Strafverfahren verwahrt? Sollen Ton- und Bildaufnahmen zum Zweck der Beweissicherung im Strafverfahren Verwendung finden, werden die Daten auf einem Datenträger gespeichert, mit einer vierstelligen PIN gesichert und dem Ermittlungsvorgang beigefügt. In der Folge unterliegen die Daten den für das Strafverfahren gültigen Aufbewahrungsfristen nach Strafprozessordnung (StPO) i. V. m. dem Gesetz zur Aufbewahrung von Schriftgut der Justiz im Land Sachsen-Anhalt (JSchrG LSA). Eine Aufbewahrung der Daten außerhalb von Verfahrensakten erfolgt nicht. 4. Wie werden die gesetzlichen Vorgaben gemäß § 16 Abs. 4a SOG LSA - insbesondere in Situationen in denen in kurzer Zeit mehrfache Speicherungen und Überschreibungen realisiert werden müssen - technisch gewährleistet? Wie beurteilen die Polizeibeamt*innen die technische Umsetzung und die praktische Handhabung? Wie beurteilen die Polizeibeamt*innen die Reaktionen von Bürger*innen auf das Tragen der Bodycam? Die Kameras werden während des Streifendienstes grundsätzlich im Standby- Modus (d. h. Body-Cam eingeschaltet, ohne Aufzeichnung oder Pre-Recording) getragen. Sofern die Voraussetzungen einer Identitätsfeststellung vorliegen, erfolgt eine Aufnahme auf einem nicht permanenten Datenträger (Pre-Recording). Die Kamera wird dazu erst beim Betreten des Einsatzraumes aus dem Standby- Modus eingeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt ist die auf zwei Minuten eingestellte Vorabaufnahmefunktion (Pre-Recording) aktiviert. Wird keine permanente Aufnahme aktiviert und das Pre-Recording deaktiviert, werden die Daten vom Gerät selbsttätig gelöscht. Das Recording muss durch den Kameranutzer ebenfalls aktiviert und bei Beendigung der Maßnahme deaktiviert werden. Die hierbei entstandenen Daten werden jeweils in einer Datei automatisiert abgelegt. Auf diese Weise können auch mehrere Sachverhalte in kurzer Abfolge voneinander getrennt behandelt werden. Eine gesamtheitliche Evaluation der Technik, Handhabung und Wirkung ist anhand belastbarer Erkenntnisse erst zum Ende der Erprobungszeit geplant. 3 5. Wie viel Bild- und Tonmaterial ist derzeit aus Aufnahmen der Bodycams in Sachsen-Anhalt gespeichert? Wie lange wird erhobenes Bild- und Tonmaterial bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 16 Abs. 5 Satz 3 SOG LSA durchschnittlich gespeichert? Welcher Zeitraum ist durchschnittlich für die Feststellung, ob die Voraussetzungen gemäß § 16 V 3 SOG LSA vorliegen, erforderlich (i. S. d. § 16 Abs. 5 Satz 1 SOG LSA)? Im Polizeirevier Magdeburg war mit Stand 6. Juli 2018 ein Datenvolumen von insgesamt 30 Gigabyte (GB) gespeichert. Auf dem Datenträger der Auswertestation des Polizeireviers Halle (Saale) war mit Stand 12. Juli 2018 ein Datenvolumen von 7,9 GB gespeichert. Im Polizeirevier Dessau-Roßlau waren es zum 16. Juli 2018 drei GB Bild- und Tonmaterial. Die Angaben zu den Datenmengen beziehen sich auf alle gefertigten Echtaufnahmen, Schulungs- und Testaufnahmen sowie Aufnahmen bei Fehlbedienungen. Die mittels Body-Cam angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen werden gemäß § 16 Abs. 5a SOG LSA mit der Verarbeitungsfrist von maximal einer Woche zunächst für die Dauer von drei Monaten nach ihrer Erhebung für den Zugriff gesperrt . Nach Ablauf der Frist werden die Daten ausnahmslos gelöscht, sofern nicht die Voraussetzungen nach § 16 Absatz 5 Satz 3 SOG LSA vorliegen. Eine statistische Erhebung zur durchschnittlichen Bearbeitungsdauer innerhalb der Wochenfrist erfolgt nicht. Werden Videodaten als Beweismittel im Strafverfahren zur Verfügung gestellt, erfolgt die Entscheidung hierzu regelmäßig bereits während der Fertigung der Aufnahmen bzw. der anschließenden Sichtung. 6. Wie wird die Löschung oder das Unkenntlichmachen von unbeteiligten Personen gemäß § 16 Abs. 5 Satz 4 SOG LSA praktisch umgesetzt? In wie vielen Fällen wurden Aufnahmen von unbeteiligten Personen gem. § 16 Abs. Satz 4 SOG LSA gelöscht oder unkenntlich gemacht? Das Unkenntlichmachen erfolgt mittels Schwärzung auf Standbildausdrucken. Das Löschen von Abbildungen unbeteiligter Personen auf Videosequenzen erfolgt in der Regel aufgrund des unverhältnismäßig hohen technischen Aufwandes nicht. 7. Entsprechen die Regelungen zur Datenerhebung und -speicherung durch die sogenannten Bodycams den Anforderungen der DSGVO? Falls nein, hinsichtlich welcher Regelungen besteht noch Umsetzungsbedarf? Nach Artikel 2 Abs. 2 Buchst. d DSGVO fällt die Datenerhebung und -speicherung durch die sogenannten Bodycams nicht in den Anwendungsbereichs der DSGVO. Alle Regelungen des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt wurden im Hinblick auf eine landesrechtliche Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 geprüft. Soweit Änderungsbedarf ersichtlich wurde, ist dieser im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 und zur Anpassung von bereichsspezifischen Datenschutzvorschriften an die Richtlinie (EU) 2016/680 sowie zur Regelung der Datenschutzaufsicht im Bereich des Verfassungsschutzes berücksichtigt worden. Die Landesregierung hat am 24. Juli 2018 beschlossen, den vorgenannten Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen. 4 8. Wie werden die Hinweispflichten gemäß § 16 Abs. 4 SOG LSA in der Praxis umgesetzt? In wie vielen Fällen des Einsatzes von technischen Mitteln i. S. d. § 16 Abs. 4 SOG LSA ist auf deren Einsatz hingewiesen worden? Auf den Einsatz der Body-Cam wird (neben dem sichtbar getragenen Gerät selbst) durch eine deutlich sichtbare Kennzeichnung mit dem durch DIN 33450 definierten Piktrogramm („Videoüberwachung“) in den Maßen 80x80 mm im Brustbereich des Kameraträgers hingewiesen. Außerdem zeigt das Gerät ein rotes , dauerhaftes Licht im Aufzeichnungsmodus. Darüber hinaus ist jeder Kameraträger entsprechend Runderlass des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. August 2017, Az. 23.6-0267-2/2017, angewiesen, die Datenerhebung grundsätzlich durch mündliche Ansprache zu begleiten. 9. Inwiefern haben sich bislang die Erwartungen der Landesregierung erfüllt, dass mit der Einführung der sogenannten Bodycams Gewalt gegen Polizeibeamt *-innen nicht mehr in der bisherigen Intensität und Häufigkeit ausgeübt wird? Lassen sich Unterschiede bei der Intensität und Häufigkeit von Angriffen auf Polizeibeamt*innen zwischen Beamt*innen, die eine Bodycam bei Einsätzen tragen, zu denen feststellen, die keine Bodycam tragen? Bitte zwischen den verschiedenen Polizeidirektionen differenzieren. Eine Evaluation des Modellversuches erfolgt zum Ende des hierfür festgelegten Zeitraumes, da erst dann belastbare Daten im erforderlichen Umfang vorliegen.