Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3232 09.08.2018 (Ausgegeben am 10.08.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Florian Philipp (CDU) Entwicklung der psychosozialen Prozessbegleitung Kleine Anfrage - KA 7/1867 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz ) vom 21. Dezember 2015 hat in Artikel 1 mit § 406g StPO den Beistand eines psychosozialen Prozessbegleiters für Verletzte eingeführt und in Artikel 4 das Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) verankert. Damit wurde eine besondere Form der nicht rechtlichen Begleitung im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung geschaffen. Das PsychPbG trat zum 1. Januar 2017 in Kraft. Den Verletzten ist auf deren Antrag ein psychosozialer Prozessbegleiter vom Gericht beizuordnen. Verletzte sind über diese Befugnis zu unterrichten. Die psychosozialen Prozessbegleiter müssen neben fachlicher, persönlicher und interdisziplinärer Qualifikation unter anderem eine vom jeweiligen Land anerkannte Aus- oder Weiterbildung zum psychosozialen Prozessbegleiter abgeschlossen haben. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie hoch ist die Zahl der Anträge von Verletzten auf psychosoziale Prozessbegleitung seit dem 1. Januar 2017 in Sachsen-Anhalt? Bitte getrennt nach Verletzten unter 18 Jahren und Erwachsenen. Eine Statistik zur psychosozialen Prozessbegleitung wird durch die Gerichte nicht geführt. Nach den Angaben der im Land Sachsen-Anhalt anerkannten psychosozialen Prozessbegleiter wurden seit dem 1. Januar 2017 insgesamt 6 Anträge von 2 Verletzten auf psychosoziale Prozessbegleitung gestellt, von denen 3 Antragsteller unter 18 Jahren alt waren. 2. Wie hoch ist die Zahl der Beiordnungen von psychosozialen Prozessbegleitern durch die zuständigen Gerichte in Sachsen-Anhalt? Bitte getrennt nach Verletzten unter 18 Jahren und Erwachsenen. In einem Fall erfolgte die Beiordnung der psychosozialen Prozessbegleitung. Die Verletzte war unter 18 Jahre alt. 3. Welche Träger bieten Aus- und Weiterbildungen zum psychosozialen Prozessbegleiter an, die vom Land anerkannt sind? Die Anerkennung von Aus- und Weiterbildungen zum psychosozialen Prozessbegleiter erfolgt auf Grundlage des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren im Land Sachsen- Anhalt (AGPsychPbG LSA) vom 7. Juli 2017. Im § 2 Absatz 1 Nummer 1 und 2 und Absatz 2 des Ausführungsgesetzes sind die geforderten Voraussetzungen, um als Aus- oder Weiterbildung zur psychosozialen Prozessbegleitung im Sinne von § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2525, 2529; PsychPbG) anerkannt zu werden, bestimmt. Dabei steht auch der Anerkennung einer Aus- und Weiterbildung in einem anderen Bundesland gemäß § 9 Absatz des 3 AGPsychPbG LSA der Anerkennung nach § 2 des AGPsychPbG LSA gleich. In Sachsen-Anhalt bietet keine Institution die Qualifikation zur psychosozialen Prozessbegleitung an. Nordrhein-Westfalen führt auf der Grundlage der von den anderen Ländern übermittelten Daten eine bundesweite Übersicht der anerkannten Aus- und Weiterbildung. Diese wird laufend aktualisiert und den Ländern zur Verfügung gestellt. Demnach sind bis Mai 2018 die nachfolgend genannten Träger für Ausund Weiterbildungen zum psychosozialen Prozessbegleiter anerkannt: o Alice Salomon Hochschule Berlin, o Badischer Landesverband für soziale Rechtspflege Karlsruhe, o bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (in Kooperation mit örtlichen Trägern), o Bildungsakademie BiS Wuppertal (Weiterbildungsträger: Auxilium GmbH, Gesellschafter: Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e. V.), o Deutscher Kinderschutzbund LV Thüringen e. V., o Evangelische Hochschule Darmstadt, o Fachhochschule Münster, o Frauenhorizonte - Gegen Sexuelle Gewalt e. V. Freiburg, o GwG - Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung e. V. Köln, o Hochschule Düsseldorf, o Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen, o Hochschule Koblenz, 3 o IAGUS - Institut für Angewandte Gesundheits- und Systemwissenschaften Bielefeld, o Institut für Kommunikationspsychologie Inter US Eschwege, o ISTOP Management Akademie e. V. München, o RECHT WÜRDE HELFEN (RWH) - Institut für Opferschutz im Strafverfahren e. V. o Stiftung Opferhilfe Niedersachsen, o WEISSER RING Akademie. Die in den Weiterbildungen vermittelten Inhalte entsprechen den Vorgaben von § 2 Absatz 2 des AGPsychPbG LSA. 4. Wie viele Fachleute haben eine Aus- oder Weiterbildung zum psychosozialen Prozessbegleiter abgeschlossen, die vom Land Sachsen- Anhalt anerkannt wird? Wie viele Personen eine Aus- oder Weiterbildung zum psychosozialen Prozessbegleiter abgeschlossen haben ist nicht bekannt, da nicht jede Person, welche die Ausbildung absolviert hat, auch zwangsläufig den Antrag auf Anerkennung als psychosoziale Prozessbegleitung nach § 4 des AGPsychPbG LSA stellt. 5. Auf wie viele psychosoziale Prozessbegleiter können die zuständigen Gerichte im Land Sachsen-Anhalt zurückgreifen und gibt es dazu Listen? In Sachsen-Anhalt sind 9 Personen als psychosoziale Prozessbegleiter anerkannt. Darunter befinden sich 5 Bedienstete des Sozialen Dienstes der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt, 1 Person eines Bildungswerkes sowie 3 Personen, die selbstständig in eigener Praxis tätig sind. Ein weiterer Antrag auf Anerkennung als psychosozialer Prozessbegleiter liegt gegenwärtig vor. Das Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt als Anerkennungsbehörde führt ein Verzeichnis der nach § 1 AGPsychPbG LSA anerkannten psychosozialen Prozessbegleiter. Aus dem Verzeichnis können sowohl der örtliche Tätigkeitsschwerpunkt des psychosozialen Prozessbegleiters im Sinne des § 4 Absatz 2 Satz 3 AGPsychPbG LSA, als auch der sachliche Tätigkeitsschwerpunkt entnommen werden. Der örtliche oder sachliche Tätigkeitsschwerpunkt kann auf Antrag auch nachträglich geändert werden. Das „Verzeichnis der nach § 1 des AGPsychPbG LSA anerkannten psychosozialen Prozessbegleiterinnen und psychosozialen Prozessbegleiter im Land Sachsen-Anhalt“ ist im Internet auf der Opferschutzseite unter der Rubrik psychosoziale Prozessbegleitung veröffentlicht und barrierefrei zugänglich. Die zuständigen Gerichte können Einsicht nehmen und entsprechend den Erfordernissen einen psychosozialen Prozessbegleiter beiordnen. Mit jeder weiteren Anerkennung einer Person wird das Verzeichnis fortwährend aktualisiert. 4 6. Wie werden die Verletzten über ihre Befugnisse nach § 406i StPO im Strafverfahren unterrichtet? Bereits bei Anzeigeerstattung wird das Opfermerkblatt, welches umfassend über die Opferrechte unterrichtet, durch die Polizei überreicht. Nach Nr. 174a RiStBV prüft der Staatsanwalt, sobald er mit den Ermittlungen selbst befasst ist, ob die Informationen gemäß § 406i Absatz 1, §§ 406j bis 406l StPO erteilt worden sind. Falls erforderlich, holt er dies mit dem Formblatt „LSA: StP 2“ nach. In den Polizeidienststellen, den Gerichten, bei den Staatsanwaltschaften sowie den Dienst- und Nebenstellen des Sozialen Dienstes der Justiz ist zudem der Flyer „Psychosoziale Prozessbegleitung“ öffentlich ausgelegt und verfügbar.