Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3244 14.08.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 14.08.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Geplante Anlage zur Klärschlammverbrennung am Standort Beuna Kleine Anfrage - KA 7/1877 Vorbemerkung des Fragestellenden: Auf dem Gebiet der Stadt Merseburg (OT Beuna) und der Stadt Braunsbedra (OT Frankleben) wird durch ein Unternehmen aktuell die Errichtung einer Klärschlammverbrennungsanlage geplant. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Wie hoch war das Aufkommen an in Sachsen-Anhalt entstandenen kommunalen und gewerblichen Klärschlämmen in Sachsen-Anhalt jeweils in den vergangenen zehn Jahren? Die mit der jährlichen Abfallbilanz1 des Landes Sachsen-Anhalt veröffentlichten Daten zum Klärschlammaufkommen beinhalten alle Anlagen zur öffentlichen Abwasserbehandlung . Das betrifft Klärschlämme, die bei der Behandlung von Abwässern entstehen, die in den Anwendungsbereich des Anhangs 1 der Abwasserverordnung 2 fallen. Dazu gehören Abwässer sowohl aus Haushaltungen und ähnlichen Einrichtungen als auch aus angeschlossenen Einrichtungen, die gewerblichen Zwecken dienen. 1 https://mule.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MLU/MLU/02_Umwelt/ Abfall/Bilanzen_Plaene/Abfallbilanz_2016_08-02-18.pdf 2 Abwasserverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juni 2004 (BGBl. I S. 1108, 2625), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 1. Juni 2016 (BGBl. I S. 1290) 2 Darüber hinaus sind auch Anlagen zur öffentlichen Abwasserbehandlung enthalten , die industrielles und kommunales Abwasser gemeinsam behandeln. Nachfolgend ist das Aufkommen für die Jahre 2007 bis 2016 dargestellt. Für das Jahr 2017 liegen diese Daten noch nicht vor. Jahr Klärschlammaufkommen [in Megagramm Trockenmasse pro Jahr] 2007 54.823 2008 60.290 2009 57.504 2010 63.278 2011 64.309 2012 59.234 2013 57.145 2014 60.264 2015 57.231 2016 57.813 2. Wie hoch war das Aufkommen an außerhalb des Landes Sachsen-Anhalt entstandenen und sodann nach Sachsen-Anhalt importierten kommunalen und gewerblichen Klärschlämmen jeweils in den vergangenen zehn Jahren ? Was sind die maßgeblichen Importregionen für Klärschlämme, die in den vergangenen zehn Jahren nach Sachsen-Anhalt verbracht wurden? Die vorliegenden Daten beziehen sich auf den Verwertungsweg Landwirtschaft. Vergleichbare Daten zu anderen Entsorgungswegen liegen nicht vor. Nachfolgend sind die Klärschlammimporte in den Jahren 2007 bis 2016, welche landwirtschaftlich verwertet wurden, zusammengefasst. Für das Jahr 2017 liegt noch keine abschließende Auswertung vor. Jahr Klärschlammimportmenge [in Megagramm Trockenmasse pro Jahr] 2007 17.328 2008 27.201 2009 21.310 2010 24.224 2011 22.646 2012 18.875 2013 17.686 2014 24.430 2015 20.129 2016 23.536 Bis auf die kreisfreien Städte, in die kaum importierte Klärschlämme zur landwirtschaftlichen Verwertung verbracht werden, sind die Klärschlammimporte über alle Landkreise hinweg verteilt. In einzelnen Jahren lässt sich ein größeres Importaufkommen in den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld, Saalekreis, Bördekreis sowie im Altmarkkreis Salzwedel feststellen. 3 3. Welche Prognosen zum Klärschlammaufkommen aus Sachsen-Anhalt gibt es für die nächsten zehn Jahre, insbesondere unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung Sachsen-Anhalts? Auf die Antwort der Landesregierung auf die Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage KA 7/1808 wird verwiesen (Drucksache 7/3191 vom 24.07.2018). 4. Welche Prognosen zum Import von Klärschlämmen nach Sachsen-Anhalt gibt es für die nächsten zehn Jahre? Entsprechend dem räumlichen und sachlichen Geltungsbereich des Abfallwirtschaftsplanes des Landes beschränken sich die enthaltenen Prognosen auf die in Sachsen-Anhalt anfallenden Klärschlämme. Insoweit sind Prognosen zum Import von Klärschlämmen nicht enthalten. 5. Mit welchen Veränderungen bei der Behandlung und Entsorgung von Klärschlämmen rechnet die Landesregierung auf Grundlage der neuen Klärschlamm - und Düngemittelverordnung? Auf die Antworten der Landesregierung auf die Fragen 21 und 22 der Kleinen Anfrage KA 7/1794 wird verwiesen (Drucksache 7/3166 vom 16.07.2018). 6. Liegt der Landesregierung eine Bedarfsplanung des Landes Sachsen- Anhalt zur Verbrennung von gewerblichen und kommunalen Klärschlämmen vor? Falls nicht, plant die Landesregierung Untersuchungen zur Ermittlung des Bedarfs an Klärschlammverbrennungsanlagen für das Land Sachsen-Anhalt? Nein, die Prognosen beziehen sich auf den Gesamtkapazitätsbedarf zur Sicherstellung der Entsorgung der in Sachsen-Anhalt anfallenden Klärschlämme (siehe Frage 3 und 4). Welchen Anteil Klärschlammverbrennungsanlagen künftig daran haben werden, ist vorrangig abhängig von konkreten Entscheidungen der Kläranlagenbetreiber , welcher Entsorgungsweg genutzt werden soll. In diesem Zusammenhang begrüßt die Landesregierung ausdrücklich die Verfolgung gemeinsamer Konzepte der Kläranlagenbetreiber. Darüber hinaus prüft die Landesregierung fortlaufend, inwieweit ergänzende Untersuchungen für Sachsen-Anhalt erforderlich sind. 7. Wie viel Phosphatdünger wurde in den vergangenen zehn Jahren in der Landwirtschaft Sachsen-Anhalts eingesetzt? Welche Schätzungen zur zukünftig notwendigen Menge an Phosphatdünger liegen der Landesregierung vor? Über die in den letzten zehn Jahren in der Landwirtschaft eingesetzten Phosphatdünger liegen der Landesregierung keine Daten vor. Auch eine konkrete Aussage zur Abschätzung über die zukünftig benötigte Menge an Phosphatdünger kann nicht getroffen werden, da hierbei sehr viele Einflussfaktoren zu beachten sind. Ergänzend wird auf die Beantwortung der Frage 8 verwiesen. 4 Grundsätzlich besteht mindestens ein kontinuierlicher Bedarf an Phosphor als Düngemittel in der Landwirtschaft, da Phosphor einer der wichtigsten Pflanzennährstoffe ist. Inwieweit der theoretisch bestehende Bedarf letztlich in einem Einsatz mineralischer P-Düngemittel mündet, hängt vorrangig von der wirtschaftlichen Situation der Betriebe und dem tendenziell steigenden Preisniveau der P-Düngemittel ab. Allerdings begrenzt die Düngeverordnung aufgrund des niedrigen P-Kontrollwertes der Nährstoffbilanz die P-Düngung bezogen auf den Gesamtbetrieb. 8. Wie hoch schätzt die Landesregierung das Potenzial zur Wiedergewinnung an Phosphat aus Klärschlämmen für das Land Sachsen-Anhalt ein? Die bisherige Nutzung des Phosphates über die herkömmliche, bodenbezogene Verwertung der Klärschlämme nach Maßgabe des Düngerechtes und der Klärschlammverordnung verliert auch in Sachsen-Anhalt zunehmend an Bedeutung. Daher wird die Phosphat-Rückgewinnung immer wichtiger. Klärschlämme weisen neben anderen wertgebenden Bestandteilen relativ hohe Gehalte an Phosphor und Stickstoff auf. Die insgesamt in kommunalen Klärschlämmen bzw. Abwässern enthaltenen Phosphate könnten rechnerisch mehr als 50 % des Bedarfs der Landwirtschaft an Mineraldüngerphosphat decken3. 9. Wie viele Anlagen zur Klärschlammverbrennung und Phosphatrückgewinnung an welchen Orten mit welcher Kapazität bestehen derzeit in Sachsen- Anhalt? Wer sind die jeweiligen Betreiber? Bestehende Anlagen zur Klärschlammentsorgung: Standort Anlage Klärschlammdurchsatz 4 Betreiber Zorbau Klärschlammtrocknung 625 t/d 75.000 t/a SUEZ Energie und Verwertung GmbH Greppin Klärschlammtrocknung GKW Bitterfeld-Wolfen Klärschlammverbrennung TS 1,9 t/h TS 16.607 t/a GmbH Schkopau Klärschlammentwässerung SUEZ Klärschlammverbrennung TS 15 t/h TS 5.475 t/a Sonderabfallgesellschaft mbH Es gibt bisher keine Anlage zur Phosphatrückgewinnung. 3 Begründung zur Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung, BR-Drs. 255/17 vom 29.03.2017, S. 86ff, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2017/0201-0300/255- 17.pdf;jsessionid=B049F28A97D0DB6590AED2DA4A39E79B.2_cid349?__blob=publicationFile&v=5 4 TS=Trockensubstanz 5 10. Wie viele Anlagen zur Klärschlammverbrennung und Phosphatrückgewinnung an welchen Orten mit welcher Kapazität sind nach Kenntnis der Landesregierung derzeit in Sachsen-Anhalt in Planung? Wer sind die geplanten Betreiber? In welchem Verfahrensstadium befindet sich ggf. der jeweilige Genehmigungsprozess? Geplante Anlagen zur Klärschlammentsorgung, für die ein Antrag auf Genehmigung /Vorbescheid eingereicht ist: Standort Anlage Klärschlamm - durchsatz Antragsteller a) Bitterfeld Klärschlammtrocknung KSR Klärschlammrecycling Bitterfeld-Wolfen GmbH Klärschlammverbrennung TS 20,5 t/h TS 25.000 t/a b) Beuna/ Frankleben Klärschlammtrocknung 319,92 t/d 100.000 t/a Wiese Umwelt Service GmbH Klärschlammverbrennung TS 3,92 t/h Phosphatdüngerherstellung 62,88 t/d ca. 20.00 t/a c) Döllnitz Klärschlammtrocknung 16.600 t/a Sludge2energy GmbH Klärschlammverbrennung TS 2,9 t/h Zu den geplanten Vorhaben liegt folgender Verfahrensstand vor: Zu a) Die Teilgenehmigung nach §§ 4,8 BImSchG zur Errichtung ist erteilt mit Bescheid vom 05.02.2018. Die erforderliche 2. Teilgenehmigung zum Betrieb der Anlage ist noch nicht beantragt. Zu b) Der Antrag auf Genehmigung nach § 4 BImSchG wurde am 05.02.2018 eingereicht und befindet sich in der Vollständigkeitsprüfung. Zu c) Ein Antrag auf Vorbescheid nach § 9 BImSchG wurde am 25.07.2017 eingereicht . Über den Antrag ist noch nicht entschieden. Das Verfahren steht kurz vor dem Abschluss. 11. Handelt es sich bei der auf dem Gebiet der Stadt Merseburg (OT Beuna) und der Stadt Braunsbedra (OT Frankleben) aktuell im Planungs- bzw. im Genehmigungsprozess befindlichen Anlage nach Einschätzung der Landesregierung um eine Abfallverwertungs- und Industrieanlage zur chemischen Produktion oder um eine landwirtschaftliche Anlage? Welche Rechtsvorschriften sind zur Genehmigung der Anlage einschlägig und heranzuziehen ? Die zu dem geplanten Vorhaben am Standort Beuna/Frankefelde zugehörigen Teilanlagen unterliegen den Nrn. 8.10.2.1, 8.1.1.3, 8.8.2.2 und 8.12.2 der Anla- 6 ge 1 der 4. BImSchV. Es handelt sich somit um eine industrielle Anlage zu Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen. Das Vorhaben ist genehmigungsbedürftig nach § 4 BImSchG einschließlich der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Im Genehmigungsverfahren sind neben dem Immissionsschutzrecht alle für eine derartige Anlage geltenden anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen. Dies sind insbesondere Abfallrecht , Wasserrecht, Baurecht, Bauplanungsrecht. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Anlage bestimmt sich aufgrund der Außenbereichslage des Standortes sowie der bauplanungsrechtlichen Relevanz nach den §§ 29 und 35 BauGB. Diese Prüfung ist derzeit nicht abgeschlossen. Weitere Genehmigungsvoraussetzung ist die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 Absatz 1 Baugesetzbuch (BauGB). Das Genehmigungsverfahren ist mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu führen. 12. Sind Industrieanlagen auf nach gültigem Flächennutzungsplan als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesenen Gebieten nach Einschätzung der Landesregierung genehmigungsfähig? Diese Frage beurteilt sich in Abhängigkeit davon, ob die Industrieanlage im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert zulässig ist, oder sie als sog. „sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB einzustufen ist. Ein privilegiertes Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB liegt vor, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll. Sonstige Vorhaben können gemäß § 35 Abs. 2 BauGB im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Während privilegierte Vorhaben dann unzulässig sind, wenn ihnen öffentliche Belange entgegenstehen, sind sonstige Vorhaben bereits dann unzulässig, wenn sie öffentliche Belange beeinträchtigen. Gemäß § 35 Abs. 3 BauGB werden öffentliche Belange beeinträchtigt, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht. Damit Darstellungen eines Flächennutzungsplans als öffentliche Belange privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehen, müssen diese hinreichend konkrete standortbezogene Aussagen enthalten. Eine solche qualifizierte Standortzuweisung stellt die Ausweisung von landwirtschaftlichen Flächen nicht dar, da diese dem Außenbereich nur die ihm ohnehin zugedachte Funktion zuweisen. Gegenüber sonstigen Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB setzen sich die Darstellungen des Flächennutzungsplans dagegen regelmäßig durch, es sei denn, es 7 liegen besondere Umstände vor, nach denen die Darstellung für die Vorhabenfläche keine Aussagekraft mehr hat. 13. In welcher Form wurden die betroffenen Gemeinden/Bürger bislang in das Planungsverfahren zur Anlage in Beuna/Frankleben einbezogen? Zu welchem Zeitpunkt erfolgte die Einbeziehung? Die Städte Merseburg und Braunsbedra sind von der Genehmigungsbehörde mit Schreiben vom 05.03.2018 hinsichtlich der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Absatz 1 BauGB am Verfahren beteiligt worden. Die Einbeziehung der Öffentlichkeit findet statt, wenn die Antragsunterlagen dafür vollständig sind. Es erfolgt eine behördliche Bekanntmachung in der Tagespresse und im Amtsblatt des Landesverwaltungsamtes. Darin werden die Auslegungsorte und –zeiten angegeben, zu denen die Antragsunterlagen eingesehen werden können. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine vierwöchige Auslegungszeit mit einer anschließenden weiteren vierwöchigen Einwendungsfrist. Über die Durchführung eines Erörterungstermins entscheidet die Genehmigungsbehörde nach Ablauf der Frist. Der genaue Zeitraum für die Einbeziehung der Öffentlichkeit ist noch nicht festgelegt.