Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3250 16.08.2018 (Ausgegeben am 16.08.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Christina Buchheim (DIE LINKE) Derivatgeschäfte des Abwasserverbandes Köthen und ihre Konsequenzen Kleine Anfrage - KA 7/1874 Vorbemerkung des Fragestellenden: Wie das MDR-Magazin „exakt“ am 4. Juli 2018 berichtete, hat der Abwasserverband Köthen Einbußen in Höhe von 11 Millionen Euro aus einem Derivatgeschäft zu verzeichnen . Diese Verluste will er zulasten der Gebührenzahler bis 2038 über eine erhöhte Abwassergebühr ausgleichen. Während der Landkreis Anhalt-Bitterfeld die missglückten Finanzspekulationen als Folge von kaufmännisch sorgfältigen Geschäften rechtfertigt und die Umlage der Verluste auf die Gebührenzahler billigt, bezeichnet der Landesrechnungshof diese Praxis als rechtswidrig. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Gehören missglückte Finanzspekulationen zu einer kaufmännisch sorgfältigen Geschäftsführung von öffentlichen Aufgabenträgern? Nein. Finanzspekulationen sind nicht mit einer kaufmännisch sorgfältigen Geschäftsführung in einer öffentlich-rechtlichen Verwaltung vereinbar, da sie aufgrund der Haushaltsgrundsätze und der sie präzisierenden Derivaterlasse des Ministeriums für Inneres und Sport für Kommunen und Zweckverbände nicht zulässig sind. 2. Welche Gründe rechtfertigen, das Derivatgeschäft als ein verbotenes Spekulationsgeschäft anzusehen? Aus den Verpflichtungen zur sorgfältigen Vermögensverwaltung und zur Beachtung ausreichender Sicherheiten bei Geldanlagen gemäß § 112 Abs. 2 Kommunalverfassungsgesetz (KVG LSA), zur dauerhaften Sicherstellung der ge- 2 meindlichen Aufgabenerfüllung gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA sowie zu sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung gemäß § 98 Abs. 2 KVG LSA ergibt sich für kommunale Körperschaften das Verbot, unkalkulierbare Risiken mit kommunalem Vermögen einzugehen (Spekulationsverbot). Insbesondere CMS-Memory-Swaps mit ihren komplexen Zinsformeln (Hebelfaktor und Memory-Effekt), wie sie auch der Abwasserverband Köthen abgeschlossen hatte, sind nicht geeignet, um sich gegen Zinsänderungsrisiken abzusichern , und besitzen einen spekulativen Charakter. 3. Welche Gründe rechtfertigen die Umlage des Verlustes in Höhe von 11 Millionen Euro als rechtswidrig anzusehen? Die Kosten einer Einrichtung (hier: technische Anlagen der Zweckverbände) sind gem. § 5 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KAG-LSA) nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln. Sie sind nur ansatzfähig, soweit sie dem Erforderlichkeits- sowie dem Kostendeckungsgrundsatz entsprechen und nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot verstoßen . Die Nutzer der Einrichtung dürfen folglich nur mit den Kosten belastet werden, die zur Erfüllung des öffentlichen Zwecks erforderlich waren. Grundlage für die Gebührenkalkulation sind nach § 5 Abs. 2 KAG-LSA die betriebswirtschaftlich ansatzfähigen Kosten. Diese Vorschrift knüpft an den sog. „wertmäßigen Kostenbegriff“ an. Danach sind Kosten „der durch die Leistungserbringung in einer Periode bedingte Werteverzehr an Gütern und Dienstleistungen .“ Nach dieser Definition sind Verluste aus Derivatgeschäften keine betriebswirtschaftlich ansatzfähigen Kosten. Sie stellen keinen Werteverzehr dar und erfüllen auch nicht das Merkmal der Sachbezogenheit. 4. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Beantwortung der Fragen 2 und 3 für die rechtliche Bewertung und das praktische Vorgehen der Landesregierung ? 5. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung gegenüber wem ergreifen? Die Fragen 4 und 5 werden zusammenhängend beantwortet. Bezogen auf den AV Köthen ist festzustellen, dass die Prüfung der Derivatgeschäfte des AV Köthen durch den Landesrechnungshof (LRH) wegen der Komplexität der Thematik noch nicht abgeschlossen werden konnte. 6. In der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage (Drs. 7/2568) wird ausgeführt, dass das Ergebnis der erneuten kommunalaufsichtlichen Prüfung im Hinblick auf den Derivatehandel des Abwasserverbandes Köthen und insbesondere den außergerichtlichen Vergleich des Abwasserverbandes mit der LBBW, noch nicht vorliegt. Gibt es diesbezüglich einen neuen Sachstand? Nein.