Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3259 20.08.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 20.08.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dr. Andreas Schmidt (SPD) Mögliche umwelt- und gesundheitsgefährdende Stoffe auf dem Gelände der ehemaligen ORGACID GmbH in Halle Kleine Anfrage - KA 7/1886 Vorbemerkung des Fragestellenden: An der heutigen Camillo-Irmscher-Straße in Halle Ammendorf befand sich von ca. 1930 bis 1945 der Firmensitz und das Werksgelände der ORGACID GmbH. Als zweitgrößter Fabrikstandort für die Produktion von Chemiewaffen während des Zweiten Weltkrieges wurde hier zwischen 1935 und 1945 Bis(2-chlorethyl)sulfid, sogenanntes Senfgas, produziert. Bis 1942 sollen bis zu 26.000 Tonnen Senfgas in Halle produziert worden sein. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Vorbemerkung der Landesregierung: Mit der Bundestags-Drucksache 13/2733 (Anlage 1) kann die überwiegende Zahl der Fragen als beantwortet angesehen werden. 1. Ist der Landesregierung die ehemalige Nutzung des Geländes an der Camillo-Irmscher-Straße bekannt? Die ehemalige Nutzung des Geländes ist der Landesregierung bekannt. 2 2. Befindet sich das Gelände der ehemaligen ORGACID GmbH im Besitz der öffentlichen Hand oder in Privatbesitz? Nach Kenntnis der Unteren Bodenschutzbehörde befindet sich das Gelände der ehemaligen ORGACID GmbH in Privatbesitz. 3. Ist der Landesregierung bekannt, welche chemischen (Kampf)Stoffe in der Anlage produziert wurden? Wenn ja, bitte einzeln aufschlüsseln. Es wird davon ausgegangen, dass der chemische Kampfstoff Lost in den bei Kriegsende vorgefundenen Modifikationen produziert wurde (siehe dazu die Bundestags-Drucksache 13/2733, Seite 5). 4. Liegen der Landesregierung Unterlagen über die ehemalige Bebauung /Nutzung der gesamten Werksanlage vor? Diesbezügliche Unterlagen liegen der Landesregierung nicht vor. 5. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie viele und welche baulichen Überreste der Produktionsanlagen heute noch auf dem Gelände vorhanden sind? Die Produktionsanlagen wurden nach Kriegsende demontiert bzw. gesprengt. Noch vorhanden sind die ehemaligen Kampfstoffbunker, die ebenso wie bauliche Überreste des Produktionsbereiches mit einer Erdabdeckung versehen wurden (siehe Antwort auf Frage 9). 6. Liegen der Landesregierung Einschätzungen/Gutachten zur Gefährlichkeit der dort produzierten Chemikalien/Kampfstoffe vor? Die Landesregierung hat keine diesbezüglichen Gutachten erstellen lassen. 7. Ist der Landesregierung bekannt, mit welchen Stoffen in welchen Mengen der Boden oder die baulichen Anlagen auf dem betreffenden Gelände kontaminiert ist? Entsprechend einem Gutachten von 1993 bestehen im Bereich des ehemaligen Orgacidgeländes keine Boden- oder Grundwasserbelastungen durch Kampfstoffe . Es ist nicht auszuschließen, dass in den Wänden der Bunker noch Kampfmittelspuren vorhanden sind (siehe dazu die Bundestags-Drucksache 13/2733, Seite 9). 8. Besteht aus Sicht der Landesregierung eine Gefahr für die Bevölkerung oder die natürliche Umwelt, etwa durch Ausgasung oder Ausspülung ins Grund- oder Oberflächenwasser? Aus Sicht der Landesregierung besteht keine Gefahr für die Bevölkerung und die Umwelt (Boden, Grundwasser, Luft). 3 9. Welche Maßnahmen wurden durch die Stadt Halle (Saale), die Landesbzw . Bundesregierung unternommen, um das Gelände zu sichern? Bitte Maßnahmen einzeln auflisten. Siehe dazu die Bundestags-Drucksache 13/2733, insbesondere Seiten 2-3, 18-19. Durch die Stadt Halle wurden folgende Untersuchungs- und Sicherungsmaßnahmen durchgeführt: Erstellung einer Gefährdungsabschätzung (hydrogeologisches Gutachten, Untersuchung der Bodenkontaminationen) Geophysikalische Untersuchungen zur Suche unterirdischer Bauwerke, Fundamente und anderer Anomalien Multitemporale Luftbildauswertung Gezielte Untersuchungen der Umgebungsluft Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugten Zutritt Sicherung der Kampfstoffbunker: Verschließung der Zisternenöffnungen mit Betonplatten Überdeckung der Bunker mit einer Erdschicht, anschließende Begrünung Ausstattung der Zisterne 6 mit einem Luftpegel Die Errichtung von Bauwerken auf dem gesicherten Bunkergelände wird nicht gestattet. Sicherung des Lostproduktionsbereiches: Die vorhandene Erdabdeckung aus den 1960-er Jahren ist zu erhalten. 10. Entsprechen die durchgeführten Maßnahmen dem heutigen Standard? Die durchgeführten Maßnahmen entsprechen dem heutigen Standard. 11. Erfolgen regelmäßige Überwachungen/Untersuchungen auf dem Gelände durch Behörden der Landes- bzw. der Bundesregierung? Wenn ja, welche - bitte einzeln auflisten. Auf dem Gelände erfolgen keine regelmäßigen Überwachungen/Untersuchungen . 12. Welche Ergebnisse erbrachten diese Überwachungen/Untersuchungen? Entfällt, siehe Antwort auf Frage 11. 13. Sind die Anwohner vor Ort über mögliche Gefährdungen durch Altlasten auf dem Gelände der ORGACID GmbH informiert und beraten worden? Ja. Eine Information erfolgte durch die Stadt Halle im 1. Umweltbericht 1993. Ein entsprechender Auszug aus dem Umweltbericht ist als Anlage 2 beigefügt. 14. Sind zukünftig Maßnahmen zur Sicherung des Geländes durch die Stadt Halle (Saale), die Landes- bzw. Bundesregierung geplant? Es sind keine Maßnahmen geplant. 4 15. Wenn ja, welche bzw. wann sind diese geplant? Entfällt, siehe Antwort auf Frage 14. 16. Ist mit einer Weiter-/Umnutzung des Geländes zu rechnen bzw. ist diese geplant? Eine Umnutzung des Geländes ist nicht geplant. 17. Wenn ja, unter welchen Umständen? Entfällt, siehe Antwort auf Frage 16. 18. Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort auf Frage 9. 19. Welche finanziellen Kosten entstanden dem Land Sachsen-Anhalt, der Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt (SUNK) bzw. der Bundesrepublik Deutschland bisher durch die Liegenschaft ? Siehe dazu die Bundestags-Drucksache 13/2733, Seite 2-3. Der Stadt Halle liegen hierzu keine Unterlagen mehr vor. Deutscher Bundestag 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 24. 10. 95 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Dr. Jürgen Rochlitz und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Drucksache 13/2348 — Dioxin-Kontaminationen durch die Vernichtung des flüssigen Kampfmittels „Schwefel-Lost" und arsenhaltiger Kampfstoffe und Rückstände in den ehemaligen Lagerstätten: Löcknitz in Mecklenburg-Vorpommern, Dessau in Sachsen-Anhalt, Munster in Niedersachsen, Lübbecke in Nordrhein-Westfalen, St. Georgen in Bayern und Halle-Ammendorf in Sachsen-Anhalt Im Zweiten Weltkrieg wurden bis 1945 in Deutschland rund 70 000 Tonnen der Kampfstoffe hergestellt. Über 50 Prozent der produzierten Kampfstoffe entfielen auf den flüssigen Kampfstoff „Schwefel-Lost (S - Lost) " sowie den arsenhaltigen Kampfstoff „Arsinöl" . Letzterer diente als Vorprodukt für die „Clark-Kampfstoffe" und gleichzeitig als Ver - schnittmittel für Schwefel-Lost zur Herstellung des sogenannten „Winterlost ". Schwefel-Lost und arsenhaltige Kampfstoffe zählen zu der Gruppe der Hautkampfstoffe, deren Aufnahme in den menschlichen Organismus nicht über die Atemwege, sondern über Hautkontakt erfolgt . Schwefel-Lost ist gut fettlöslich und dringt deshalb nach der Berührung innerhalb weniger Minuten in den Organismus ein. Nach wenigen Stunden treten erste schwere Hautentzündungen sowie Schädigungen der Lunge, des Nerven- und Herz-Kreislaufsystems auf, die meist zum Tode führen. Als Spätfolgen können Krebs und Veränderungen des Erbgutes sowie Leber-, Blut- und Nierenschäden auftreten. Alle nicht reversiblen Schädigungen können nicht therapiert werden und es bestehen nur symptomatische Behandlungsmöglichkeiten. Von den bis zum Kriegsende hergestellten 70 000 Tonnen Kampfstoffen wurden bis Kriegsende etwa 58 000 Tonnen in Bomben und Granaten verfüllt. 12 000 bis 14 000 Tonnen flüssige, chemische Kampfstoffe verblieben bei Kriegsende in sechs großen chemischen Munitionsanstalten und -lagern: — Löcknitz in Mecklenburg-Vorpommern, — Dessau in Sachsen-Anhalt, — Munster in Niedersachsen, — Lübbecke in Nordrhein-Westfalen, — St. Georgen in Bayern, — Halle-Ammendorf in Sachsen-Anhalt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 23. Oktober 1995 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich — in kleinerer Schriftype — den Fragetext. gartz Schreibmaschinentext Anlage 1 gartz Schreibmaschinentext gartz Schreibmaschinentext Drucksache 13/2733 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Die nach Kriegsende verbliebenen flüssigen Kampfstoffe wurden in Behältern und Vorratsbunkern, versehen mit mehreren Kampfstoffzellen , gelagert. Die einzelnen Kampfstoffzellen hatten eine durchschnittliche Kapazität von 500 Tonnen und verfügten über eine Spezialauskleidung zum Schutz des Betons gegenüber den aggressiven Chemikalien. Die Entleerung der Kampfstoffzellen wurde über ein Absaugrohr mittels Vakuum bewerkstelligt. Da die Zellen über keinerlei Ablauf oder Sumpf verfügten und die Absaugrohre 1 bis 3 cm über den Boden der Zellen installiert waren, konnten diese nicht vollkommen von den Kampfstoffen entleert werden. Man muß daher davon ausgehen, daß zwischen 80 und 150 Tonnen Kampfstoffe in den Bunkern verblieben. Die abgepumpten Kampfstoffe wurden durch alliierte Truppen gesichert und vernichtet. Die Vernichtung der flüssigen Kampfstoffe erfolgte durch eine Verbrennung mit Dieselöl oder Benzin und Chlorkalk in Wasser gelöst. Den in den Bunkerzellen verbleibenden Kampfstoffen wurde zur Neutralisation Chlorkalk zugesetzt. Dabei wurde keine oder nur eine unzureichende Durchmischung der Kampfstoffe vorgenommen, so daß davon auszugehen ist, daß die Zellen mit drei Schichten Ablagerungen besetzt sind: — die obere Schicht bestehend aus Wasser, — die mittlere Schicht bestehend aus Chlorkalk und Zersetzungsprodukten der Kampfstoffe und — die untere Schicht bestehend aus Kampfstoffen. Untersuchungen in Löcknitz (Mecklenburg-Vorpommern) im Jahr 1994 haben hohe Dioxin- und Arsenbelastungen des Bodens auf dem Gebiet des ehemaligen Munitionslagers nachgewiesen. Diese Dioxine stammen ursächlich aus der Verbrennung der flüssigen Kampfstoffe aus den Jahren 1945 bis 1947. Die chemischen Zusammenhänge der Dioxinentstehung sind bis heute nicht bekannt, sie werden jedoch auf die Vernichtung der flüssigen Kampfstoffe zurückgeführt. Die Haupthypothese stützt sich bei der Dioxinentstehung auf die Verwendung von Brand - (Dieselöl und Benzin) und Entgiftungsmitteln (Chlorkalk) bei der Vernichtung und Neutralisation der flüssigen Kampfstoffe. In vier der fünf Lager wurden Kampfstoffe durch gleichartige Verbrennungsmethoden unschädlich gemacht. Es ist daher davon auszugehen, daß auch in diesen Lagern (außer Halle-Ammendorf) erhebliche Dioxinund Arsenrückstände bestehen. Für diese Lager liegen jedoch nach unserer Kenntnis bis heute keine Dioxin- und Arsenmessungen und Bewertungen vor. Auch das BMFT-Forschungsvorhaben „Modellhafte Sanierung von Altlasten des kampfstoffkontaminierten Rüstungsaltlastenstandortes Löcknitz " gibt keinen Aufschluß darüber, wie mit Dioxinkontaminationen verfahren werden soll. Die Kampfstoffabrik in Halle-Ammendorf (Sachsen-Anhalt) hatte die größte Kapazität (26 000 Tonnen der 70 000 Tonnen wurden in Halle produziert) unter den deutschen Kampfstoffabriken. Nach Kriegsende waren hier rund 650 Tonnen flüssige Kampfstoffe verblieben. Ab 1945 wurde die Kampfstoffabrik von der Roten Armee entseucht und ein Großteil der Kampfstoffe vernichtet (verbrannt) und das Gebiet als gereinigt übergeben. Aufgrund der bereits erwähnten schlechten Konstruktion der Zellen blieben in sechs Zellen etwa 150 Tonnen Kampfstoffe zurück. 1952 wurden durch die damalige DDR rund 70 Tonnen Kampfmittel entfernt und nach Dessau zur Verbrennung verbracht. Nach Unterlagen aus dem Jahr 1959 wurde der betreffende Bunker angeblich „leer und besenrein" übergeben und das Gelände mit etwa drei Meter Erdreich aufgeschüttet und für 100 Jahre gesperrt. Anfang der 70er Jahre wurde das benachbarte Betriebsgelände mit Baracken bebaut. Im März 1990 wurde der Bunker wieder ausgegraben und festgestellt, daß etwa 80 Tonnen flüssige Kampfstoffe zurückgeblieben waren. Durch eine Spezialeinheit der Nationalen Volksarmee mußten erneut Entgiftungsarbeiten mit dem Ziel der Neutralisation der verbliebenen Kampfstoffe durchgeführt werden. 1990 wurde für Halle-Ammendorf vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Klaus Töpfer, ein . Projektvolumen von 4 Mio. DM zur Sofortmaßnahme und Erkundung von Kampfstoffaltlasten bewilligt und zusätzlich durch 2 Mio. DM Landesmittel ergänzt. Mit der Durchführung war der Magistrat von Halle beauftragt. Bis Ende 1993 wurden zwei Gutachten durch eine Tochtergesellschaft der MIBRAG, die auf dem betroffenen Gelände ihren Sitz hat, und ein Unternehmen aus Merseburg erstellt, die zu dem Schluß kamen, daß keine Kampfstoffe vor Ort liegen und somit vom ehemaligen Kampfstoff - lager keine Gefahren ausgehen. Im Rahmen der Gutachten wurden über 200 Bodenproben analysiert. Die technologischen Wege des Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 Kampfstoffes von der Synthese zum Lager und zur Weiterverarbeitung wurden nicht untersucht, da sie nicht lokalisiert wurden. Es gibt keine Aussagen zur Neutralisation der Kampfstoffrückstände, die sich jetzt noch in den Kampfstoffzellen befinden. Gleichfalls gibt es keine Aussagen darüber, was sich in der Auffangwanne unter den Kampfstoffzellen befindet. Dioxinuntersuchungen wurden nicht durchgeführt. Rund 2,5 Mio. DM aus dieser Sofortmaßnahme zur Erkundung von Kampf - stoffaltlasten wurden 1993 zurückgegeben. In Munster (Niedersachsen) steht wie in Halle ein baugleicher Lagerbunker . Bis heute ist nicht bekannt, was in diesem Lagerbunker enthalten ist, da der Eingang 1947 durch die Briten zugesprengt wurde. Der Bunker befindet sich etwa 300 Meter neben der derzeit bet riebenen Verbrennungsanlage. Die Erschließungsarbeiten für eine zweite noch näher gelegene Verbrennungsanlage sind bereits begonnen. Vier der ehemaligen Lagerstandorte befinden sich heute in einer Nutzung bzw. in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten: — Das ehemalige Lager Halle-Ammendorf befindet sich in der Nähe einer Plattenbausiedlung mit rund 50 000 Einwohnern. — In St. Georgen sind die Lagerzisternen und die direkt daneben befindlichen Verbrennungszisternen mit Gebäuden überbaut, die von der Firma Siemens genutzt werden. — Munster ist Truppenstandort und Übungsplatz sowie Standort für Verbrennungsanlagen von Rüstungsaltlasten. — In Dessau wurde das Grundstück von einem Stuttgarter Unternehmen erworben. Die Firma erschloß das Areal zur Nutzung als Gewerbepark . Direkt auf dem Gelände befindet sich der Kampfstoffhochbunker . Ende der 50er Jahre wurden hier die Kampfstoffreste aus den Lagerzellen eingemauert. Nach Schätzungen befinden sich etwa 150 bis 200 Tonnen Kampfstoffgemisch und deren Zersetzungsprodukte in dieser ungesicherten Deponie mit etwa 15 Tonnen organisch gebundenen Arsen im Bunker. Vorbemerkung Die Bundesregierung hat ihre grundsätzlichen Positionen zu Fragen der Gefährdung durch Rüstungsaltlasten und den verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten in ihren Antworten auf die Großen Anfragen — der Fraktion der SPD (Drucksache 11/4104) — der Fraktion DIE GRÜNEN (Drucksache 11/6972) und auf die Kleine Anfrage — der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 12/1625) dargelegt. Die Zuständigkeit für die Erfassung, Bewertung und Sanierung von Rüstungsaltlasten liegt nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung bei den Ländern. Die Umweltministerien der betroffenen Länder sind hinsichtlich der Angaben zu den einzelnen Standorten beteiligt worden. Die Antworten auf die vorliegende Kleine Anfrage geben den gegenwärtigen Erkenntnisstand sowie den Bearbeitungsstand in den Ländern wieder. i. Wieviel flüssige Kampfmittel (Schwefel-Lost und arsenhaltige Kampfmittel) lagerten 1945 in Deutschland und den sechs genannten Lagerstandorten? Zur Gesamtmenge der 1945 gelagerten Kampfstoffe liegen der Bundesregierung keine gesicherten Angaben vor. Drucksache 13/2733 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Die folgende Übersicht gibt jedoch die geschätzten Mengen der produzierten Kampfstoffe wieder: Chloracetophenon 7 100 t Clark I (enthalten As) 1 500 t Clark II (enthalten As) 100 t Adamsit (enthalten As) 3 900 t Arsin-Öl (enthalten As) 7 500 t Phosgen 5 900 t S-Lost 25 000 t N-Lost 2 000 t Tabun 12 000 t Löcknitz in Mecklenburg-Vorpommern Die Heeresmunitionsanstalt (HMA) Löcknitz fiel Ende April 1945 wahrscheinlich unversehrt und voll befüllt in die Hände der sowjetischen Armee. Insofern ist von einer Menge von über 3 000 m3 flüssiger Kampfstoffe auszugehen, die zu dieser Zeit in den sieben Kampfstoffzisternen und möglicherweise noch einigen befüllten Kesselwagen lagerten. Schriftliche Aufzeichnungen hierzu liegen nicht vor. Dessau in Sachsen-Anhalt Über die 1945 in Dessau-Kapen lagernden Kampfstoffmengen liegen keine genauen Angaben vor. Der Kampfstoffbunker bestand aus acht Zisternen mit je 600 m 3 Volumen, jedoch ist die Füllmenge bei Kriegsende nicht bekannt. Bekannt ist, daß 1945 226 italienische Transportbehälter mit Lost (Volumen je 1,3 m 3 ) sowie ein Zug mit Kesselwagen (vermutlich letzte Lieferung aus Orgacid Ammendorf) vorhanden waren. Munster in Niedersachsen Die Region um Munster war während des Ersten und Zweiten Weltkrieges ein wesentliches Zentrum der deutschen Kampfstofferprobung und -fertigung. Hier ist besonders die Heeresversuchsanstalt Raubkammer zu nennen, die sich auf dem Gelände des heutigen Truppenübungsplatzes Munster-Nord befand. Darüber hinaus wurde in weiteren Anlagen im benachbarten Bereich mit Kampfstoff umgegangen, so z. B. in der Munitionsanstalt (MUNA) Munster Oerrel. Im Rahmen der flächendeckenden Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten in Niedersachsen ist dieser Bereich weitgehend untersucht worden. Für den Truppenübungsplatz Munster-Nord und die MUNA Oerrel liegt eine umfassende historisch-deskriptive Untersuchung vor. Bei Kriegsende fanden die Alliierten in Raubkammer rd. 4 000 t noch nicht in Granaten verfüllten Kampfstoff vor. Davon waren 2 430 t flüssiges S-Lost und 390 t Arsin-Öl. Bei dem Rest handelte es sich im wesentlichen um Zäh-Lost und Adamsit. Von der MUNA Oerrel wurden 15 t flüssiger Kampfstoff zur Vernichtung nach Raubkammer gebracht. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 Lübbecke in Nordrhein-Westfalen Auf die Antwort zu Frage 23 wird verwiesen. St. Georgen in Bayern Nach den vorliegenden Unterlagen existierten im Jahr 1945 insgesamt sieben Zellen mit Schwefel-Lost (2,2'-Dichlordiethylsulfid) mit je ca. 1 000 m3 Fassungsvermögen. Es wird davon ausgegangen , daß die Zellen gefüllt waren. Sie waren mit einem Pumpensumpf ausgestattet. Halle-Ammendorf in Sachsen-Anhalt Im Orgacidgelände Halle-Ammendorf lagerten nach Angaben der Inspektoren der US-Armee am 9. Mai 1945 und bei der Übergabe des Werkes an die sowjetische Besatzungsmacht folgende flüssigen Kampfstoffe: 445 t Sommerlost (Anteil an Schwefel-Lost > 88 %) 174 t Winterlost (Gemisch aus Schwefel-, Propyl- und Sauerstoff - lost), 6 t Stickstofflost. Arsenhaltige Kampfmittel wurden im Orgacidwerk Ammendorf nicht produziert. 2. Wie sind diese Kampfmittel entsorgt worden, und gibt es Aufzeichnungen über die vernichteten Mengen? Nach Unterlagen des Bundesarchivs Koblenz wurden auf deutschem Hoheitsgebiet nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges bis 1948 die folgenden Mengen an Kampfstoffmunition und Kampfstoffen gefunden, vernichtet oder verwertet: in der amerikanischen Besatzungszone 93 995 t in der britischen Besatzungszone 122 508 t in der französischen Besatzungszone 9 100 t in der sowjetischen Besatzungszone 62 505 t insgesamt 288 108 t Diese Zahlen gestatten keine Aussage über die Mengen, die an Land unschädlich gemacht oder im Meer versenkt worden sind, da die Dokumentation über die Versenkung der Kampfstoffmunition Lücken aufweist. Erhebliche Mengen von Kampfstoffmunition wurden auf Veranlassung der britischen und amerikanischen Besatzungsbehörden auf beschlagnahmte deutsche Handelsschiffe geladen und mit diesen versenkt. Vorliegenden Akten zufolge wurden im Skaggerak 42 Schiffe und im europäischen Nordmeer ein Schiff mit insgesamt ca. 130 000 t Kampfstoffen und Kampfstoffmunition versenkt. Auf Veranlassung der französischen Besatzungsbehörden wurden im Skagerrak 1 500 t Kampfstoffmunition versenkt; andere Quellen geben sogar die dreifache Menge an. Die sowjetischen Besatzungsbehörden (SMAD) ließen in den Jahren 1947/48 rd. 35 000 t Kampfstoffmunition bei Bornholm und 2 000 t bei Gotland im Meer versenken. Drucksache 13/2733 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR sind größere Mengen Kampfstoffmunition in der ehemaligen Kampfstoffüllstelle Kapen bei Dessau vernichtet worden. Nach 1952 wurden noch Restmengen (ca. 200 bis 300 t) Kampfstoff - munition gefunden und östlich sowie südwestlich von Bornholm versenkt. 1964 wurden 462 Tabun-Granaten aus dem Hafen Wolgast geborgen, in Blöcke einzementiert und im europäischen Nordmeer auf 64° 42' N 01° 36' W in 3 100 m Tiefe versenkt. Nach russischen Angaben enthalten die bei Bornholm und im Gotland-Becken versenkten Munitionskörper 3 761 t arsenhaltige Kampfstoffe und 7 635 t S-Lost. Löcknitz in Mecklenburg-Vorpommern Schriftliche Aufzeichnungen über die 1945 in Löcknitz gelagerten Kampfstoffe und deren Vernichtung liegen nicht vor. Es wird davon ausgegangen, daß die Hauptmengen der Kampfstoffe von den sowjetischen Streitkräften vernichtet wurden. Dies erfolgte vermutlich durch Zusammentragen der Kampfstoffe in Gruben, Zugabe von Chlorkalk und anschließende Verbrennung. Funde von Holzkohleresten im Gelände deuten darauf hin. Ob flüssige Kampfstoffe von den sowjetischen Streitkräften auch abtransportiert wurden, ist nicht bekannt. Von deutscher Seite wurden später, in der Zeit von 1952 bis 1954, durch Spezialfirmen vorgefundene Restmengen von einem Kesselwagen sowie Fässern und anderen Behältnissen nach den damals gängigen Methoden behandelt: In eine ausgehobene Grube wurde der Kampfstoff schichtweise mit Chlorkalk eingelagert und abgedeckt. Dies geht aus Aktennotizen aus dem Jahre 1952 hervor. Diese Ablagerungsart läßt sich anhand von Geländefunden mit den oben dargestellten Schichtungen im Boden nachvollziehen. Munster in Niedersachsen In Munster wurden die flüssigen Kampfstoffe S-Lost und Arsin-Ö1 im Verhältnis 7 : 1, später im Verhältnis 6 : 4 S-Lost/Arsin-Öl in eine Stahlwanne gegeben, mit Chlorkalk bedeckt und, z. T. unter Zugabe von Benzin, offen verbrannt. Der Verbleib von Zäh-Lost und Adamsit ist unklar. Diese festen Kampfstoffe sollen, soweit sie nicht der Seeverklappung zugeführt wurden, vergraben worden sein. Lübbecke in Nordrhein-Westfalen Auf die Antwort zu Frage 23 wird verwiesen. St. Georgen in Bayern Der Inhalt der sieben Kampfstoffzellen wurde verbrannt. Der Verbrennungsofen befand sich in unmittelbarer Nähe der in Reihe angeordneten Zellen. Nach Abschluß der Verbrennungsarbeiten wurde das kontaminierte Erdreich im Umgriff des Verbrennungsofens Anfang des Jahres 1949 abgetragen, in einem eigens dafür ausgehobenen Graben entsorgt und mit einer kompakten Erdabdeckung versehen. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 Nach einem Bericht der amerikanischen Militärregierung vom 7. Januar 1949 wurden ca. 7 400 t Kampfstoffe durch Verbrennung vernichtet. In Granaten abgefüllte Kampfstoffe wurden nach Italien und überwiegend nach Norddeutschland abtransportiert und ins Meer — vornehmlich in die Ostsee — versenkt. Dessau-Kapen und Halle-Ammendorf in Sachsen-Anhalt Über die Vernichtung der Kampfstoffe in Dessau-Kapen und Halle-Ammendorf liegen keine gesicherten Aufzeichnungen vor. Angaben von Augenzeugen sind Grundlage der nachstehenden Einschätzung: In Dessau-Kapen gelagerte Kampfstoffe vernichteten die sowjetischen Truppen zwischen 1945 bis 1947 durch Verkippung in die Ostsee, durch Verbrennung im vorhandenen Heizhaus (ca. 1 500 t reines Lost), sowie offene Verbrennung, Vergrabung und Versickerung. Ab 1952 erfolgte die Verbrennung in der speziell dafür gebauten Verbrennungsanlage (Möglichkeit der Verbrennung von 1 000 bis 1 500 1/h eines Lost-Spiritus-Gemisches; Verhältnis Lost : Spiritus 1 : 2,5 bzw. 1 : 2). Später wurde ein auf Braunkohlebasis hergestelltes Heizöl zugesetzt. Von 1952 bis 1956 wurde in Kapen Kampfstoff aus allen Teilen der damaligen DDR verbrannt, z. B. — aus Ammendorf: Schwefel-Lost, Stickstoff-Lost — aus Wolgast: Kampfstoffe, die bei Verladearbeiten in den Hafen gefallen waren — aus dem Steinbruch Schöna bei Delitzsch: Granaten, Bomben, Flaschen — aus Berlin-Adlershof und Berlin-Lichtenberg: Granatengräber (Lostgranaten) aus dem Ersten Weltkrieg — aus Berga (Bergwerksschacht): Arsenkampfstoffe Darüber hinaus erfolgte eine Neutralisation durch Zusatz von Chlorkalk, Bunakalk und Wasser. Dieses breiige Gemisch wurde verrührt, bis die Analyse einen Zustand der Dekontamination ergab. Der arsenreiche Rückstand (ca. 160 m 3) wurde in einen Keller verbracht. Von 226 italienischen Lostbehältern wurden 142 Stück auf diese Weise dekontaminiert. Mit Lostresten kontaminiertes Erdreich aus der ehemaligen Neutralisationsanlage , das in einem Schutzbunker eingelagert war, wurde 1982 geräumt. Es ist nicht bekannt, wohin diese kontaminierte Erde kam. In Halle-Ammendorf erfolgte in den Jahren 1945/46 die Abfüllung großer Mengen von Winter-, Sommer- und Stickstofflost in Behälter . Etwa 558 t wurden im Plastwerk Ammendorf im betrieblichen Kohlekraftwerk sowie im Chemiewerk Dessau-Kapen verbrannt . In den Jahren 1953/54 erfolgte der Abtransport der restlichen Kampfstoffe (etwa 67 t) sowie kampfstoffangereicherten Wassers in das Chemiewerk Dessau-Kapen, wo die Kampfstoffe verbrannt Drucksache 13/2733 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode wurden. Die Neutralisation des Bodens und die Entgiftungsarbeiten waren 1958 abgeschlossen. 1990 erfolgte die Neutralisation von ca. 600 m3 Kampfstoffspuren enthaltendem Sickerwasser durch die damalige Nationale Volksarmee mittels Kalziumhypochlorit . 3. Welche Mengen flüssige Kampfmittel wurden, wann, an welchen Standorten — durch Verbrennung vernichtet, — durch Zusatz von Chlorkalk neutralisiert oder — durch andere Weise vernichtet oder — abtransportiert? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Welche Mengen flüssiger Kampfmittel blieben in den Zellen der Lagerbunker zurück? In den Zellen der Lagerbunker in Munster blieben nach Erkenntnissen der Bundeswehr keine Kampfstoffe zurück. Die leergepumpten Lagerbunker wurden durch Einfüllen von Wasser, Zufügen von Chlor (Kalk) in jede Zelle sowie Nachfüllen weiteren Wassers nach zwei Tagen Reaktionszeit dekontaminiert. Es ist in Anbetracht des Mengenverhältnisses (Restkampfstoff nach dem Abpumpen/Chlorkalk und Wasser) davon auszugehen, daß kein Kampfstoff zurückblieb. Untersuchungen durch das Wehrwissenschaftliche Institut für Schutztechnologien — ABC- Schutz — in Munster (WIS) (1993/94) ergaben keinen Nachweis von Kampfstoffen in der Innenluft. Untersuchungen über die im Bunker verbliebenen Reststoffe wurden nicht durchgeführt, da die Zellen selbst nicht zugänglich sind. Es sollten sich im wesentlichen Hydrolyse- und Chlorierungsprodukte von Lost finden lassen. Für den Standort Löcknitz sind keine Mengen bekannt. Aktennotizen der deutschen Bergungsfirmen (ab 1952) belegen lediglich, daß am Boden der Kampfstoff-Zisternen eine Kampfstoff - Schlammschicht sowie auf dem Gelände ein befüllter Kesselwagen mit 7501 S-Lost vorgefunden wurde. Über die verbliebenen Restmengen an Kampfstoffen in den Zellen der Lagerbunker in Dessau-Kapen gibt es keine Mengenangaben. Es kann davon ausgegangen werden, daß diese relativ geringfügig waren. Der Kampfstoffbunker wurde von den sowjetischen Truppen gesprengt. Derzeit existieren noch Reste von zwei Zisternen , die jedoch durch eine Betonabdeckung verschlossen sind. Nach derzeitigem Kenntnisstand befindet sich in einer Zisterne, die zwischenzeitlich zur Lagerung des für die Kampfstoffverbrennung verwendeten Heizöls genutzt wurde, noch ein Rest des Heizöls mit Rückständen von Lost. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 In den Zellen der Lagerbunker in Halle-Ammendorf befinden sich gemäß den vorliegenden Gutachten nach Abtransport und natürlichen chemischen Abspaltungsprozessen in die Bestandteile SO 3 , CO2 , HCl und H20 keine flüssigen Kampfstoffe. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß Kampfmittelspuren in den Bunkerwänden vorhanden sind. 5. Wurden alle zurückgebliebenen Mengen mit Chlorkalk durchmischt ? Welche Erkenntnisse bestehen über Neutralisation der verbliebenen Reststoffe? Ist gewährleistet, daß die gesamten Restkampfstoffe neutralisiert sind? Die am Standort Löcknitz vorgefundenen Restmengen wurden von deutschen Firmen nach Dessau-Kapen zur Neutralisation gebracht. Aufzeichnungen über Mengenangaben gibt es nicht. Ob alle Reste erfaßt werden konnten, ist nicht bekannt. Für den Standort Munster wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen . Schriftliche Aufzeichnungen über die Restkampfstoffe am Standort Dessau-Kapen liegen nicht vor. Es wird jedoch vermutet, daß auch die Restkampfstoffe auf dem Gelände Dessau-Kapen durch Vermischen mit Chlorkalk entgiftet worden sind. Das bei der Öffnung der Lagerbunker in Halle-Ammendorf im März 1990 festgestellte mit Kampfstoffen angereicherte Sickerwasser (Kampfstoffspuren) wurde durch eine Spezialeinheit der ehemaligen Nationalen Volksarmee neutralisiert und in das kommunale Abwassersystem „entsorgt". Entsprechend einem 1993 fertiggestellten Gutachten bestehen im Bereich des ehemaligen Orgacidgeländes keine Boden- und Grundwasserbelastungen durch Kampfstoffe. 6. Wie will die Bundesregierung ihrer Verantwortung bezüglich der Sanierung der Altlasten in den ehemaligen Lagerstandorten nachkommen , da die Kommunen und Ländern offensichtlich überfordert sind? Die Bundesregierung vertritt hierzu folgende Auffassung: Für die Beseitigung aller Altlasten einschließlich der aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges stammenden Rüstungsaltlasten sind die Länder zuständig (Artikel 30, 83, 104 a Abs. 1 des Grundgesetzes). Nach derzeitiger Praxis werden Verdachtsflächen von den zuständigen Landesbehörden erfaßt; diese veranlassen eine Erstbewertung . Sofern eine detaillierte Gefährdungsabschätzung Handlungsbedarf ergibt, werden ein Sanierungskonzept entwickelt und die Finanzierungsmöglichkeiten geprüft. Es gilt das Verursacherprinzip . Wenn ein Verursacher nicht feststellbar ist oder nicht haftbar gemacht werden kann, wird geprüft, ob der Bund im Rahmen der mit den Ländern bestehenden Staatspraxis zur Finanzierung verpflichtet ist. Drucksache 13/2733 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Nach der Staatspraxis, die bei Neufassung des Artikels 120 des Grundgesetzes in den Jahren 1965 und 1969 als fortgeltende Kostenverteilungsregelung zwischen Bund und Ländern zugrunde gelegt worden ist, finanziert der Bund a) im Rahmen seiner Zustandsverantwortlichkeit alle erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen, die von Altlasten auf bundeseigenen — auch den von den ausländischen Streitkräften zurückgegebenen — Liegenschaften ausgehen, und b) im Rahmen seiner Verpflichtungen nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes im Beitrittsgebiet nach der darauf beruhenden Staats- und Verwaltungspraxis, Sicherungsmaßnahmen auf nicht bundeseigenen Liegenschaften, soweit die Gefahren von ehemals reichseigenen Kampfmitteln (Munition, Kampfstoff und -gerät) verursacht bzw. mitverursacht worden sind und ein Handlungs- oder Zustandsstörer nicht haftbar gemacht werden kann. 7. Welche vorbeugenden Maßnahmen wurden seitens der Bundesregierung ergriffen, damit eine Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt durch Kampfmittelreste sowie durch Kontaminationen der Kampfmittelvernichtung ausgeschlossen werden können? Die Bundesregierung widmet der Altlastenproblematik hohe Aufmerksamkeit und hat in enger Zusammenarbeit mit den Ländern umfangreiche Anstrengungen zur Problemlösung unternommen. Zu erwähnen sind dabei nicht nur die sehr hohen Aufwendungen des Bundes zur Gefahrenbeseitigung auf bundeseigenen Liegenschaften , sondern auch die Erstattungszahlungen an die Länder nach der Staatspraxis für nicht bundeseigene Liegenschaften. Hinzu kommen Aufwendungen in Höhe von weit über 200 Mio. DM für den Bau einer zweiten Verbrennungsanlage zur Beseitigung von Kampfstoffen und damit kontaminierten Materialien . Löcknitz (Mecklenburg-Vorpommern) 8. Warum wurden nur in Löcknitz und nicht an den anderen fünf ehemaligen Lagerstandorten Dioxin- und Arsenmessungen durchgeführt ? Im Rahmen der Untersuchungen auf dem Standort Löcknitz wurden in Bodenproben z. T. erhebliche Dioxin- und Arsenbelastungen festgestellt. Daraufhin wurden gezielt Bodenproben auf Dioxine und Arsen hin untersucht. Zum Truppenübungsplatz Munster-Nord wurden Dioxinanalysen durch den TÜV Hannover durchgeführt. Weitere Dioxinuntersuchungen sind derzeit nicht geplant, da relevante Konzentrationen nur an einer bekannten Verbrennungsstelle gefunden wurden. Auf dem Gelände der ehemaligen MUNA St. Georgen war auf - grund der in den Antworten zu den Fragen 1 und 2 dargestellten Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 umfangreichen Räumungs- und Sicherungsmaßnahmen eine Untersuchung auf Dioxine/Furane nicht veranlaßt. Im November 1993 wurden in Brunnen auf dem ehemaligen Gelände des Standorts St. Georgen sowie in weiteren Brunnen im Umfeld Messungen auf Arsen im Grundwasser durchgeführt. Arsen konnte nicht nachgewiesen werden. Auf dem Standort Dessau-Kapen sind Arsenuntersuchungen im Boden und Grundwasser im Umfeld der Kontaminationsschwerpunkte durchgeführt worden. Hinweise auf eine Dioxinbildung als mögliche Folge der Entgiftung chemischer Kampfstoffe sind erst seit 1994 bekannt. Im Ergebnis einer Vorortberatung am 22. September 1994 zwischen Eigentümer und zuständigen Behörden waren Dioxinanalysen im Rahmen der weiteren Untersuchungen als erforderlich erachtet worden. Von Dioxin- und Arsenmessungen in Halle-Ammendorf wurde Abstand genommen, da — die Entsorgung der Kampfstoffe durch Verbrennung außerhalb des Orgacidgeländes erfolgte und das Verbrennen im betriebseigenen Kohlekraftwerk des Plastwerkes Ammendorf und nicht mit Diesel/Benzin erfolgte und — der in Ammendorf hergestellte Kampfstoff nicht arsenhaltig war und von einer Neutralisation dieser flüssigen Kampfstoffe mit Chlorkalk nichts bekannt ist. 9. Welche einzelnen Dioxin-Konzentrationen wurden an verschiedenen Meßpunkten in Löcknitz bei den Untersuchungen gemessen? Welche Meßergebnisse wurden durch die Bundeswehr nachuntersucht ? Als Spitzenwert wurden auf einer hochkontaminierten Fläche (am verlandeten Regowsee) an PCDD (polychlorierte Dibenzo- Dioxine) und PCDF (polychlorierte Dibenzo-Furane), umgerechnet auf toxische Äquivalente (nach BGA), 85 800 ng/kg TE ermittelt . Weitere Belastungsschwerpunkte liegen bei 30 100 ng/kg TE bzw. 18 200 ng/kg TE. Nachdem die Untersuchung der ersten Probe bei der Wehrwissenschaftlichen Dienststelle in Munster erste Anhaltspunkte auf PCDD geliefert hatte, wurden ein Speziallabor mit der Dioxinanalyse beauftragt und der o. g. Spitzenwert ermittelt. Weitere festgestellte Dioxinwerte liegen bei 455 ng/kg TE im Abschnitt II der Heeresmunitionsanstalt (HMA) und 13,1 ng/kg TE auf einer Fläche am Regowsee. Die Angaben stellen die jeweiligen Maximalwerte dar. Die Belastungen sind nicht flächenhaft, sondern sehr punktuell. 10. Wo wurden vergleichbare Dioxin-Konzentrationen schon einmal in Deutschland oder Europa gemessen? Vergleichbare Dioxin-Konzentrationen wurden in der Bundesrepublik Deutschland auf folgenden Standorten gemessen: Drucksache 13/2733 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode - Kupferhütte Ilsenburg/Sachsen-Anhalt, — Bitterfeld/Sachsen-Anhalt, — Rheinfelden/Baden-Württemberg, — Rastatt/Baden-Württemberg. Der Bundesregierung liegen keine vergleichbaren Werte von im Boden gemessenen Dioxin-Konzentrationen in Europa vor. 11. Welche Arsenwerte wurden an den verschiedenen Meßpunkten in Löcknitz. gefunden? Als Spitzenwert wurden 287 300 mg/kg Boden auf der bereits genannten Fläche am Regowsee ermittelt. Des weiteren 223 820 mg/ kg, 100 000 mg/kg, 3 100 mg/kg sowie vereinzelt zwischen 788 und 5,9 mg/kg. Diese Angaben sind jeweils Maximalwerte. Auch hier handelt es sich um punktuelle Belastungen. 12. Welche Bewertung wurde aus den Ergebnissen der Messung hinsichtlich der Altlastensanierung gezogen? Die Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung der Rüstungsaltlast HMA Löcknitz laufen derzeit; sie befinden sich in der Phase der Detailerkundung. Das insgesamt am Standort Löcknitz vorgefundene Schadstoffspektrum (speziell Dioxine/Furane) und die Tatsache, daß bundesweit noch nicht ausreichende Erkenntnisse über das Umweltverhalten der Schadstoffe und somit den Umgang mit einem solchen kampfstoffkontaminierten Standort vorliegen, haben gezeigt, daß hier erheblicher Forschungsbedarf besteht. Aus diesem Grund wurde ergänzend zu den ingenieurtechnischen Arbeiten am Standort das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Modellhafte Sanierung von Altlasten am Beispiel des kampfstoffkontaminierten Rüstungsaltlastenstandortes Löcknitz/MV" vom Land Mecklenburg-Vorpommern und der Bundesregierung initiiert. Auf der Grundlage der Ergebnisse aus den ingenieurtechnischen Untersuchungen und den begleitenden Forschungsarbeiten soll eine wissenschaftlich fundierte Sanierungskonzeption erarbeitet werden, die auf andere Standorte übertragbar ist. 13. Warum werden in dem BMFT-Projekt zur Altlastensanierung in Löcknitz keine Aussagen zur Dioxinproblematik gemacht? Es trifft nicht zu, daß im BMBF-Projekt Löcknitz keine Aussagen zur Dioxinproblematik gemacht werden. Das Arbeitspaket 110/2 ( „Randbedingungen bei der Kampfstoff - vernichtung " ) behandelt im Gegenteil gerade diese Fragestel - lung. Hierbei geht es darum, zu recherchieren, ob die analysierten Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 Dioxine und Furane im Zuge der Kampfstoffvernichtung bei Löcknitz entstanden sind (Verbrennung und Entgiftung bzw. Umsetzung mit Entgiftungsmitteln). Speziell ist die Frage zu klären, ob chlorierende Entgiftungsmittel allein zur Bildung von Dioxinen ausreichen oder zusätzlich Verbrennungsprozesse notwendig sind. Des weiteren sollen allgemeingültige Aussagen abgeleitet werden, die auch bei der Untersuchung anderer kampfstoffkontaminierter Standorte Anwendung finden können. 14. In welchem Umfang werden im Rahmen des BMFT-Projekts zur modellhaften Sanierung dioxinkontaminierte Böden saniert? Durch das BMBF werden im Rahmen der Fördermaßnahme „Modellhafte Sanierung von Altlastenstandorten" derzeit zwölf FuE- Vorhaben gefördert. Von diesen beinhalten folgende beide Vorhaben die Reinigung dioxinkontaminierter Böden/Materialien: — „Modellhafte Sanierung von Altlasten am Beispiel des ehemaligen Industriestandortes Berlin, Haynauer Str. 58", — „Modellhafte Sanierung eines dioxin- und schwermetallhaltigen Altstandortes am Beispiel der Kupferhütte Ilsenburg, Land Sachsen-Anhalt". Darüber hinaus werden Vorhaben zum mikrobiologischen Dioxinabbau gefördert. 15. Wie sieht der Stand der aktuellen Sanierung in Löcknitz aus, und wie sind Kampfstoffmittelreste gesichert? Am Standort Löcknitz werden derzeit die Detailerkundungen zur Gefährdungsabschätzung durchgeführt. Hinsichtlich der Sicherung der Kampfmittelreste ist festzustellen: Das gesamte Gelände der ehemaligen Munitionsanstalt (Abschnitte I und II) ist eingezäunt und mit entsprechenden Hinweisschildern versehen. Kontaminierte Flächen außerhalb sind ebenfalls durch Umzäunung, Abdeckung (gegen Auswaschung durch Niederschläge) und die entsprechenden Hinweisschilder gesichert. Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. Dessau (Sachsen-Anhalt) 16. Wie sieht der aktuelle Stand der Sanierung in Dessau aus, und wie sind die Kampfmittelreste gesichert? Der Nordteil des Geländes ist erschlossen und wird teilweise bereits nachgenutzt. Die Bereiche des ehemaligen Kampfstoffbunkers und der Arsenschlammdeponie sind aus der Nutzung ausgenommen und einer Detailuntersuchung zu unterziehen. Die Drucksache 13/2733 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Durchführung dieser Maßnahme steht noch aus, da die Finanzierung durch den Eigentümer bzw. im Rahmen der Altlastenfreistellung noch nicht geklärt ist. Der Arsenschlamm und mögliche Kampfmittelreste können in den sie umschließenden Bauwerken nur als vorläufig gesichert betrachtet werden. Sie stellen bei einem möglichen Aussickern insbesondere eine Gefahr für das Grundwasser dar. 17. Welche Maßnahmen sind für die Erfassung der Umwelt- und Bodenbelastungen mit Dioxinen und Arsen in Dessau vorgesehen? Im Rahmen der vorzunehmenden Detailuntersuchungen ist vorgesehen , die Bodenkontaminationen durch Arsen genauer zu ermitteln sowie zusätzliche Pegel zur Abstromkontrolle des Grundwassers zu errichten. Weiterhin sollen zunächst am Standort des Verbrennungsofens und an Versickerungsstellen Dioxinuntersuchungen erfolgen. 18. Wie wird in der Zwischenzeit eine mögliche Gefährdung der im entstehenden Gewerbepark Beschäftigten ausgeschlossen. Dem Eigentümer sind alle Eventualgefahrenmomente auf der Liegenschaft hinreichend bekannt. Bei den Erd- und Erschließungsarbeiten sind die Sicherheitsbelange in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden ordnungsgemäß berücksichtigt worden. Dennoch sind die konzipierten Detailuntersuchungen im Rahmen der weiteren Gefahrenabwehr unbedingt notwendig. Vorerst sind keine weiteren Erdarbeiten für Neuerschließungen vorgesehen. 19. Warum wurde in Dessau nicht bereits vorrangig mit Dioxin- und Arsenuntersuchungen aufgrund der alarmierenden Werte aus Löcknitz und der konkreten Nutzung der Gelände in Dessau und damit möglicherweise verbundener Gesundheitsgefährdung der näher gelegenen Bevölkerung begonnen? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Munster (Niedersachsen) 20. Wie sieht der aktuelle Stand der Sanierung in Munster aus, und wie sind die Kampfstoffmittelreste gesichert? Das im Rahmen des niedersächsischen Rüstungsaltlastenprogramms erstellte Gutachten zum Truppenübungsplatz Munster - Nord zählt 38 Teilflächen auf, auf denen der konkrete Verdacht von Kampfstoffvergrabungen und -kontaminationen besteht. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 Zur Entsorgung der belasteten Flächen wird das Bundesministerium der Verteidigung gemeinsam mit dem Land Niedersachsen, das für die Erfassung, Bewertung und Sanierung von Altlasten zuständig ist (Artikel 30, 104 a GG), nach Vorliegen der vom Niedersächsischen Umweltministerium in Auftrag gegebenen Gefährdungsabschätzung ein Konzept für die Gesamtsanierung des Truppenübungsplatzes Munster-Nord entwickeln. Von dieser Gesamtsanierung ist die Räumung von Fundmunition zu unterscheiden. Diese beseitigt die Bundeswehr (Truppenübungsplatzkommandantur Munster) seit der Übernahme des Platzes im Jahr 1956 auf den Übungsflächen, um mögliche Schäden für Leib und Leben der Bundeswehr-Angehörigen auszuschließen . Seit 1990 wird die Bundeswehr bei der Kampfmittel - beseitigung durch ein Unternehmen unterstützt. Seitdem wurden rd. 920 ha geräumt; rd. 1 080 ha sind noch abzusuchen. Vorhandene Kampfmittelreste werden unter Bewachung in der Kampfmittelbeseitigungsanlage in speziellen Lagerhallen bis zur Entsorgung durch Verbrennung zwischengelagert. 21. Welche Maßnahmen sind für die Erfassung der Umwelt- und Bodenbelastungen mit Dioxinen und Arsen in Munster vorgesehen? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. 22. Wie schätzt die Bundesregierung die akuten und potentiellen Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung und auf dem Gelände Bechäftigten durch die verbliebenen Kampfstoffreste und möglichen Dioxin- und Arsenbelastungen ein? Wie wird in der Zwischenzeit eine mögliche Gefährdung der am Truppenstandort Beschäftigten ausgeschlossen? Im Bereich des Truppenübungsplatzes Munster-Nord wurde 1990 die pharmakologisch-toxikologische Bewertung über ein etwaiges gesundheitliches Gefährdungspotential durchgeführt und im Jahr 1994 aktualisiert. Auf der Grundlage einer engmaschigen Probenahme wurden alle Bereiche, deren Arsengehalte den Bodenwert für Spiel- und Bolzplätze überschreiten, gesperrt. Bedienstete der Truppenübungsplatzkommandantur und des Kampfmittelräumdienstes werden regelmäßig einer speziellen Vorsorgeuntersuchung unterzogen. Aufgrund der langjährig erhobenen Daten ist eine gute Abschätzung möglich. Es waren keine durch die Tätigkeit auf dem Truppenübungsplatz bedingten erhöhten Arsenexpositionen bei Bundeswehr-Angehörigen festzustellen. Unter Zugrundelegung dieser Erfahrungen darf aus pharmakologisch-toxikologischer Sicht davon ausgegangen werden , daß die Exposition von Bundeswehr-Angehörigen bei Anwendung der Kriterien der Bodengehalte keine Gefährdung für die Gesundheit mit sich bringt. Drucksache 13/2733 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode In einem vom Land Niedersachsen eingeholten Gutachten zum Truppenübungsplatz Munster-Nord wurden in Grundwassermeßstellen lokale Arsenkonzentrationen bis zu 10,8 mg/1 ausgewiesen . Davon möglicherweise ausgehende Gefährdungen werden geprüft. Bisherige Kontrollen der Abwässer sind unauffällig. Eine von der örtlichen Forstverwaltung durchgeführte Wildtieruntersuchung zeigt keine Normabweichung. Vor diesem Hintergrund ist auch eine gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung durch Arsen im Umfeld des Geländes nicht anzunehmen. Mit Ausnahme der in Frage 8 erwähnten Verbrennungsstelle gibt es keine Anhaltspunkte für weitere Flächen mit Dioxinbelastungen auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord. Lübbecke (Nordrhein-Westfalen) 23. Wie sieht der aktuelle Stand der Sanierung in Lübbecke aus, und wie sind die Kampfstoffmittelreste gesichert? Die MUNA Lübbecke-Espelkamp wurde in zwei Abschnitten errichtet . Zuerst entstand der nördliche Teil mit den Betriebsbereichen „Lagerung", „Instandsetzung/Montage" und „Verwaltung/ Versorgung" . In diesem Teil wurden die in anderen MUNA oder der Industrie produzierten Kampfmittel (Munition) gelagert, instand gesetzt oder für den militärischen Gebrauch dahin gehend feldverwendungsfähig gemacht, daß z. B. die Zerlegeladungen aus Explosivstoff und die Zündeinrichtungen eingebaut wurden. Laborarbeiten mit flüssigem oder verflüssigtem chemischen Kampfstoff fanden nicht statt. Mit zeitlichem Verzug wurde der südliche Teil der MUNA Lübbecke-Espelkamp errichtet. In ihm entstand eine Abfüllanlage für flüssigen chemischen Kampfstoff. Mit der Anlage sollte Tabun in Kampfmittel (Munition) abgefüllt werden. Die vorgesehene Anlieferung des chemischen Kampfstoffes Tabun per Eisenbahn aus den Produktionsstätten ist jedoch nicht mehr erfolgt. Somit wurde — nie flüssiger oder verflüssigter chemischer Kampfstoff zum Zwecke der Abfüllung angeliefert, — die Abfüllanlage nie befüllt und in Bet rieb genommen, — nie solcher Lagerbestand durch die deutsche MUNA-Besatzung oder die Besatzungstruppen der Siegermächte abgepumpt , verbracht, verbrannt oder chemisch vernichtet. Der im nördlichen Bereich der MUNA gelagerte „Spitzenkampfstoff " Tabun wurde noch vor Kriegsende durch deutsche Truppen per Eisenbahn aus der MUNA Lübbecke-Espelkamp abgezogen, auf Seeschiffe verladen und in die Ostsee versenkt. Die sonstigen im nördlichen Bereich der MUNA Lübbecke-Espel - kamp gelagerten Kampfmittel (Munition), einschließlich der Kampfmittel mit chemischem Kampfstoff, wie zum Beispiel Lost, Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 wurden durch die Besatzungstruppen per Eisenbahn aus der MUNA abgezogen, auf Seeschiffe verladen und in der Nordsee versenkt. Mengenangaben sind nicht bekannt. 24. Welche Maßnahmen sind für die Erfassung der Umwelt- und Bodenbelastungen mit Dioxinen und Arsen in Lübbecke vorgesehen ? Auf die Antwort zu Frage 23 wird verwiesen. Es sind keine derartigen Maßnahmen vorgesehen. St. Georgen (Bayern) 25. Wie sieht der aktuelle Stand der Sanierung in St. Georgen aus, und wie sind die Kampfstoffmittelreste gesichert? In den Wintermonaten 1975/76 und 1976/77 wurden die an drei Stellen innerhalb des Betriebsgeländes der Firma Siemens entdeckten Lostkampfstoffreste, die offensichtlich aus den seinerzeitigen Vernichtungsmaßnahmen stammten, geborgen. Die Entsorgung dieser Überreste erfolgte auf dem Gelände des Sprengkommandos Ingolstadt des Kampfmittelbeseitigungsdienstes. Im Jahr 1985 erfolgte eine Untersuchung des Sportplatzes, der über einer ehemaligen Kiesgrube errichtet wurde. Diese Kiesgrube war im Rahmen der o. g. Vernichtungsmaßnahmen mit sämtlichen Metallrückständen und zum Teil kontaminierten Bauschuttmaterialien der MUNA St. Georgen verfüllt worden. Durch diese Konzentration der Schadstoffe konnte eine flächenhafte Verunreinigung des Gesamtgeländes vermieden werden. Bei den Bohrungen wurde die gesamte Auffüllung von durchschnittlichen 5 m, maximal 6,5 m durchteuft und der anstehende Untergrund bis auf eine Tiefe von 8 bis 11 m erfaßt. Eine semiquantitative Untersuchung in vier Tiefenabschnitten erbrachte mit zunehmender Tiefe höhere Wirkstoffmengen. Ergebnis: Die nachweisbaren Wirkstoffe lagen im absoluten Spurenbereich und somit nur wenig über der Nachweisgrenze von 1 bis 2 ng/kg Trockenmasse. Ein Lageplan über das Gelände der MUNA St. Georgen vom 1. Juli 1949 mit Eintrag — der Kiesgrube mit kontaminiertem Abraum, — des Lagerplatzes verunreinigter Fässer und Bomben und — gesprengter Bunker liegt vor. Den vorstehend genannten Untersuchungsmaßnahmen von 1975 bis 1977 sowie 1985 ist dieser Lageplan zugrunde gelegt. 26. Welche Maßnahmen sind für die Erfassung der Umwelt- und Bodenbelastungen mit Dioxinen und Arsen in St. Georgen vorgesehen ? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Drucksache 13/2733 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode 27. Wie schätzt die Bundesregierung die akuten und potentiellen Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung und auf dem Gelände Beschäftigten durch die verbliebenen Kampfstoffreste und möglichen Dioxin- und Arsenbelastungen ein? Wie wird in der Zwischenzeit eine mögliche Gefährdung der in dem überbauten Gelände Beschäftigten ausgeschlossen? Für den Standort St. Georgen wird derzeit in staatlichem Auftrag eine historische Erkundung durchgeführt. Die bisherigen Ergebnisse geben keinen Anlaß für die Einleitung von Sofortmaßnahmen . 28. Liegen der Bundesregierung Unterlagen (US-Dokumente, Lagepläne und Fotos) des Kampfstofflagers St. Georgen vor, und wurden diese hinsichtlich der Untersuchung und Sanierung des Geländes eingesehen und bewertet? Der Bundesregierung liegen Unterlagen über das Kampfstofflager St. Georgen vor. Eine Bewertung erfolgte bisher seitens der Bundesregierung nicht. Auf die Zuständigkeit des Landes in der Sache wird verwiesen. Halle-Ammendorf (Sachsen-Anhalt) 29. Wie sieht der aktuelle Stand der Sanierung in Halle-Ammendorf aus, und wie sind die Kampfmittelreste gesichert? Entsprechend den Festlegungen der zuständigen Behörden werden gegenwärtig im Bereich des Kampfstoffbunkers — die Öffnungen der Zisternen verschlossen, — eine Zisterne mit einer Probenahmevorrichtung zur gefahrlosen Entnahme von Luftproben ausgestattet und — der gesamte Bunkerkomplex mit einer 1 m starken Erdschicht mit eingelagertem Geotextil und anschließender Begrünung bedeckt. Die Erdarbeiten werden voraussichtlich im Dezember 1995 beendet . Im Bereich der Lostproduktion gelten die Arbeiten als abgeschlossen . Das Gelände ist abgedeckt und umzäunt. Durch die im Bereich des Kampfstoffbunkers eingeleiteten Maßnahmen werden mögliche, in die Bunkerwände eindiffundierte Kampfstoffreste sicher isoliert und damit Gefahren ausgeschlossen . 30. Welche Maßnahmen sind für die Erfassung der Umwelt- und Bodenbelastungen mit Dioxinen in Halle-Ammendorf vorgesehen? Gegenwärtig sind keine derartigen Maßnahmen vorgesehen. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode Drucksache 13/2733 31. Wie schätzt die Bundesregierung die akukten und potentiellen Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung und auf dem Gelände Beschäftigten durch die verbliebenen Kampfstoffreste und möglichen Dioxinbelastungen ein? Es wird eingeschätzt, daß von den verbliebenen Kampfstoffresten auf dem ehemaligen Orgacidgelände Halle-Ammendorf für die Bevölkerung weder auf direktem Wege noch über die Kontaminationspfade Grundwasser oder Luft Gesundheitsgefahren ausgehen . Das Gelände der Lostproduktion und des Kampfstoffbunkers ist für eine Nutzung gesperrt, so daß es keine ständig dort Beschäftigten gibt. 32. Warum wurde in Halle nicht bereits vorrangig mit Dioxinuntersuchungen aufgrund der alarmierenden Werte aus Löcknitz und der konkreten Nutzung der Gelände in Halle und damit möglicherweise verbundener Gesundheitsgefährdung der näher gelegenen Bevölkerung begonnen? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Text zum Orgacidgelände Ammendorf aus dem 1. Umweltbericht der Stadt Halle (Saale) Im Auftrag des Umweltamtes sind verschiedene Standorte untersucht bzw. deren Untersuchung begonnen worden, um die davon ausgehenden Gefahren ermitteln und eventuell abwehren zu können. Dazu gehörte auch eine Gefahrenbeurteilung für die ehemalige Kampfstoffabrik Orgacid GmbH in Halle-Ammendorf (abgeschlossene Untersuchung). Auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse aus obigen Untersuchungen war es notwendig, zur Gefahrenabwehr bestimmte Sicherungsmaßnahmen einzuleiten: Auf dem Gelände der ehemaligen Kampfstofffabrik Orgacid GmbH in Halle-Ammendorf wurden die Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugten Zutritt fertig gestellt. In Teilbereichen des Geländes erfolgten geophysikalische Untersuchungen zur Suche unterirdischer Bauwerke, Fundamente und anderer Anomalien. Bei gezielten Untersuchungen der Umgebungsluft auf dem Ogacidgelände konnte kein Lost bzw. deren Ausgangsverbindungen nachgewiesen und damit keine Gefahr für die menschliche Gesundheit der Anlieger festgestellt werden. Es wurde die ehemalige Fabrik durch multitemporale Luftbildauswertung aufgeklärt und authentisches Kartenmaterial geschaffen, damit die notwendigen Bodenuntersuchungen auf Kontaminationen durch Lost und andere Schadstoffe gezielt vorangetrieben und in Auftrag gegeben werden konnten. Ein hydrogeologisches Gutachten für das Orgacidgelände und die weitere Umgebung sowie ein Gutachten zur Untersuchung des Bodenkontaminationen wurden erstellt. Die Auswertung aller Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der chemischen Kampfstoffe für das ehemalige Orgacid-Gelände in Halle-Ammendorf ergibt folgende Gefährdungseinschätzung: Aktive Kampfstoffe wurden weder im Boden- noch in Wasserproben gefunden. Dieses Ergebnis befindet sich in Übereinstimmung mit den chemisch-physikalischen Verhalten von Lost. - Für das Messergebnis eines Bohrpunktes ist jedoch anzunehmen, dass in einzelnen Gebäudefundamenten noch geringe Mengen Kampfstoffe konserviert sein könnten. - In der Zisterne 6 des ehemaligen Kampfstofflagers (Bunker) wurde Schwefellost in geringen Konzentrationen nahe der Nachweisgrenze des Messgerätes (rd. 200 µg/m3) nachgewiesen. Es wird davon ausgegangen, dass dieser Befund von aus der Zisternenwand herausdiffundiertem Lost stammt. - Die Untersuchung der in den 60er Jahren aufgebrachten Erdabdeckungen auf dem Gelände hat gezeigt, dass eine Wanderung der im Untergrund vorgefundenen Schadstoffe nach oben nicht erfolgt ist. Aus den Ergebnissen wird gefolgert, dass von dem ehemaligen Orgacidgelände eine Gefährdung durch chemische Kampfstoffe für das Grundwasser und die Luft auszuschließen ist. Die einzige wirklich erkennbare Gefährdungsmöglichkeit wird bei Grabungsarbeiten für die damit beschäftigten Personen durch direkten Kontakt mit freigelegten kontaminierten Gebäuderesten gesehen. Für freiliegende, der Witterung ausgesetzte Bauteile und Gebäudereste ist diese Gefährdung nicht gegeben. Daraus leiten sich die folgenden Maßnahmen ab: Kampfstoffbunker Die Öffnungen der Zisternen werden mit Betonplatten verschlossen. Anschließend ist der gesamte Bunkerkomplex mit einer Erdschicht von ca. 2 m zu bedecken und zu begrünen. Die Zisterne 6 wird zusätzlich mit einer Probenamevorrichtung (Luftpegel) ausgestattet, die eine gefahrlose Entnahme von Luftproben gewährleistet. gartz Schreibmaschinentext Anlage 2 Durch den Verschluss der Zisternen wird sichergestellt, dass noch in den Wänden eventuell vorhandenes und herausdiffundierendes Lost durch die gesättigte Wasserdampfatmosphäre der geschlossenen Zisterne und durch die Bodenfeuchte des aufgebrachten Materials hydrolytisch zerstört und somit unwirksam ist. Die Errichtung von Bauwerken auf dem gesicherten Bunkergelände ist nicht zu gestatten. Lostproduktionsbereich Auf dem übrigen Gelände des Lost-Produktionsbereiches (B-Anlage) ist die vorhandene Abdeckung aus den 60er Jahren und später von ca. 2-3 m über der ehemaligen GOK ausreichend. Sie ist zu erhalten und ggf. zu vervollständigen. Die für den Chemie- und Industriestandort Ammendorf typischen Belastungen durch Schadstoffe aus Betrieben dieses Gebietes im Boden und Grundwasser müssen durch die Eigentümer des Orgacidgeländes im Detail abgeklärt werden. Wenn sich Sanierungsbedarf herausstellt, wird später der dafür Verantwortliche festgelegt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Gelände nicht von den anderen Industriestandorten. d3259_Anlage.pdf NEU_Anlage 1 Bundestags-Drucksache 13-2733.pdf NEU_Anlage 2-Auszug Umweltbericht