Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3393 21.09.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 24.09.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Kerstin Eisenreich (DIE LINKE) Abgeordneter Wulf Gallert (DIE LINKE) Rückzahlung von Hochwasserhilfen Kleine Anfrage - KA 7/1944 Vorbemerkung des Fragestellenden: Laut Medienberichten gab es in den letzten Wochen und Monaten mehrere Fälle bei denen vom Hochwasser betroffene private Haushalte, die ihnen gezahlte Hochwasserhilfe an die Investitionsbank zurückzahlen sollten. In der entsprechenden Richtlinie zur Unterstützung vom Hochwasser betroffener privater Haushalte und Wohnungsunternehmen (Richtlinie Hochwasserschäden Sachsen-Anhalt 2013, Abschnitt 2, Teil C) konnten pauschalierte Schadensausgleiche ohne geeignete Nachweise nur auf der Basis der Versicherung der Richtigkeit der Angaben durch den Antragsteller beantragt bzw. ausgezahlt werden. In den Medien wurde nun in Einzelfällen berichtet, dass diese Versicherung der Richtigkeit nicht ausreichen würde und den Antragstellern der pauschalierte Schadensausgleich widerrufen wurde. Angesichts der politischen Zusicherung unbürokratischer Hilfen und der gleichzeitigen Fülle von Antragsformularen, Richtlinien und Hilfsprogrammen, mit denen sich Flutbetroffene in ihrer Notsituation auseinandersetzen mussten, entstanden offenbar Unklarheiten hinsichtlich der Nachweis- und Verwendungsnachweispflichten in einzelnen Förderprogrammen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Vorbemerkung der Landesregierung: 2 Grundsätzlich gilt, dass die Aufbauhilfe ihrem Charakter nach ein Schadensersatzprogramm und kein Entschädigungsprogramm darstellte. Das bedeutet, dass das Land aufgrund der außergewöhnlichen Situation und der besonderen Schwere der Notlage Steuergelder eingesetzt hat, um die Geschädigten - auch die Nichtversicherten - zu unterstützen. Dementsprechend ist es aus unserer Sicht legitim, dass die öffentliche Hand zum einen im Interesse der Steuerzahler von den Mittelempfängern einen Nachweis über die Verwendung der ausgereichten Steuermittel einfordert. Zum anderen sollen die Mittelempfänger nicht besser gestellt werden als jene Geschädigten , die über lange Zeiträume hinweg aus eigenen Mitteln Versicherungsbeiträge bezahlt haben. Die Regelung „Ohne geeignete Nachweise nur auf der Basis der Versicherung der Richtigkeit der Angaben durch einen Antragsteller nach Nummer 1 Satz 2 kann ein pauschalierter Schadensausgleich erfolgen“ gemäß Ziffer 3.2 der Richtlinie, bezieht sich nur auf Hausratschäden. Hintergrund war, dass im Sinne einer schnellen und unbürokratischen Hilfe die Betroffenen den ihnen entstandenen Schaden selbst einschätzen konnten, woraufhin die Bewilligung/Auszahlung der Zuwendung erfolgte. Es war also im Vorfeld nicht erforderlich und wie sonst beim Einsatz öffentlicher Mittel üblich, ein Schadensgutachten oder einzelne Angebote einzuholen. Das bedeutet jedoch nicht, dass im Zuge der Abrechnung keine Belege vorliegen müssen, was auch in jedem Zuwendungsbescheid niedergeschrieben ist und in der Richtlinie unter Ziffer 6.3 festgelegt wird: „6.3 Nachweis der Verwendung Der Zuwendungsempfänger hat der Bewilligungsbehörde binnen drei Monaten nach Abschluss der Maßnahme die zweckentsprechende Verwendung der Fördermittel nachzuweisen. Der Verwendungsnachweis ist formgebunden und wird von der Bewilligungsbehörde bereitgestellt.“ Ergänzend ist zu erwähnen, dass bei Zuwendungen unter 50.000 Euro lediglich ein einfacher Verwendungsnachweis (ohne Belege und Zahlungsnachweise) vorzulegen ist. Dennoch ist der Verwendungsnachweis durch beim Antragsteller vorhandene Belege zu führen. Dies ist notwendig, um den ordnungsgemäßen, zweckentsprechenden und richtlinienkonformen Einsatz der öffentlichen Mittel nachzuweisen. 1. Wie vielen Antragsteller*innen und in welcher Höhe wurden pauschalierte Schadensausgleiche nach der oben genannten Richtlinie genehmigt? 108 Antragsteller*innen erhielten pauschalierte Schadensausgleiche in Höhe von insgesamt 653.500 Euro. 2. Wie vielen Antragsteller*innen wurden Zuschüsse für die Reparatur und Wiederbeschaffung von Hausratsgegenständen in nicht pauschalierter Form und in welcher Gesamthöhe genehmigt? 1.076 Antragsteller*innen wurden die besagten Zuschüsse in Höhe von insgesamt 5.002.383,05 Euro genehmigt. 3 3. Wie vielen Antragstellern wurden Zuschüsse für die Instandsetzung von Wohngebäuden nach Nr. 3.1 der Richtlinie genehmigt und in welcher Gesamthöhe ? 2.693 Antragsteller*innen wurden Zuschüsse für die Instandsetzung von Wohngebäuden nach Nr. 3.1 der Richtlinie in Höhe von insgesamt 57.962.353,16 Euro genehmigt. 4. Wie vielen Antragstellern wurden die Zuwendungen nach 1. bis 3. widerrufen oder teilweise widerrufen und aus welchen Gründen? Im Rahmen der Aufbauhilfe Hochwasser 2013 für Wohneigentum gab es bis zum Stichtag 30.06.2018 210 Vollwiderrufe und 709 Teilwiderrufe. Eine Aufteilung entsprechend der unter den Fragen 1 bis 3 genannten Zuwendungen ist nicht möglich. 5. Wie hat die Investitionsbank eine umfassende individuelle Beratung der Antragsteller*innen sichergestellt? Neben vielfältigen und umfangreichen Beratungsleistungen (Vor-Ort-Termine in den Hochwasserregionen, im Förderberatungszentrum, während der Beratersprechtage : IB regional - Wir für Sie vor Ort sowie via Hotline) hat die IB breit und umfassend zum Thema Hochwasser informiert. Unternehmen, Privatpersonen, Sportvereine und Kommunen wurden so zeitnah wie möglich unterrichtet. Mit vielen Zusatzinformationen über die Medien wurde Transparenz geschaffen. Allein im Jahr 2013 wurden mehr als 60 Medienanfragen beantwortet - in Form von zahlreichen Interviews in TV und Radio sowie von öffentlichen Presseterminen mit Betroffenen und Helfern. Um die Antragsflut zu bewältigen und zudem dem umfänglichen Beratungsbedarf gerecht zu werden, wurden zusätzliche personelle Ressourcen für die Bearbeitung der Hochwasserprogramme mobilisiert. 6. In welcher Form hat die Investitionsbank dem Umstand Rechnung getragen , dass die meisten Antragsteller*innen Privatpersonen waren, die erstmals mit dem Fördergeschäft in Kontakt kamen und teilweise in besonderer Form durch die Folgen der Flut und des Wiederaufbaus belastet waren? Der IB als Förderbank sind neben der Verständlichkeit der Förderprogramme auch deren korrekte Umsetzung sehr wichtig. Beratung und Service haben in der IB einen hohen Stellenwert. Im Zuge der Umsetzung der Hochwasserprogramme gaben die Mitarbeiter der IB unzählige telefonische, persönliche und schriftliche Hinweise zum Vorgehen. Die IB erinnert, wenn Fristen nicht eingehalten werden - auch mehrmals. Die kostenfreie Hotline stand - gerade in der ersten Zeit nach der Flut - allen Betroffenen für Verständnisfragen mit zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung, auch an den Wochenenden. Zudem konnten die IB-Berater in den Vor-Ort-Terminen den Betroffenen ihre Ängste nehmen und Mut zusprechen. 4 Darüber hinaus gab es dauerhaft enge Kontakte und einen ständigen Austausch mit den Hilfsorganisationen, die mit ihren Mitarbeitern rund um die Uhr in den betroffenen Gebieten im Einsatz waren. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen wurden von der IB zum Ablauf des Fördervorhabens regelmäßig geschult . So konnten diese neben der psychischen Betreuung der Betroffenen auch Hilfestellung bei der Antragstellung und beim Zusammenstellen der Unterlagen leisten. Oft wurden diese Anträge direkt zwischen der IB und den Hilfsorganisationen abgestimmt. So konnten die Hilfsorganisationen die Betroffenen unmittelbar über das weitere Vorgehen informieren. Nicht zuletzt konnten das Land Sachsen-Anhalt und die IB sehr schnell und unbürokratisch mit vereinfachten und verkürzten Förderverfahren den Folgen der Flut entgegentreten. Die IB wirkte hierbei aktiv in der Stabsstelle Hochwasser des Landes mit. 7. Wie häufig, an welchen Orten und mit welchem zeitlichen Umfang war die Investitionsbank bei Vor-Ort-Beratungen zur Antragstellung in den Hochwassergebieten vertreten? Wie viele Flutbetroffene gab es in diesen Gebieten? Wie viele Antragsteller*innen gab es in diesen Gebieten? Ab dem 5. August 2013 gab es Vor-Ort-Termine in den betroffenen Regionen. Die Organisation erfolgte in enger Abstimmung mit den Kommunen. In mehr als 43 Vor-Ort-Terminen fanden 2.180 Beratungen (im Zeitraum 2013/2014) statt. Beraten wurde in den folgenden Orten: LK Stendal: Stendal, Fischbeck, Tangerhütte, Havelberg, Schönhausen, Kamern, Klietz / Seehausen, Weißewarte Salzlandkreis: Barby, Groß Rosenburg, Lödderitz, Breitenhagen LK Anhalt-Bitterfeld: Osternienburger Land / Wulfen, Raguhn-Jeßnitz, Bitterfeld-Wolfen Burgenlandkreis: Zeitz, Weißenfels, Elsteraue LK Wittenberg: Zahna-Elster LK Börde: Loitsche Halle (Saale) Dessau-Roßlau Magdeburg Erfasste Förderanträge Aufbauhilfe Hochwasser 2013 für Wohnungen (Stand: 30.06.2018) und Gartenlauben, Wochenend- und Ferienhäuser unterteilt nach Regionen: 5 Aufbauhilfe Hochwasser 2013 für Wohneigentum Anträge Aufbauhilfe Hochwasser 2013 für Gartenlauben , Wochenend - und Ferienhäuser Anträge Altmarkkreis Salzwedel 0 Altmarkkreis Salzwedel ≤ 3 Anhalt-Bitterfeld 644 Anhalt-Bitterfeld 299 Börde 39 Börde 12 Burgenlandkreis 208 Burgenlandkreis 183 Dessau-Roßlau, Stadt 41 Dessau-Roßlau, Stadt 89 Halle (Saale), Stadt 217 Halle (Saale), Stadt 136 Harz ≤ 3 Harz 0 Jerichower Land 74 Jerichower Land 9 Magdeburg, Landeshauptstadt 470 Magdeburg, Landeshauptstadt 198 Mansfeld-Südharz 19 Mansfeld-Südharz ≤ 3 Saalekreis 108 Saalekreis 54 Salzlandkreis 1.266 Salzlandkreis 280 Stendal 866 Stendal 184 Wittenberg 344 Wittenberg 55 gesamt 4.297 1.501 Es gab demzufolge 5.798 Förderanträge in den genannten Gebieten. Insbesondere im Landkreis Stendal und im Salzlandkreis fanden die Vor-Ort- Termine mehrfach statt. Der Beratungszeitraum der Vor-Ort-Termine war individuell vereinbart und i.d.R. von 8 bis 19 Uhr. Sofern der Bedarf an Beratungsleistungen bei einem Vor-Ort-Termin höher war, wurde der ursprünglich angesetzte Beratungszeitraum vor Ort auch verlängert. Auch hier agierten die Förderberater agil und kundenfreundlich. Zur Anzahl der Flutbetroffenen in den Gebieten liegt der IB keine Statistik vor. Es gibt lediglich einen programmbezogenen Überblick über eingereichte Förderanträge . 8. Wie häufig, an welchen Orten und mit welchem zeitlichen Umfang war die Investitionsbank bei Vor-Ort-Beratungen zur Führung des Verwendungsnachweises in den Hochwassergebieten vertreten (ab Beginn des Jahres 2014)? Mit den Beratungen zur Antragsstellung wurden zugleich Informationen zum erforderlichen Verwendungsnachweis gegeben (siehe vorhergehende Antworten ). 9. Welche Möglichkeit gibt es derzeit, um Härtefälle zu klären? Bei den Rückforderungen in Form von Widerrufen bzw. Teilwiderrufen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Ansprüche/Forderungen des Landes Sachsen- Anhalt. Bevor eine Abgabe der Vorgänge an den für das Forderungsmanagement zuständigen Bereich der IB erfolgt, werden die Antragsteller nochmals an 6 die Zahlung des geltend gemachten Erstattungsbetrages zzgl. etwaiger Kosten und Nebenleistungen erinnert. Bereits hier melden sich viele Antragsteller und bitten um ratenweise Rückzahlung bzw. erklären, dass sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen bzw. persönlichen Verhältnisse nicht in der Lage sind, Zahlungen zu leisten. Sofern dann geeignete Nachweise erbracht werden, die den vorgetragenen Sachverhalt belegen, werden Maßnahmen nach §§ 58, 59 LHO (Vergleich, Stundung, Niederschlagung, Erlass) wohlwollend geprüft. Bei der Prüfung und Entscheidung werden die produktspezifischen Umstände (Hochwasserhilfen) angemessen berücksichtigt, soweit die Antragsteller bzw. Betroffenen auf die Aufforderungen der IB reagieren und glaubhaft darstellen, dass die Zahlungen nur in Raten bzw. nicht erbracht werden können. Bei Antragstellern, die hingegen weder auf die Rückforderung, noch auf die Zahlungserinnerung und die darauffolgende förmliche Mahnung reagieren, wird davon ausgegangen, dass diese zahlungsunwillig sind. Sobald die Vollstreckungsvoraussetzungen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vorliegen, erfolgt in diesen Fällen die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung der Ansprüche. Diese Vorgehensweise wird auch insofern als sachgerecht angesehen, dass die Antragsteller, die nicht reagieren, nicht jenen Antragstellern gleichgestellt werden sollen, die zwar nicht zahlen können, dies aber versucht haben und / oder der IB glaubhaft darstellen, die Leistungen vorübergehend bzw. dauerhaft nicht erbringen zu können. Ratenzahlungsanträge bzw. Regulierungsvorschläge können jederzeit, auch nach bereits eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, gestellt werden und finden dann grundsätzlich noch Berücksichtigung.