Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3433 28.09.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 28.09.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Spiel des 1. FC Magdeburg gegen den FC Sankt Pauli am 5. August 2018 - Teil 1 Kleine Anfrage - KA 7/1934 Vorbemerkung des Fragestellenden: Am 5. August 2018 kam es in Magdeburg zu der Begegnung zwischen dem heimischen 1. FC Magdeburg und dem FC Sankt Pauli im Rahmen eines Pflichtspiels der 2. Bundeliga. Auch diesmal wurde der Gästebus über Nebenstraßen zum Stadion geleitet und musste abseits vom Gästeparkplatz parken. Mit dem Bus anreisende Gästefans wurden anfänglich daran gehindert, zum Gästeparkplatz und Eingang zu gehen. Gästefans, welche mit der Bahn über den Hauptbahnhof abreisten, berichteten , dass sie massiv in ihrer Bewegungsfreiheit durch die Polizei eingeschränkt wurden . Die abreisenden Gästefans wurden 1,5 Stunden bei voller Sonneneinstrahlung in einem Kessel gehalten. Betroffene Gästefans konnten sich nur über Fanladenmitarbeiter versorgen und durften nicht zur Toilette. Auch diesmal wurde das Spiel von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Laut Augenzeugen waren mehr Wasserwerfer eingesetzt, als bei jedem 3.-Liga-Spiel zuvor. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Landesregierung: Die von der Anfragestellerin erbetenen Angaben zur Bundespolizei liegen der Landesregierung nicht vor. 2 1. Warum wurden die Gästebusse nicht auf dem direkten Weg zum Stadion geleitet? Grundsätzlich steht es jedem Verkehrsteilnehmer frei, sich auf einem von ihm gewählten Weg zur Spielstätte zu bewegen. Die Polizei bietet eine Begleitung für Gäste an, es besteht keine Verpflichtung, die Begleitung in Anspruch zu nehmen. Es wird jedoch darauf verwiesen, dass bei selbst gewählten Routen zur Spielstätte die Wahrscheinlichkeit von Überschneidungen mit den Reisewegen anderer Fans größer ist. Das Verhältnis zwischen Teilen der Anhängerschaft des 1. FC Magdeburg und des FC St. Pauli wurde als feindschaftlich bewertet. Aus diesem Grund wurde bei der Begleitung der Gästebusse eine Route gewählt, die eine strikte Fantrennung gewährleistet und auf der eine störungsfreie Anreise ermöglicht wurde. Zudem wurde durch die gewählte Route die an Spieltagen des 1. FC Magdeburg ausgelastete Verkehrslage in Magdeburg gemieden. 2. Gab es am Gästeparkplatz Vorkontrollen? Durch wen wurden die Vorkontrollen durch Ordner am Gästeparkplatz beauftragt? Waren die Vorkontrollen durch Ordner am Gästeparkplatz Auflage der Polizei bzw. Teil der Sicherheitsabsprachen? Durch den Veranstalter wurden Vorkontrollen am Gästeparkplatz veranlasst. Die eingesetzten Ordner wurden vom Veranstalter beauftragt. Durch die Polizei wurden keine entsprechenden Auflagen für Kontrollen gemacht. Die Vorkontrollen waren Bestandteil der Sicherheitsabsprachen. 3. Warum wurde dieses stark kritisierte Sicherheitskonzept im Gästebereich angewendet? Gab es Alternativen? Die Erstellung des Sicherheitskonzepts und dessen Umsetzung liegt in der Verantwortung des Veranstalters. 4. Wie vielen Fans des FC Sankt Pauli wurde der Zugang für welchen Zeitraum zum Stadion verwehrt? Was war der Grund und die rechtliche Grundlage? Einsatzkräfte der Polizei verwehrten keinem Fan des FC St. Pauli den Zutritt zum Stadion. 5. Warum wurden keine Shuttle-Busse eingesetzt? Die Erbringung von Verkehrsleistungen für Besucher von kommerziellen Veranstaltungen ist nicht Aufgabe der Landespolizei. 3 6. Auf welcher Grundlage wurden Gästefans in ihrer freien Bewegung eingeschränkt ? Auf welcher Grundlage wurde der Kauf von Essen und Getränken , insbesondere Wasser, sowie der Gang zur Toilette verwehrt? Die Einrichtung temporärer Sperrmaßnahmen bzw. die Untersagung zum Betreten einzelner Bereiche durch Einzelpersonen oder Personengruppierungen erfolgte zur Gewährleistung der Fantrennung und der damit einhergehenden Verhinderung eines gewaltsamen Aufeinandertreffens verfeindeter Fangruppierungen . Rechtliche Grundlage hierfür ist das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA). Die Landespolizei Sachsen-Anhalt hat Teile der Gästefans aufgrund der besonderen Situation auf dem Neustädter Bahnhof mit Wasserflaschen aus dem Bestand der Polizei versorgt und hat Gästefans dort, wo die Möglichkeit bestanden hat, auch den Erwerb von Getränken ermöglicht. 7. Welche Empfehlungen wurden in der Sicherheitsberatung vonseiten der Sicherheits- und Katastrophenschutzbehörden in Bezug auf die Vorbeugung von hitzebedingten Erkrankungen gegeben? Wurden dabei die Empfehlungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe beachtet? Bestanden die Sicherheitsbehörden auf die Mitnahme von maximal 0,2 Liter Flüssigkeit (Wasser)? Im Rahmen der Sicherheitsberatung wurden aufgrund der bereits seit Wochen anhaltenden Hitzewelle keine Empfehlungen im Hinblick auf hitzebedingte Erkrankungen gegeben. 8. Welche Empfehlungen geben die Landesbehörden in Bezug auf die Vermeidung von hitzebedingten Erkrankungen bei Großveranstaltungen? Die vom Ministerium für Inneres und Sport und vom Landesverwaltungsamt herausgegebene Handreichung „Sicherheitskonzepte für Großveranstaltungen - Leitfaden für die kommunale Praxis“ enthält in ihrer Anlage 4 eine Checkliste für die Gefährdungsbeurteilung im Vorfeld einer Großveranstaltung. Als Kriterien für die Gefahrneigung einer Veranstaltung, der durch ein von der jeweiligen Kommune zu erarbeitendes Konzept entgegengewirkt werden soll, werden hier unter anderem auch mögliche witterungsbedingte Störungen und Unwetter wie zum Beispiel Sturm, Hagel, Starkregen, Gewitter, Glätte, Kälte und Hitze aufgeführt . 9. Wie wird die Mitnahme von Wasser in anderen Stadien der 1. und 2. Bundesliga sowie in der Dritten Liga allgemein und bei hohen Temperaturen gehandhabt? Der Landesregierung liegen keine Angaben vor, wie die Mitnahme von Wasser in anderen Stadien gehandhabt wird. Die Landesregierung verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Verantwortung und die Zuständigkeit der Veranstalter zur Regelung der Mitnahme von Wasser in die Spielstätten. 4 10. Wie viele Bedienstete der Landespolizei Sachsen-Anhalts, der Polizei anderer Bundesländer und der Bundespolizei wurden bei diesem Spiel (inklusive Anreisewege) eingesetzt? Bitte aufschlüsseln nach Einsatzort, eingesetzten Beamten und Tarifbeschäftigten, Einsatzstunden und Dienststellen . Die angefragten Daten sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Der Einsatzort der eingesetzten Bediensteten waren die Stadt Magdeburg und das unmittelbare Umland. 11. Wie viele Beamte waren aus welchen Bundesländern in Zivil im Einsatz? Wie viele waren davon szenekundige Beamte? Aus dem Bundesland Sachsen-Anhalt wurden insgesamt 55 Polizeivollzugsbeamte in Zivilbekleidung eingesetzt. Von diesen waren zwölf als szenekundige Beamte tätig. Aus dem Bundesland Hamburg wurden drei szenekundige Beamte in Zivilbekleidung eingesetzt. 12. Welche technischen Großgeräte (Helikopter, Räumpanzer, Wasserwerfer etc.) unterstützten welche Einsatzkräfte mit welcher Dauer rund um dieses Spiel? Bei dem Einsatz der Polizei standen als technische Großgeräte sechs Wasserwerfer und ein Polizeihubschrauber zur Verfügung. Die Wasserwerfer wurden dem Einsatzabschnitt Raumschutz zugewiesen. Dienststelle Anzahl eingesetzter Beamter Tarifbeschäftigte Einsatzstunden Bereitschaftspolizei Thüringen 84 0 839,00 Landesbereitschaftspolizei Sachsen- Anhalt 234 0 1.734,00 Bereitschaftspolizei Brandenburg 103 0 1.004,25 Polizeidirektion Sachsen -Anhalt Nord 172 3 1.762,00 Bundespolizei Uelzen 271 0 834,00 Bundespolizei Sonderdienste 8 0 74,00 Bereitschaftspolizei Hamburg 102 1 1.058,500 Technisches Polizeiamt Sachsen-Anhalt 3 0 30,00 5 Von diesen Wasserwerfern waren vier Wasserwerfer 8,75 Stunden im Einsatz. Die weiteren zwei Wasserwerfer waren 9 Stunden und 75 Minuten im Einsatzabschnitt Raumschutz. Der Polizeihubschrauber stand für den Polizeieinsatz 9,75 Stunden zur Verfügung . 13. Wie viele Personen wurden in Gewahrsam genommen? Es wurden keine Personen in Gewahrsam genommen. 14. Wie viele Strafverfahren wurden gegen Personen welcher Fangruppierungen im Zusammenhang mit diesem Fußballspiel durch die Landespolizei sowie durch die Bundespolizei eingeleitet? Bitte getrennt nach Art der Straftat angeben. Im Zusammenhang mit dem Fußballspiel wurden sechs Ermittlungsverfahren im Rahmen des Einsatzes der Landespolizei eingeleitet. Die weiteren Angaben sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Delikt Vereinszuordnung § 185 StGB 1. FC Magdeburg § 125 StGB 1. FC Magdeburg § 125 StGB FC St. Pauli Verstoß gg. Sprengstoffgesetz 1. FC Magdeburg § 113 StGB FC St. Pauli § 303 StGB FC St. Pauli 15. Wie viele Datensätze wurden in Vorbereitung des Spiels mit a) der Polizei anderer Bundesländer, b) der Polizei des Bundes, c) sonstigen Behörden und d) nichtstaatlichen Stellen ausgetauscht? In Vorbereitung des Spiels wurden keine Datensätze mit personenbezogenen Daten ausgetauscht. 16. Wie hoch waren die Kosten für den Polizeieinsatz im Zusammenhang mit dem Fußballspiel? Wie hoch sind die Kosten für den Einsatz von Beamtinnen und Beamten anderer Bundesländer und der Bundespolizei? Die Ermittlung der Kosten erfolgt auf der Grundlage der vorliegenden Einsatzmannstunden und der Sach- und Technikkosten. Die Landesregierung geht bei diesem Fußballspiel derzeit von Kosten in Höhe von 195.851,61 Euro aus. Die Kostenlegungen der den Einsatz unterstützenden anderen Bundesländer und der Bundespolizei liegen gegenwärtig noch nicht vor. 6 17. In welchem Umfang und mit welchen Erkenntnissen haben welche Polizeidienststellen an der Erstellung der Gefahrenprognose mitgewirkt? Bitte jeweils aufschlüsseln nach Bundesland. Zur Vorbereitung des Einsatzes hat die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord zahlreiche Informationen anderer Polizeien erhalten, um den Einsatz vorzubereiten . Die einsatzführende Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord hat auch eigene Erkenntnisse zur Vorbereitung des Einsatzes genutzt. Dienststelle Erkenntnisse Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord Es wurden Erkenntnisse zur erwarteten Anzahl der Heimfans berücksichtigt. Darüber hinaus wurden auch die Anzahl der gewaltbereiten und gewaltsuchenden Heimfans und deren Verhalten prognostiziert . Neben diesen Erkenntnissen sind auch die Inhalte der Gespräche mit dem Veranstalter berücksichtigt worden. Landespolizei Hamburg Es wurden Erkenntnisse zur Anzahl der Gästefans mitgeteilt. Darüber hinaus wurden auch die Anzahl der gewaltbereiten und gewaltsuchenden Gästefans, deren zu erwartendes Verhalten und deren Nutzung von Verkehrsmitteln prognostiziert. Neben diesen Erkenntnissen sind auch die Inhalte der Gespräche mit dem Gastverein in die Erkenntnismitteilung eingeflossen. Bundespolizei Es wurden Erkenntnisse zur Anzahl der Gästefans mitgeteilt. Darüber hinaus wurden auch die Anzahl der gewaltbereiten und gewaltsuchenden Gästefans, deren zu erwartendes Verhalten und deren Nutzung des Verkehrsmittels Bahn prognostiziert. 18. Wie bewertet die Landesregierung den Polizeieinsatz, insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der eingesetzten Kräfte? Nach Kenntnis der Landesregierung besuchten 24.156 Zuschauer das Fußballspiel des 1. FC Magdeburg gegen den FC St. Pauli. Es befanden sich gemäß der Berichterstattung der einsatzführenden Polizeibehörde unter den Zuschauern ca. 670 gewaltbereite und ca. 120 gewaltsuchende Personen. Ein Ziel des Einsatzes der Polizei war es, das direkte und unkontrollierte Aufeinandertreffen von Heimfans und Gästefans zu verhindern, da Konfrontationen und Straftaten zu erwarten waren. 7 Im Stadionnahbereich versuchten ca. 1.300 Heimfans vor dem Spiel zu den Gästefans zu gelangen, indem die eingerichteten Sperren überstiegen wurden. Nur durch den Einsatz von Polizeikräften, konnte das Aufeinandertreffen der Fans verhindert werden. Während der Abreisephase befanden sich zeitweise ca. 100 Gästefans auf dem Neustädter Bahnhof. Während des Aufenthalts dieser Gästefans fuhr ein mit Heimfans besetzter Zug planmäßig auf dem Neustädter Bahnhof ein. Sofort kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Heim- und Gästefans. Die Polizei musste diese Auseinandersetzungen durch Einsatz von körperlicher Gewalt beenden. Die Landesregierung bewertet diesen Einsatz als erfolgreich, da die Polizei in fast allen Einsatzphasen die Trennung der Fangruppen gewährleisten konnte. Die geschilderten Sachverhalte machen deutlich, dass einige Fans die Konfrontation mit der gegnerischen Fanszene suchten und es beim direkten Aufeinandertreffen der Fanszenen zu körperlichen Auseinandersetzungen kam. Die Anzahl der eingesetzten Polizeivollzugsbeamten war in Anbetracht der anwesenden gewaltbereiten und gewaltsuchenden Fans angemessen. Durch das gemeinsame Agieren der Sicherheitsbehörden und des Veranstalters kam es bei diesem Spiel nur zu wenigen Straftaten, sodass für viele Besucher die Sicherheit gewährleistet werden konnte.