Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3442 01.10.2018 (Ausgegeben am 02.10.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Andreas Steppuhn (SPD) Geplanter Ausbau des vorhandenen Hochspannungsnetzes zu einer 110 Kilovolt -Leitung von Wasserleben nach Dingelstedt Kleine Anfrage - KA 7/1969 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Avacon AG plant den Bau einer Hochspannungsleitung mit einer Nennspannung von 110 kV zwischen Wasserleben und Dingelstedt. Die Planungen sehen zwei Korridore für die Umsetzung vor: entweder den nördlichen Korridor mit einer Freileitung zu versehen oder den südlichen Korridor als Erdkabel zu verlegen. Ausgehend von der Bodenbeschaffenheit der südlichen Trassenführung, wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit der Faktor 2,75 (Verhältnis Erdleitung zur Freileitung lt. § 43h Energiewirtschaftsgesetz ) weit überschritten, sodass mit einer Umsetzung als Freileitung auf der nördlichen Trasse zu rechnen ist. Der Gemeinderat und die Bevölkerung der Gemeinde Huy lehnen die Errichtung der 110 kV-Leitung als Freileitung ab, um nachhaltige Schäden für den Natur- und Kulturraum sowie für die Tourismuswirtschaft abzuwenden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Ist der Landesregierung der Ausbau des vorhandenen Hochspannungsnetzes mit 110 kV-Freileitungen von Wasserleben nach Dingelstedt durch die Avacon AG bekannt? Ja. Für den 110-kV-Harzring wurde durch das Landesverwaltungsamt ein Raumordnungsverfahren durchgeführt. Das Raumordnungsverfahren wurde am 29.04.2016 abgeschlossen. 2 Die geplante Hochspannungsleitung von Wasserleben nach Dingelstedt ist Teil des Netzausbauvorhabens der Avacon Netz GmbH (zuvor: der Avacon AG). Eine Verbindung vom Umspannwerk Wasserleben über Dingelstedt, Schwaneberg und Halberstadt nach Harsleben soll einen Ringschluss im vorhandenen Netz herbeiführen. Durch den Harzring wird die Einspeisekapazität von erneuerbaren Energien (besonders Windkraft) in der Region erhöht und die Versorgungssicherheit verbessert. Zudem werden in Zusammenhang mit dem Bau des Harzrings die Mittelspannungsnetze optimiert. 2. Ist der Landesregierung die ablehnende Haltung des Gemeinderates der Gemeinde Huy und der Bevölkerung in Bezug auf den Bau der 110 kV- Leitung als Freileitung bekannt? Die Gemeinde Huy wurde im Zug des Raumordnungsverfahrens beteiligt und hatte in der Stellungnahme vom 20.01.2016 keine Anregungen und Hinweise vorgebracht. Eine ablehnende Haltung der Bevölkerung ist der Landesregierung bisher nicht bekannt geworden. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Auslegung des § 43h des Energiewirtschaftsgesetzes im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren ? 4. Wie bewertet die Landesregierung, dass aufgrund der zu erwartenden Überschreitung der geplanten Kosten, im Vergleich zur ursprünglich geplanten unterirdischen Verlegung, jetzt nunmehr der Bau einer Freileitung realisiert werden soll? Die Fragen 3 und 4 werden im Zusammenhang beantwortet. § 43h EnWG legt fest, dass Hochspannungsleitungen mit Nennspannungen von 110 kV oder weniger grundsätzlich als Erdkabel auszuführen sind, soweit die Kosten für die Ausführung als Erdkabel nicht höher als das 2,75fache der Kosten einer Freileitung sind. Die Kosten für Bau und Betrieb der Stromnetze werden anteilig auf alle Netznutzer eines Netzgebietes umgelegt und fließen in die Netzentgelte ein. Da Erdkabel in der Regel mit höheren Kosten verbunden sind, führen Sie zu einer Erhöhung der Netzentgelte der betroffenen Regionen. Gleichzeitig erhöhen Erdkabel aber auch die gesellschaftliche Akzeptanz des Netzausbaus. § 43h versucht hier einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen zu finden, der auch aus Sicht der Landesregierung angemessen erscheint . 5. Wie würde es die Landesregierung bewerten, wenn die Avacon AG beim Landesverwaltungsamt aufgrund der Überschreitung des Faktors 2,75 gemäß § 43h Energiewirtschaftsgesetz den Bau oberirdischer Leitungen beantragen sollte? Eine Bewertung dieser Frage würde Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens und des damit verbundenen umfangreichen Abwägungsprozesses sein. Durch die Landesregierung kann dieses nicht antizipiert werden. Im Rahmen des Verfahrens findet eine Prüfung der bereits im Antrag angelegten Verlaufs- 3 oder Ausführungsalternativen statt. Außerdem sind auch die Voraussetzungen des § 43h EnWG Gegenstand der Prüfung durch die Behörde. 6. Welchen Stellenwert hat für die Landesregierung das öffentliche und allgemeine Interesse der Bevölkerung und der Gemeindevertreter der Gemeinde Huy vor den wirtschaftlichen Interessen des Energieversorgers? Neben den landesplanerischen und weiteren öffentlichen Interessen unterliegen Bau und Betrieb von Stromversorgungsnetzen dem Energiewirtschaftsgesetz. Das EnWG verfolgt gem. § 1 den Zweck einer „möglichst sicheren, preisgünstigen , verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität“. Damit liegt die Energieversorgung selbst, also auch der dafür notwendige Netzausbau, im öffentlichen und allgemeinen Interesse. Dem Planfeststellungsverfahren kommt dabei die Funktion zu, im Wege der Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange einen möglichst schonenden Ausgleich oftmals gegenläufiger Interessen herbeizuführen und eine verbindliche Raumnutzungsentscheidung zu treffen. Der Netzausbau erfolgt durch den Netzbetreiber, der vom Energieversorger auf Grundlage des EnWG wirtschaftlich entflochten ist. Mit dem Netzausbau verfolgt der Netzbetreiber auch wirtschaftliche Interessen. Die Obergrenzen der Erlöse der Netzbetreiber aus dem Netzbetrieb werden durch die Regulierungsbehörde (hier: die Bundesnetzagentur) festgelegt. Es kann dabei sein, dass bei Überschreitung des Faktors von 2,75 die Kosten durch die Bundesnetzagentur als zuständige Regulierungsbehörde nicht anerkannt werden.