Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/346 13.09.2016 (Ausgegeben am 15.09.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Jan Wenzel Schmidt (AfD) Nutztierrisse durch Großraubwild Wolf Kleine Anfrage - KA 7/180 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Wie viele Wolfsrudel und Einzeltiere gibt es derzeit in Sachsen-Anhalt? Bitte nach Region aufschlüsseln. Datenstand 24. August 2016 Die Daten für das Monitoringjahr 2015 - 16 (01.05.2015 - 30.04.2016) liegen weitestgehend vor. Noch nicht abgeschlossen ist die genetische Analyse von Proben (voraussichtlich September); des Weiteren findet noch eine Bund- Länder-Abstimmung Anfang September statt. Territorien, einschließlich grenzübergreifender Territorien Monitoringjahr 2015 - 16 (teilweise noch nicht abschließend geklärt): 9 Rudel 4 Paare Rudel, Paare und residente Einzelwölfe nach Regionen: o Gartow (NI/ST; LK SDL/SAW) o Zichtauer und Klötzer Forst (ST; LK SAW) o Colbitz-Letzlinger Heide (ST, LK BK/SDL/SAW) o Altengrabow (BB/ST; LK JL/ABI) o Göritz-Klepzig (BB/ST; LK WB) o Hoher Fläming (ST; LK ABI/WB) o Coswig (ST; LK WB/DE) o Oranienbaumer Heide (ST; LK WB/DE) 2 o Glücksburger Heide (BB/ST; LK WB) o Annaburger Heide (BB/SN/ST; LK WB) o Möckern (ST; LK JL) o Klietzer Heide (BB/ST; LK SDL) o Parchen (ST; LK JL) NI = Niedersachen, ST = Sachsen-Anhalt, BB = Brandenburg, SN = Sachsen, LK = Landkreis Bestand, einschließlich grenzübergreifender Territorien: Geschätzte Individuenzahl innerhalb der bekannten Territorien auf der Basis von durchschnittlichen Rudelgrößen im Monitoringjahr 2015 - 16: insgesamt ca. 70 - 80 Tiere inkl. Welpen Die Individuenzahl der nicht-residenten Wölfe (wandernde Wölfe ohne eigenes Territorium) ist nicht konstant und kann nicht plausibel geschätzt werden. 2. Zu wie vielen Nutztierrissen durch Wölfe kam es seit 2010 in Sachsen- Anhalt? Seit dem Jahre 2010 wurden insgesamt 127 Übergriffe auf Nutztiere gemeldet, bei denen Wölfe als Verursacher im Rahmen der Nutztierrissbegutachtung zumindest nicht ausgeschlossen wurden. Bei den Übergriffen wurden insgesamt 281 Nutztiere (Schafe/Gatterwild/Kälber) getötet. 3. Wie hoch war der dabei entstandene finanzielle Schaden? Erkenntnisse über die Höhe des finanziellen Gesamtschadens der Tierhalter im Zusammenhang mit den genannten Vorfällen liegen nicht vor. 4. In welcher Höhe wurden Ausgleichszahlungen geleistet? Wie viele entsprechende Anträge wurden gestellt? Ausgleichzahlungen für Wolf-Schäden gibt es in Sachsen-Anhalt ab dem Jahr 2011. In diesen 5,5 Jahren wurden bis jetzt 40.109,79 € an Schadensausgleich gezahlt. Es wurden 32 Anträge gestellt. 5. Plant die Landesregierung die Überführung des Wolfes ins Jagdrecht mit ganzjähriger Schonzeit? Bitte begründen. Die Landesregierung plant keine Überführung des Wolfs in das Jagdrecht. Dem stehen einschlägige Rechtsvorschriften entgegen. Der Wolf ist eine heimische, nach internationalen und nationalen Rechtsvorschriften streng geschützte Tierart, dessen Vorkommen in Deutschland zusam- 3 men mit den in Westpolen lebenden Wölfen die zentraleuropäische Population bildet. Der Wolf wird durch folgende internationale Rechtsvorschriften streng geschützt : - Washingtoner Artenschutzübereinkommen (WA), Anhang II - EG Verordnung 338/97 Anhang A - FFH Richtlinie 92/43/EWG Anhang II; prioritäre Art - FFH Richtlinie 92/43/EWG Anhang IV - Berner Konvention Anhang II Gemäß Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Anhang IV der FFH-Richtlinie ist der Wolf eine in weiten Teilen Europas streng zu schützende Art. Zusätzlich unterliegt der Wolf den Handelseinschränkungen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens. Diese europarechtliche Vorgabe wird durch § 7 Abs. 2 Nr. 13 lit. b) BNatSchG - demnach ist der Wolf besonders geschützt - und § 7 Abs. 2 Nr. 14 lit. a) BNatSchG - wonach er darüber hinaus auch noch streng geschützt ist - umgesetzt . Die Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG nehmen die einschlägigen Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 lit. a) - d) FFH-RL auf und untersagen das Nachstellen, Fangen, Verletzen oder Töten von Wölfen, das erhebliche Stören von Wölfen während der Fortpflanzungs- und Aufzuchtzeit sowie jede Entnahme , Beschädigung und Zerstörung ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie ist der Wolf zudem eine Art von gemeinschaftlichem Interesse (prioritäre Art). Die EU verlangt von den Mitgliedsländern , dass sie für diese Arten den Fortbestand eines günstigen Erhaltungszustands gewährleisten bzw. - soweit sich die Art noch nicht in einem solchen Erhaltungszustand befindet - herbeiführen. Die EU verlangt von den Mitgliedsländern außerdem, dass sie alle sechs Jahre einen Bericht über den Erhaltungszustand dieser Arten erstellen. Der rechtliche Status des Wolfes und die vom Europäischen Gerichtshof dazu ergangenen Urteile schützen die Tierart Wolf auf der gesamten Landesfläche. Die Ausweisung bestimmter vom Wolf freizuhaltender Gebiete, die Festlegung eines Zielbestandes oder eine Bestands-Regulierung sind daher unzulässig. Abgeleitet aus den Schutzvorschriften stellt die Tötung eines Wolfes eine strafbare Handlung dar (§ 71 (1) und § 71a BNatSchG; § 329 (3) StGB), die neben den strafrechtlichen Konsequenzen zum Verlust der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit (§ 6 WaffG) und zum Entzug des Jagdscheines führt. Darüber hinaus sind die tierschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten, insbesondere § 1 des Tierschutzgesetzes. 4 6. Welche Maßnahmen bietet die Landesregierung an, um sie vor Schadensfällen durch Großraubwild zu schützen? Das Land bietet eine Förderung von Präventionsmaßnahmen an. Zuwendungsfähig ist der Erwerb von mobilen Elektrozäunen nebst Zubehör für den präventiven Schutz von Schafen, Ziegen und Gehegewild. Das geförderte mobile Präventionsmaterial muss hinsichtlich Typ, Materialbeschaffenheit und Spannungsversorgung bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, die in einem Merkblatt beschrieben sind. Es haben nur haupt- und nebengewerbliche Tierhalter mit Betriebssitz in Sachsen-Anhalt Anspruch auf Präventionsförderung. Die Fördermöglichkeit für Herdenschutzhunde wird derzeit geprüft. Des Weiteren plant die Landesregierung, die Beratung von nutztierhaltenden Betrieben und Hobby-Tierhaltern hinsichtlich des Schutzes vor Wolfs-Übergriffen zu intensivieren.