Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3539 29.10.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 30.10.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Lydia Funke (AfD) Abgeordneter Hannes Loth (AfD) Buchenwaldgebiet und Hammerbachtal unter Stress? Kleine Anfrage - KA 7/1958 Vorbemerkung des Fragestellenden: Gemäß den vollständigen Gebietsdaten, Berichtspflicht 2012 für die FFH-Gebietsbezeichnung 4341-301 (FFH133) „Buchenwaldgebiet und Hammerbachtal in der Dübener Heide“1 wird der Biber (Castor fiber) bei den Arten nach Artenlisten Anh. II FFH-RL als selten vorkommende Art gelistet. Castor fiber wird nach FFH-RL vom 21. Mai 1992, 92/43/EWG im Anhang II und IV geführt. Die für das FFH-Gebiet 133 gelisteten Lebensraumtypen beinhaltet - als besonders schützenswerten Lebensraum - die Weiden Auwälder (LRT 91E0*), die naturschutzfachlich bedeutend insbesondere auf Standorten mit weitgehend ungestörtem Wasserhaushalt sind. Dieser Lebensraumtyp ist durch ständige Grundwasserschwankungen geprägt. Damit einher gehen Überflutungen und Ablagerungen, aber auch Erosion. Pionierartige Pflanzenbestände sind charakteristisch für diesen LRT sowie auch Alters- bzw. Zerfallsphasen (hohes Alt- und Totholzvorkommen). Der LRT 91E0* ist dabei nicht wegen des Vorkommens vom Aussterben bedrohter Tierarten oder Pflanzenarten besonders schützenswert, sondern wegen seiner floristischen und faunistischen Artenvielfalt. Für diesen LRT besteht ein Verschlechterungsverbot. 1 https://lau.sachsenanhalt .de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MLU/LAU/Naturschutz/Natura2000/Gebietslisten/Dateien/SDB/4341- 301_FFH0133.pdf, zuletzt aufgerufen am: 13.08.2018 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1) Nach FFH-Richtlinie, vom 21. Mai 1992, 92/43/EWG besteht eine jährliche Meldepflicht für Castor fiber und alle weiteren festgestellten Arten. Welche Bestände wurden für das Natura 2000-Gebiet 133 jährlich der EU gemeldet ? Bitte seit Erstmeldung listen. Es besteht keine jährliche Meldepflicht für den Biber und alle weiteren festgestellten Arten in einzelnen FFH-Gebieten. Nach den Vorgaben des Art. 17 der FFH-RL berichten die Mitgliedstaaten alle 6 Jahre nach Ablauf der in Art. 23 ebd. vorgesehenen Fristen an die Europäische Union. Bezugsraum der FFH- Berichtspflichten sind nicht die Gebiete, sondern die biogeographischen Regionen (in ST: atlantisch, kontinental). Sachsen-Anhalt übermittelt dazu die nach Art. 17 Abs. 1 erforderlichen Daten an den Bund. Die Angaben aus den Ländern werden vom Bund entsprechend aggregiert. 2) Unter der Quelle ‚http://www.ffh-gebiete.de/‘ werden Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie wie folgt definiert: „(…) „Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. (…) Gemäß den Grundlagen der FFH- RL muss man Schutzgebiete im NATURA 2000-Netz einrichten und diese so betreuen, dass die ökologischen Bedürfnisse dieser Arten erfüllt werden und ihre Bestände erhalten bleiben. (…).“ a) Gibt es eine Veränderung der Anhänge II und IV, wenn Tierarten ihren natürlichen Erhaltungszustand erreicht haben? Dafür sieht die FFH-Richtlinie keinen Automatismus vor. Es gelten die Festlegungen des Art. 19 der FFH-RL dazu. Eine Definition eines „natürlichen Erhaltungszustandes“ ist der Landesregierung nicht bekannt. b) Warum wird Castor fiber im o. g. Berichtsblatt unter Anhang II geführt, wenn er eine für die Dübener Heide nicht typisch vorkommende Tierart und damit keine heimische Art ist? Sachsen-Anhalt einschließlich der Dübener Heide liegt im natürlichen Areal des Bibers. Der Biber ist eine heimische Art, dessen Vorkommen jedoch aufgrund menschlicher Nachstellung und Verfolgung sowie negativer Umweltveränderungen Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa fast ausgerottet wurde. An der mittleren Elbe und ihren Zuflüsse lag zu dieser Zeit das Rückzugsgebiet des Bibers in Mitteleuropa mit der autochthonen Unterart Elbebiber (Castor fiber albicus). Daher besitzt Sachsen-Anhalt eine besondere Verantwortung für den Erhalt der endemischen Unterart. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts findet eine natürliche Wiederausbreitung im natürlichen Areal statt. Der Biber ist eine typische Tierart des Gewässersystems der Dübener Heide. Seine Vorkommen in den betreffenden FFH-Gebieten wurden im Zuge der FFH-Gebietsmeldung sowie der FFH-Berichtspflichten gemeldet. 3 3) Über Abwägungsverfahren für die Natura 2000-Gebietsausweisungen gemäß FFH-Richtlinie, vom 21. Mai 1992, 92/43/EWG wird festgestellt, welche Tier- und/ oder Pflanzenarten als sogenannte ‚Leitarten‘ für einen spezifischen Lebensraum bestimmt werden bzw. charakteristisch sind oder anders ausgedrückt, welche Art vorrangig für das jeweilige FFH-bzw. Natura 2000-Gebiet gemeldet wird. a) Nach welchen konkreten Qualitätsrichtlinien oder -kriterien wird dies gehandhabt? b) Wie läuft dieser Abwägungsprozess ab? c) Wie wurde dies konkret beim FFH-Gebiet 133 bestimmt? d) Nach welchen Kriterien wird abgewogen, wenn Arten dieselbe Punktzahl erhalten? Maßgeblich für die Meldung der FFH-Gebiete waren signifikante Vorkommen von Lebensraumtypen des Anhangs I bzw. Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie . Nicht signifikant sind Lebensraumtypen in einem FFH-Gebiet dann, wenn es sich um - sehr kleinflächige oder - stark degradierte Vorkommen handelt, die ohne Bedeutung für die Meldung des Gebiets sind. Nicht signifikant sind Arten in einem FFH-Gebiet dann, wenn es sich um - zufällig im Gebiet anwesende Individuen von Anhang II-Arten handelt, die ohne Bedeutung für die Meldung des Gebiets sind. (Vgl. 97/266/EG: Entscheidung der Kommission vom 18. Dezember 1996 über das Formular für die Übermittlung von Informationen zu den im Rahmen von NATURA 2000 vorgeschlagenen Gebieten). Es gibt kein Ranking- oder Abwägungssystem, das über die Aufnahme von vorkommenden Lebensraumtypen und Arten in die Meldeunterlagen eines Gebietes entscheidet. Im FFH-Gebiet 0133 sind gegenwärtig folgende signifikante Vorkommen von Lebensraumtypen und Arten bekannt: Biber Castor fiber Mausohr Myotis myotis Hirschkäfer Lucanus cervus Kammmolch Triturus cristatus 3150 Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamions oder Hydrocharitions 4 3260 Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit Vegetation des Ranunculion fluitantis und des Callitrichio-Batrachion 6510 Magere Flachland-Mähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis ) 9110 Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum) 9130 Waldmeister-Buchenwald (Asperulo-Fagetum) 9160 Subatlantischer oder mitteleuropäischer Stieleichenwald oder Eichen- Hainbuchenwald (Carpinion betuli) 9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (Galio-Carpinetum) 9190 Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur 91E0* Auen-Wälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae) Gemäß Anhang III FFH-RL werden in die FFH-Gebietsmeldung Gebiete einbezogen , die im landesweiten Zusammenhang eine repräsentative Meldung der Lebensraumtypen nach Anhang I und Arten nach Anhang II und somit einen wirksamen Beitrag zum kohärenten Schutzgebietsnetz Natura 2000 der EU gewährleisten . Die Gebietsmeldung erfolgte durch die Landesregierung nach umfangreicher Prüfung und öffentlicher Beteiligung sowie nach vorgeschriebenen Abstimmungsprozessen mit dem Bund und der Europäischen Kommission. 4) Welche Veränderungen in den floristischen und faunistischen Beständen wurden jährlich seit der Berichtspflicht 2012 für das FFH-Gebiet 133 registriert ? Untersuchungen, die regelmäßig jährliche Veränderungen von Flora und Fauna der Arten bzw. der Lebensraumtypen der FFH-RL nach 2012 erfassen könnten, existieren nicht. Im Zuge der FFH-Berichtspflichten für die Berichtsperiode 2013-2018 wurde der Standarddatenbogen auf Grundlage von Erfassungen und Recherchen, die teilweise bereits vor 2012 erfolgten (s. Quellenangaben), überarbeitet und enthält nunmehr folgende Arten nach Anhang II, IV und V der FFH-Richtlinie: Biber Castor fiber (II/IV) Fischotter Lutra lutra (II/IV) Mopsfledermaus Barbastella barbastellus (II/IV) Mausohr Myotis myotis (II/IV) Kammmolch Triturus cristatus (II/IV) Hirschkäfer Lucanus cervus (II) Breitflügelfledermaus Eptesicus serotinus (IV) Große Bartfledermaus Myotis brandtii (IV) Kleine Bartfledermaus Myotis mystacinus (IV) Kleinabandsegler Nyctalus leisleri (IV) Abendsegler Nyctalus noctula (IV) Rauhautfledermaus Pipistrellus nathusii (IV) Braunes Langohr Plecotus auritus (IV) Knoblauchkröte Pelobates fuscus (IV) Moorfrosch Rana arvalis (IV) Teichfrosch Rana esculenta (V) 5 Grasfrosch Rana temporaria (IV) Zauneidechse Lacerta agilis (IV) Quellenangaben: Myotis (2011): Ersterfassung der Arten der FFH-Richtlinie der Europäischen Union im Land Sachsen-Anhalt - Fledermäuse - Teilbereich Ost - Endbericht (WV44/09/10) - unveröff. Gutachten im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Weber, A. & Trost, M. (2015): Die Säugetierarten der Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Fischotter (Lutra lutra L., 17578). - Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 1/2015: 1-231. Grosse, W.-R.; Simon, B.; Seyring, M.; Buschendorf, J.; Reusch, J.; Schildhauer , F.; Westermann, A. & Zuppke, U. (2015): Die Lurch und Kriechtiere (Amphibia et Reptilia) des Landes Sachsen-Anhalt. - Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 4/2015, 640 S. 5) Welchen Einfluss hat der Biber seit seiner nachweislichen Aktivität auf das Einzugsgebiet des Hammerbachs, insbesondere aber auf die für das FFH-Gebiet 133 (inkl. Halber Mond, Forstgraben und Schwedenwiese) vorkommende Flora und Fauna bis heute? Sollten hierzu keine Kenntnisse vorliegen, welche Beispiele gibt es aus der Literatur aus Sachsen- Anhalt hinsichtlich Bestandsveränderungen durch Biberaktivitäten? Der Hammerbach ist in Sachsen-Anhalt zwischen Quellgebiet und Landesgrenze mehr oder weniger durchgängig vom Biber besiedelt (Karte siehe Anlage). Dies betrifft die Biberreviere: 4341-01 Hammerbach Lutherstein 4341-02 Hammerbach Eisenhammer (Lage teilweise im FFH-Gebiet 133), aufgrund der Kartierungsergebnisse von H.-D. Schönau zeichnet sich ab, dass eine Teilung des Reviers erforderlich wird, d. h. im Bereich der Schwedenwiese oberhalb der Köhlerei Eisenhammer hat sich in den vergangenen Jahren eine zweite Ansiedlung mit Reproduktion etabliert 4341-03 Hammerbach Döbelts-Mühle (Lage im FFH-Gebiet 133) 4341-04 Hammermühle-Bad Düben Weiterhin liegt im Nordosten ein weiteres Biberrervier teilweise im FFH-Gebiet 133: 4342-15 Deubitzwiesen Der Erstnachweis des Bibers am Hammerbach stammt aus dem Jahr 1974. Seit 1983 erfolgt die kontinuierliche Besiedlung des Baches inkl. Halber Mond, Forstgraben und Schwedenwiese bis in die Quellbereiche. In den besiedelten Bereichen sind die Anlage von Dämmen und die Entstehung von Biberseen zu verzeichnen, während in den dazwischen liegenden Abschnitten weiterhin frei fließende Bachabschnitte existieren. 6 Im Rahmen des Modellprojekts zum Schutz und Management des Elbebibers im Landkreis Wittenberg wurden auch die durch kleine Fließgewässer charakterisierten FFH-Gebiete mit zumindest temporärer Besiedlung durch den Biber unter dem Blickwinkel interagierender Schutzgüter untersucht (RANA 2011, S. 37-92). Dies betrifft u. a. das FFH-Gebiet 133 Buchenwaldgebiet und Hammerbachtal in der Dübener Heide. Verallgemeinernd konnte hinsichtlich der FFH-Lebensraumtypen keine nachhaltige Beeinträchtigung festgestellt werden. Es erfolgte auch eine Abwägung der Schutzgüter für dieses FFH-Gebiet. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Fauna ist Folgendes ausgeführt: im bewaldeten Teil des Hammerbachs wurden keine Fische festgestellt (unabhängig von der Besiedlung durch den Biber, Zuppke & Zuppke 2011). [Anm.: Hohmann (2018) führt an der Messstelle uh. Eisenhammer 2004 einen Neunstachligen Stichling an]. Aufgrund anthropogener Querbauwerke (z. B. Mühlenstau Tornau ) wäre ein Aufstieg wandernder Fischarten auch nicht möglich. Ergänzend sei angemerkt, dass Biberdämme im Gegensatz zu anthropogenen Querbauwerken für Fische keineswegs ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Der Edelkrebs kommt im FFH-Gebiet nicht vor (s. Antwort auf Frage 11). Infolge der Ansiedlung des Bibers und seinen landschaftsgestaltenden Aktivitäten lassen sich darüber hinaus einerseits punktuell die Förderung von Tier- und Pflanzenarten, andererseits aber auch punktuell der Rückgang von Tierarten feststellen. Beispielsweise entstanden in den vom Biber aufgestauten Gewässerabschnitten nahe des Luthersteins neue Lebensräume für diverse Arten und Lebensgemeinschaften. So sind für diesen Bereich 9 Amphibienarten nachgewiesen (Teichmolch, Laubfrosch, Grasfrosch, Moorfrosch, Kleiner Wasserfrosch , Teichfrosch, Seefrosch, Erdkröte, Knoblauchkröte - Artdatenbank LAU/Grosse et al. 2015) - die im Einzugsbereich des Hammerbaches höchste Artenzahl. Auch bei Spitzenberg (2018) finden die vermoorten Bereiche (Sphagnum-Bestände) im Biberstau-Bereich am Halben Mond bei Lutherstein besondere Erwähnung als Lebensraum ausgesprochener Moorarten unter den wasserbewohnenden Käfern (tyrphobiont/tyrphophil). Spitzenberg (2018) kommt zusammenfassend zu dem Schluss, dass, wenngleich eine streckenweise Verringerung der Fließgeschwindigkeit durch Staubauwerke zu verzeichnen sei, in den schneller fließenden Abschnitten etlicher Gewässer (u.a. Hammerbach ) typische Vertreter der rheophilen und rheobionten aquatischen Koleopteren anzutreffen seien. Müller et al. (2018) liefern umfangreich Nachweise von Libellenarten, insbesondere auch von „Moorweihern“ bzw. Biberstauen. Diese belegen eine besondere Bedeutung der Biberstaue für zahlreiche Libellenarten. Ebenso wurden seltene Pflanzenarten in bzw. im Umfeld der vom Biber angestauten Gewässer wie Rundblättriger Sonnentau (RL LSA 2), und Zwerg- Igelkolben (Sparganium natans, RL LSA 2) gefördert, Sphagnum-Polster weisen auf Vermoorungstendenzen hin. Im Bereich des FFH-Gebiets wurde der Fischotter als Nutzer der Biberseen nachgewiesen. Der Fischotter profitiert allgemein von der durch Biberaktivitäten bewirkten Strukturbereicherung (Weber & Trost 2015). 7 Am Hammerbach befinden sich drei Biologie-Messstellen des Gewässerkundlichen Landesdienstes die in unterschiedlich stark vom Biber beeinflussten Bereichen liegen. Dementsprechend ist eine unterschiedliche Entwicklung der Makrozoobenthos-Zönose für die Jahre 1999 bis 2014 zu beobachten (Hohmann 2018). Oberhalb Eisenhammer (gering durch Biberaktivitäten beeinflusst) lassen sich keine bzw. nur geringe Verschiebungen in der Makrozoobenthos- Zönose erkennen. Oberhalb Tornau (mehrere Biberdämme vorhanden) ist ein Rückgang rheobionter Arten zu verzeichnen. In der dazwischen liegenden Messstelle unterhalb Eisenhammer wurde einerseits eine Zunahme von Arten der Stillgewässer und temporärer Gewässer beobachtet. Andererseits fallen punktuell teilweise Fließgewässerarten (Libelle Cordulegaster boltonii; Köcherfliege Hydropsyche saxonica) aus. Allerdings stellte eine Studie aus Bayern fest, dass der regionale Einfluss des Bibers auf Cordulegaster boltonii in verschiedenen untersuchten Fließgewässertypen positiv ist. Larven der Art waren in verschiedenen vom Biber geschaffenen Strukturen (auch im Bereich verlassener Biberseen und in Biberdämmen) teilweise in gegenüber den Referenzabschnitten erhöhter Anzahl anzutreffen (Meßlinger 2018). Im Ökosystem der Fließgewässer besitzt der Biber eine Schlüsselfunktion. Biberaktivitäten führen zu einer Erhöhung der Strukturvielfalt und Gewässerdynamik am Bach sowie zu einer Erhöhung der Artenzahl und Diversität auf Landschaftsebene. Hierbei spielt auch die räumliche und zeitliche Dynamik der Biberansiedlungen im Gewässersystem, von der Neubesiedlung bis zum Verlassen von Bachabschnitten infolge Nahrungsverknappung, eine wichtige Rolle. Eine punktuelle Betrachtung der Auswirkungen der Biberaktivitäten auf Flora und Fauna ist daher aus nicht zielführend. Es ist notwendig, das gesamte Gewässersystem zu betrachten. Infolge langanhaltender anthropogener Beeinträchtigungen der Fließgewässer nicht nur in der Region, aber teilweise auch in der Dübener Heide, ist zudem der aktuell verfügbare Lebensraum für Fließgewässerarten teils stark eingeschränkt . Unter diesen Voraussetzungen kann es zu einer Beeinträchtigung von Reliktvorkommen rheophiler bzw. rheobionter Arten durch Biberdämme kommen . Unter Abwägung der Schutzziele kann in solchen Fällen dem Vorkommen der Fließgewässerart die höhere Priorität eingeräumt werden, wie z. B. hinsichtlich des Vorkommens der Köcherfliege Odontocerum albicorne oberhalb der Köhlerei Eisenhammer auch geschehen. Insgesamt gibt es im Land bisher nur vereinzelt Untersuchungen zum Thema Biber und Biodiversität. Der Einfluss der Biberaktivitäten auf die Vegetation wurde am Grieboer Bach als positiv bewertet (Reißmann 1999). Ebenso zeigen Untersuchungen am Grieboer Bach, dass weder für das Bachneunauge noch für die Bachforelle von einer aktuellen Bestandsgefährdung durch die Bauaktivitäten des Bibers auszugehen ist (Krappe 2011). Eine Studie am Olbitzbach kommt zu dem Ergebnis, dass die Dammbautätigkeit des Bibers zu einer Erhöhung der Vielfalt an Lebensräumen, verbunden mit partieller Veränderung bzw. Ergänzung der angestammten Makrozoobenthoszönose in diesen naturnahen Bachabschnitten führt (Freitag et al. 2001). Darstellungen zu negativen Auswirkungen der Dammbauaktivitäten des Bibers am Fliethbach (Zuppke 2004) lassen sich methodisch nicht nachvollziehen und 8 die negativen Auswirkungen starker anthropogener Beeinträchtigungen (Melioration , Begradigungen, Wehre und Fischteiche) bleiben dabei unberücksichtigt. Die anthropogenen Beeinträchtigungen dürften die eigentlichen Probleme für die Art darstellen (zumal die Bachforelle in Bachabschnitten mit Biberdämmen noch nachgewiesen wurde, während sie in dammfreien Bereichen unterhalb fehlte; vgl. Zuppke & Zuppke 2011). Bei Untersuchungen am Flieth 2007-2008 stellte Domdei (2009, S. 115f.) deutliche Beeinträchtigungen der Fließgewässerqualität und der Makrozoobenthoszönose in den Rückstaubereichen der untersuchten Biberdämme fest. Quellenangaben: Domdei, J. (2009): Die Auswirkungen von Biberdammbauten auf die Makrozoobenthoszönose und die Fließgewässerqualität der Tieflandbäche Kemberger Flieth und Buchholzbach (Dübener Heide). - Dipl.-Arbeit Hochschule Anhalt. Freitag, H.; Stubbe, M. & Heidecke, D. (2001): Das Makrozoobenthos in der Zönosestruktur und die Saprobie unter Einfluss des Elbe-Bibers. - Säugetierkundliche Informationen 5 (25): 35-56. Grosse, W.-R.; Simon, B.; Seyring, M.; Buschendorf, J.; Reusch, J.; Schildhauer , F.; Westermann, A. & Zuppke, U. (2015): Die Lurch und Kriechtiere (Amphibia et Reptilia) des Landes Sachsen-Anhalt. - Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 4/2015, 640 S. Hohmann, M. (2006): Fachstellungnahme zum Artenschutzkonflikt „Elbebiber /Bachforelle“ im Fließgewässersystem des Kemberger Flieths, Dübener Heide (Sachsen-Anhalt) - Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt, Sachbereich 5.3 (MES, Bearbeiter: Mathias Hohmann) Hohmann, M. (2018): Zuarbeit zur KA 7/1958 „Buchenwaldgebiet und Hammerbachtal unter Stress?“ - Stellungnahme des LHW, Bearbeiter Dr. M. Hohmann, 20.09.2018 Hood, G. & Bayley, S.E. (2008): Beaver (Castor canadensis) mitigate the effects of climate on the area of open water in boreal wetlands in western Canada . - Biological Conservation 141: 556-567. Krappe, M. (2011): Zum Einfluss des Bibers auf einen Bachneunaugen-und Forellenbestand im Vorfläming. - Gutachten im Auftrag von RANA, Büro für Ökologie und Naturschutz Frank Meyer Meßlinger, U. (2018): Beaver created structures as a larval habitat for the golden ringed- dragonfly (Cordulegaster boltonii) in Bavaria. - Abstracts 8th International Beaver Symposium, Denmark. Müller, J.; Steglich, R. & Müller, V. (2018): Aktueller Beitrag und zusammenfassende Übersicht zur Libellenfauna (Odonata) der Dübener Heide in Sachsen -Anhalt. - in: Entomologenvereinigung Sachsen-Anhalt e. V. (Hrsg.) 9 (2018): Entomofaunistische Untersuchungen in der Dübener Heide, Teilbereich Sachsen-Anhalt: 63-80. Puttock, A.; Graham, H.A.; Cunliffe, A.M.; Elliott, M.; Brazier, R.E. (2017): Eurasian beaver activity increases water storage, attenuates flow and mitigates diffuse pollution from intensively-managed grasslands. - Science of the Total Environment 576: 430–443. Spitzenberg, D. (2018): Die wasserbewohnenden Käfer der Dübener Heide. - in: Entomologenvereinigung Sachsen-Anhalt e. V. (Hrsg.) (2018): Entomofaunistische Untersuchungen in der Dübener Heide, Teilbereich Sachsen- Anhalt: 231-247. RANA (2011): Modellprojekt zum Schutz und Management des Elbebibers im Landkreis Wittenberg (Fördernummer 407.1.2-60128/-/323009000075). - Gutachten im Auftrag des Landkreises Wittenberg, Fachdienst Umwelt und Abfallwirtschaft Reißmann, K. (1999): - unveröffentl. Diplomarbeit, Halle (Saale). Weber, A. & Trost, M. (2015): Die Säugetierarten der Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Fischotter (Lutra lutra L., 17578). - Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 1/2015: 1-231. Zuppke, U. (2004): Folgen einer Biberbesiedlung für die Fischfauna des Fliethbaches/Dübener Heide. - Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 41 (4): 45-49. Zuppke, U. & Zuppke, H. (2011): Fischarten-Erfassungen im Rahmen des Projektes „Schutz und Management des Elbebibers im Landkreis Wittenberg. - Gutachten im Auftrag von RANA, Büro für Ökologie und Naturschutz Frank Meyer 6) Welche Arten (Flora und Fauna) wurden bereits verdrängt? Bitte anhand von Zählungen nachweisen. Es sind im Land bisher keine Fälle belegt, in denen Arten infolge von Biberaktivitäten aus einem Gewässersystem verdrängt wurden. Es gibt lediglich Belege dafür, dass sich Artvorkommen punktuell verändert haben. 7) Wie hat sich der Wasserhaushalt infolge der Biberaktivität bzw. mit dem Anwachsen der Population verändert (Fließgeschwindigkeit, Ausdehnung, flächenhafte Vernässungen / Anstauungen, Bodenfeuchte und Trockenheit )? Belastbare Aussagen zur Veränderung des Wasserhaushaltes im Zusammenhang mit Biberaktivitäten bzw. mit Anwachsen der Biberpopulation sind nicht möglich. Im Hammerbach befindet sich keine hydrologische Messstelle des Landesmessnetzes , sodass Messwerte zu Fließgeschwindigkeiten und zum Abfluss 10 nicht vorliegen. Einzelmessungen am Hammerbach im Rahmen von Sondermessungen wurden in der Vergangenheit nicht durchgeführt. 8) Wie ist der derzeitige ökologische und chemische Zustand des Gewässers „Hammerbach“ (inkl. Halber Mond, Forstgraben und Schwedenwiese) in Bezug auf die der EU gemeldeten LRT aktuell zu bewerten? Bitte auflisten. Der entsprechend den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bewertete ökologische Zustand des Oberflächenwasserkörpers (OWK) Hammerbach ist mit „mäßig“ anzugeben. Defizite bestehen bei der biologischen Qualitätskomponente Phytobenthos (Diatomeen) und der Hydromorphologie. Der chemische Zustand des OWK Hammerbach ist „nicht gut“ aufgrund von Quecksilber in Biota. Die anderen Qualitätskomponenten weisen einen guten bis sehr guten Zustand auf. Die Zuflüsse Forstgraben Halber Mond, Forstgraben Gabels- / Schwedenwiese sowie Forstgraben Schwedenwiese sind keine berichtspflichtigen Gewässer gemäß WRRL. Sie werden daher nicht in die Zustandsbewertung einbezogen. Die Zustandsbewertung nach WRRL erfolgt nicht in Bezug auf die der EU gemeldeten Lebensraumtypen. Eine Auflistung ist somit nicht möglich. 9) Aktuell ist der Hammerbach zwischen Wanderweg Halber Mond in Richtung Eisenhammer (Tornau) sowie der Eisenhammerteich (als offizielle Löschwasserstelle) ausgetrocknet. c) Ist dieser Zustand aus der Geschichte jemals bekannt? d) Welche Gründe liegen hierfür vor? zu a) Aus der jüngeren Vergangenheit ist keine vergleichbare Situation der Wasserführung im Hammerbach bekannt. zu b) Der Sommer im Jahr 2018 in Sachsen-Anhalt war ein sehr niederschlagsarmer Sommer, sodass insgesamt ein temporäres Trockenfallen von Gewässern in verschiedenen Landesteilen zu verzeichnen war. 10) Gemäß Artenlisten nach Anh. II FFH-RL des o. a. Natura 2000-Gebietes wird u. a. auch der Hirschkäfer (Lucanus cervus) und der Kammolch (Triturus cristatus) geführt, deren Vorkommen ebenfalls im LSG 35 beschrieben werden. Welche Vorkommen sind im Gebiet um den Hammerbach seit 2012 bekannt? Zum Hirschkäfer (Lucanus cervus) liegen neben zahlreichen Hinweisen aus dem Jahr 2012 auch aktuelle Beobachtungen aus dem Jahr 2017 vor (09.07.2017 Eisenhammer, Halber Mond, Hammerbach leg. Schöne). 11 Quellenangabe: Malchau W. (2018): Zur Fauna der Blatthorn- und Hirschkäfer (Coleoptera: Scarabaeoidea) im EVSA-Projektgebiet der Dübener Heide (Sachsen- Anhalt). S. 305-315. - In: Entomologen-Vereinigung Sachsen-Anhalt e. V. (2018): Entomofaunistische Untersuchungen in der Dübener Heide. Teilbereich Sachsen-Anhalt. - Schönebeck, 478 Seiten. Für den Kammmolch wird der Erhaltungszustand im FFH-Gebiet FFH0133 „Buchenwaldgebiet und Hammerbachtal in der Dübener Heide“ mit C eingestuft, der letzte Nachweis datiert aus dem Jahr 2013. Quellenangabe: Grosse, W.-R.; Simon, B.; Seyring, M.; Buschendorf, J.; Reusch, J.; Schildhauer , F.; Westermann, A. & Zuppke, U. (2015): Die Lurch und Kriechtiere (Amphibia et Reptilia) des Landes Sachsen-Anhalt. - Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 4/2015, 640 S. 11) Gemäß Artenlisten nach Anh. IV FFH-RL wird u. a. auch das Vorkommen des Edelkrebses (Astacus astacus) im LSG 35 beschrieben. Direkt am Hammerbach im FFH-Gebiet 133 wird er symbolisch auf einer Informationstafel der Heide-Biber-Tour abgebildet. Welche Vorkommen sind im Gebiet um den Hammerbach seit 2012 bekannt? Der Edelkrebs Astacus astacus ist eine Art nach Anhang V der FFH-Richtlinie. Vorkommen im LSG Dübener Heide sind u. a. am Fliethbachsystem bekannt, nicht jedoch am Hammerbach in Sachsen-Anhalt. Vorkommen sind jedoch am Hammerbach auf sächsischer Seite bekannt (Martin et al. 2008). Quellenangabe: Martin, P.; Pfeifer, M. & Füllner, G. (2008): Flusskrebse in Sachsen. - Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, 85 S. 4342-15 4341-02 4341-01 4341-03 4341-13 4342-01