Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3543 29.10.2018 (Ausgegeben am 30.10.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aufforstungen im Zuge von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Kleine Anfrage - KA 7/1995 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Welchem Genehmigungsverfahren unterliegt eine Aufforstung im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen? Als Aufforstungen werden im forstrechtlichen Sinne Maßnahmen bezeichnet, die die Etablierung von Waldbeständen zum Ziel haben. Hiervon zu unterscheiden sind Gehölzpflanzungen, die nicht zur Begründung von Wald führen. Bei Maßnahmen der Aufforstung wird dabei zwischen der durch Anpflanzung oder im Wege der Naturverjüngung erfolgenden Bewaldung auf kahlgeschlagenen oder verlichteten Waldflächen (sog. Wiederaufforstung) und der Aufforstung bisher nicht mit Wald bestockter Flächen (sog. Erstaufforstung) unterschieden . Während zur Wiederaufforstung eine gesetzliche Verpflichtung des Waldbesitzers besteht, bedarf die Erstaufforstung - auch wenn diese als Ersatzoder Ausgleichsmaßnahme aufgrund forstrechtlicher (bei Waldumwandlung) oder naturschutzrechtlicher (bei Eingriffen) Bestimmungen erfolgt - gemäß § 9 LWaldG einer Genehmigung der zuständigen Forstbehörde. Die Erstaufforstung darf nur versagt werden, wenn Erfordernisse der Landesplanung, des Naturschutzes oder der Landschaftsplanung entgegenstehen oder erhebliche Nachteile für die benachbarten Grundstücke zu erwarten sind und den Erfordernissen nicht durch Auflagen entsprochen werden kann. In Verfahren mit Konzentrationswirkung, wie z. B. wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren , sind nach § 75 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 1 VwVfG LSA keine anderen behördlichen Entscheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen , Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen und somit auch keine gesonderten forstbehördlichen Ge- 2 nehmigungen der Erstaufforstung erforderlich; es sind jedoch die materiellrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen nach § 9 LWaldG zu beachten. Zudem findet in diesen Verfahren regelmäßig eine Einbeziehung und Beteiligung der Forstbehörden statt. 2. Welche gesetzlichen Regelungen gelten für Aufforstungen im Zuge von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen? Entsprechende Antwort ist unter Frage 1 aufgeführt. 3. Wie viele Aufforstungen wurden seit 2016 aufgrund von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgenommen? Bitte Anzahl und Größe in ha auflisten. Wie hoch war der Anteil landwirtschaftlicher Nutzflächen an diesen Aufforstungsflächen ? Die nachgefragten Daten werden statistisch nicht zentral erfasst. Nach Angabe der Landkreise und kreisfreien Städte wurden seit 2016 mit Stichtag 30.09.2018 ca. 143 auf der Grundlage naturschutz- oder forstrechtlicher Bestimmungen erfolgende Erstaufforstungen mit 157 ha Flächenumfang vorgenommen. Dabei wurden rund 76 ha landwirtschaftliche Nutzfläche in Anspruch genommen. Bei den Angaben ist zu berücksichtigen, dass die Zahlen nicht gesichert sind. Es kann im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass gegenüber den tatsächlich realisierten Werten Differenzen bestehen, da keine Meldepflicht erfolgter Erstaufforstungen gegenüber den unteren Forstbehörden bspw. nach der Waldverzeichnisverordnung vorhanden ist. Hinsichtlich des Anteils in Anspruch genommener landwirtschaftlicher Nutzfläche ist anzumerken, dass dieser grundsätzlich ohnehin nicht erfasst wird. 4. Im Zuge des Deichneubaus am Gimritzer Damm in Halle wurden, nach Angaben der Stadt Halle, für 253 gefällte Bäume ein Ausgleich in Form einer Aufforstung im Bereich Südpark geschaffen. Auf welcher Grundlage wurde die Genehmigung für diese Aufforstung erteilt? Die am 15.07.2013 durch die Stadt Halle (Saale) begonnenen vorbereitenden Maßnahmen, insbesondere die in der Kleinen Anfrage benannten 253 Baumfällungen , zum geplanten Deichneubau im Bereich der Saaleaue am Gimritzer Damm stellen Eingriffe in Natur und Landschaft gem. § 14 BNatSchG dar. Aufgrund der Gehölzfällungen während der Brutzeit im Sommer wurden auch artenschutzrechtliche Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Ziff. 3 BNatSchG (Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten von wild lebenden Tieren besonders geschützter Arten) sowie möglicherweise Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Ziff. 1 BNatSchG (Töten und Verletzen von Tieren besonders geschützter Arten) verletzt. Wird ein Eingriff ohne die erforderliche Zulassung, hier eine wasserrechtliche Planfeststellung des Deichbaues, vorgenommen, so hat die zuständige Behörde (hier: LVwA) gem. § 17 Abs. 8 BNatSchG die weitere Durchführung des Eingriffs zu untersagen. Dies erfolgte hier durch den verfügten Baustopp durch das LVwA Ende Juli 2013. Nach § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG soll dann, soweit 3 nicht auf andere Weise ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden kann, die zuständige Behörde (LVwA) entweder Maßnahmen nach § 15 BNatSchG oder die Wiederherstellung des früheren Zustands anordnen. Dies bedeutet, dass die Stadt Halle (Saale) die Verantwortung für den Ausgleich bzw. Ersatz gem. § 15 (2) BNatSchG für alle bis zum Zeitpunkt des Baustopps vorgenommenen Eingriffe in Natur und Landschaft trägt. Die Ersatzanpflanzungen für die unrechtmäßig vorgenommenen Eingriffe in Natur und Landschaft wurden durch das LVwA gem. § 17 Abs. 8 S. 2 BNatSchG im Jahre 2015 endgültig gegenüber der Stadt Halle (Saale) angeordnet. Die aktuellen Planungen des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft zum Deichneubau am Gimritzer Damm wurden mit dem zum Zeitpunkt des durch das Land verfügten Baustopps vorgefunden Eingriffszustand begonnen. 5. Ist mit der erfolgten Aufforstung im Bereich Südpark der Eingriff am Gimritzer Damm vollständig kompensiert? Wenn nein, in welchem Umfang (Anzahl Bäume) und an welchen Standorten in Halle müssten weitere Aufforstungsarbeiten erfolgen? Zusätzlich zu den Ersatzanpflanzungen wurden infolge der gleichzeitig mit dem unrechtmäßig vorgenommenen Eingriff in Natur und Landschaft erfolgten Verstoßes gegen das Artenschutzrecht 40 Nistkästen und 10 Fledermauskästen im räumlich ökologischen Zusammenhang mit der Eingriffsfläche (Auwaldflächen außerhalb des Planungsraumes) als artenschutzrechtliche Ersatzmaßnahmen ausgebracht. 6. Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, falls nach der erheblichen Trockenheit des Sommerhalbjahres 2018 die Aufforstung geschädigt wurde und ein Total- bzw. Teilausfall zu verzeichnen ist? Die Anordnung der Ersatzanpflanzungen gem. § 17 Abs. 8 BNatSchG durch den Präsidenten des LVwA gegenüber der Stadt Halle vom Juni 2015 erhielt folgende Maßgaben: „Für die Pflanzungen ist durch die Stadt Halle (Saale) eine fünfjährige Anwuchs- und Entwicklungspflege gemäß den Empfehlungen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung, Landschaftsbau e. V. (FLL) sicherzustellen. Die Aufforstung ist durch die Stadt Halle (Saale) dauerhaft zu erhalten.“ Daraus ergibt sich die Verpflichtung der Stadt Halle, die Anpflanzungen dauerhaft zu erhalten und bei Teil- oder Totalausfall zu ersetzen.