Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3562 06.11.2018 (Ausgegeben am 07.11.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ulrich Siegmund (AfD) Entlastung des Landrates Landkreis Stendal für das Haushaltsjahr 2016 Kleine Anfrage - KA 7/2025 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im Landkreis Stendal wurde im Amtsblatt Nr. 22 vom 18. Juli 2018 der Beschluss des Kreistages über den Jahresabschluss 2016 des Landkreises Stendal sowie die Entlastung des Landrates bekannt gegeben und die öffentliche Bekanntmachung mit Einsichtnahme in der Zeit vom 26. Juli 2018 bis 16. August 2018 verkündet. Dieser Beschluss wurde einstimmig, d. h. von allen anwesenden Mitgliedern des Kreistages, darunter auch Vertreter, die Mitglieder des Landtages sind, gefasst. Diese Vorgehensweise ist für viele Bürger des Landkreises sehr erstaunlich und nicht nachvollziehbar. Obwohl alle Beteiligten wissen, dass noch mehrere Verfahren beim Verwaltungsgericht wegen vermeintlich rechtswidriger Abfallgebührenbescheide für das Jahr 2016 anhängig sind, dass die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Abfallgebühren wegen Untreue und Betrug und wegen des Betriebes einer nicht genehmigten Anlage (Deponie Stendal) gegen den Landrat ermittelt und dass noch mindestens zwei unerledigte Dienstaufsichtsbeschwerden gegen den Landrat im Zusammenhang mit Missständen in der Abfallwirtschaft vorliegen, wird dem Landrat „vollumfänglich Entlastung“ erteilt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. Wer ist für die Prüfung dieses Beschlusses auf Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit unter Beachtung der genannten Umstände zuständig? Nach § 120 Abs. 1 Satz 4 Kommunalverfassungsgesetz (KVG LSA) hat die Vertretung über den Jahresabschluss der Kommune zu beschließen. Mit der Bestäti- 2 gung des Jahresabschlusses entscheidet die Vertretung zugleich über die Entlastung des Hauptverwaltungsbeamten (§ 120 Abs. 1 Satz 5 KVG LSA). Kraft Gesetzes muss der Hauptverwaltungsbeamte Beschlüssen der Vertretung widersprechen, wenn er der Auffassung ist, dass diese rechtswidrig sind (§ 65 Abs. 3 Satz 1 KVG LSA). Im Fall des Beschlusses der Vertretung über den Jahresabschluss und die Entlastung des Hauptverwaltungsbeamten kommt ein Widerspruch durch den Hauptverwaltungsbeamten wegen bestehender Interessenskollision nicht in Betracht, sodass dem allgemeinen Vertreter des Hauptverwaltungsbeamten (§ 67 KVG LSA) die Widerspruchspflicht gegen einen seiner Auffassung nach rechtswidrigen Beschluss der Vertretung obliegt. Die Beschlussfassung der Vertretung über den Jahresabschluss und die Entlastung sind der Kommunalaufsichtsbehörde mitzuteilen (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 1 KVG LSA). Die Kommunalaufsichtsbehörde kann im Rahmen der Ausübung ihres gesetzlichen Opportunitätsermessens einen rechtswidrigen Beschluss beanstanden und aufheben (vgl. § 146 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA). Zuständige Kommunalaufsichtsbehörde für Landkreise ist das Landesverwaltungsamt (vgl. § 144 Abs. 3 Satz 1 KVG LSA). 2. Wie ist der Stand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Landrat des Landkreises Stendal in Bezug auf die Sachverhalte Betrug, Untreue (Abfallgebühren) und Betrieb einer ungenehmigten Anlage (Deponie Stendal )? Der Leitende Oberstaatsanwalt Stendal hat berichtet, dass die Kleine Anfrage ein Ermittlungsverfahren betrifft, welches unter dem justiziellen Aktenzeichen 305 UJs 6411/17 bislang gegen Unbekannt geführt wird. Die Ermittlungen betreffen diverse Lebenssachverhalte und dauern an. 3. Welche Auswirkungen sind im Ergebnis der Klageverfahren beim Verwaltungsgericht wegen rechtswidriger Abfallgebührenbescheide 2016 zu erwarten ? Insgesamt wurden sechs Klageverfahren durch einen klageführenden Bürger wegen seiner Auffassung nach rechtswidriger Abfallgebührenbescheide 2016 eröffnet . Darüber hinaus gab es zwei Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zu vier dieser Gebührenbescheide; diese Anträge sind sowohl vom Verwaltungsgericht als auch vom Oberverwaltungsgericht abgelehnt worden. 4. Können hohe Rückzahlungsforderungen an den Landkreis Stendal gestellt werden? Insgesamt handelt es sich um ein Gebührenvolumen in Höhe von ca. 500 Euro, sodass keine hohen Rückzahlungsforderungen entstünden. 5. Muss die Landesregierung bei Rückzahlungsproblemen des Landkreises finanzielle Unterstützung leisten? Nein. 3 6. Wie ist der Stand der Bearbeitung der Dienstaufsichtsbeschwerden gegen den Landrat des Landkreises Stendal in Bezug auf die Missstände in der kommunalen Abfallwirtschaft, die seit fast 2 Jahren gestellt sind? Dem Kreistag des Landkreises Stendal liegen eine Dienstaufsichtsbeschwerde vom 23. Februar 2017 und eine Erweiterung dieser Dienstaufsichtsbeschwerde vom 10. März 2017 gegen den Landrat des Landkreises Stendal vor. Der Kreistag und die zuständigen Ausschüsse haben sich mit der Thematik befasst. Die Entscheidung über die Dienstaufsichtsbeschwerde ist vom Kreistag bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zurückgestellt worden. 7. Können die Mitglieder des Kreistages für rechtswidrig gefasste Beschlüsse, bzw. der Einbringer solcher Beschlüsse zur Verantwortung gezogen werden ? Wenn Mitglieder der Vertretung vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, haben sie gemäß § 34 Abs. 1 KVG LSA der Kommune den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, soweit die Kommune nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.