Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3570 06.11.2018 (Ausgegeben am 06.11.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Lydia Funke (AfD) Nachfrage zur Antwort auf die KA 7/1855 „Nutzung von Derivaten als Finanzmittel im AZV Unstrut-Finne“ in der Drucksache 7/3248 Kleine Anfrage - KA 7/2041 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. In Bezug auf die Antwort zu Frage 1: 1.1. Woraus resultieren die Gebührenunter- und überdeckungen und in welcher Höhe lagen sie vor? Nach Auskunft des Abwasserzweckverbandes (AZV) Unstrut-Finne resultiere die Gebührenunterdeckung im Jahr 2013 aus der von der Stadt Querfurt und seinen Ortsteilen an den AZV Unstrut-Finne zu zahlenden Abwassergebühr und belief sich auf 234.155,01 Euro. Die Gebührenüberdeckung beim AZV Unstrut-Finne sei infolge von Kreditumschuldungen , die zu niedrigeren Zinsen führten, entstanden. Sie belief sich im Jahr 2012 auf 14.132,48 Euro und im Jahr 2014 auf 191.758,24 Euro. 1.2. Von welchen Sondereffekten ist die Rede, die sich auf die Bilanz auswirken ? Im Jahr 2013 wurden nach Auskunft des AZV Unstrut-Finne Rückstellungen gebildet, die sich aus der Überdeckung der Abwassergebühren durch die Inanspruchnahme der sog. Bürgermeisterkanäle im Abrechnungsgebiet Laucha-Bad Bibra ergaben. 2 2. In Bezug auf die Antwort zu Frage 2: 2.1. Wie stellen sich die Jahresgewinne für 2014 und 2015 in der Bilanz dar? Welche Gründe liegen für diese deutlich unterschiedlichen Jahresgewinne vor? Nach Auskunft des AZV Unstrut-Finne betrug das Jahresergebnis im Wirtschaftsjahr 2014 191.758,24 Euro und im Wirtschaftsjahr 2015 46.062,05 Euro. Das gegenüber dem Jahr 2015 deutlich höhere Jahresergebnis im Wirtschaftsjahr 2014 sei durch Kostenüberdeckungen aus der Kalkulationsperiode (Auflösung der Rückstellung) begründet. Die Jahresergebnisse werden auf neue Rechnung vorgetragen. 3. In Bezug auf die Antwort zu Frage 3: 3.1. Nach eigenen Angaben hat der AZV Unstrut-Finne im Januar 2009 ein Derivatgeschäft zur Absicherung von zwei Krediten (Restkreditsumme per 31. Januar 2009: 2.120.852,10 Euro) abgeschlossen. Nach welcher gesetzlichen Grundlage ist dies zulässig? Das Recht von Kommunen, derivative Finanzgeschäfte abzuschließen, beruht auf der Selbstverwaltungsgarantie gem. Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz i.V.m. Artikel 87 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und dem kommunalen Haushaltsrecht. Aus den Verpflichtungen zur sorgfältigen Vermögensverwaltung und zur Beachtung ausreichender Sicherheiten bei Geldanlagen gemäß § 112 Abs. 2 Kommunalverfassungsgesetz (KVG LSA) zur dauerhaften Sicherstellung der gemeindlichen Aufgabenerfüllung gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA sowie zu sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung gemäß § 98 Abs. 2 KVG LSA ergibt sich das Verbot, unnötige Risiken mit kommunalem Vermögen einzugehen (Spekulationsverbot). Mit Inkrafttreten der Änderung des KVG LSA vom 22. Juni 2018 sind gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 KVG LSA spekulative Finanzgeschäfte ausdrücklich verboten. Kommunale Körperschaften können ausnahmsweise (nichtspekulative) Zinsderivate einsetzen, um sich gegen ein Zinsänderungsrisiko aus Kreditgeschäften abzusichern (Zinssicherungsgeschäfte), wenn das Zinsderivat in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zum Kreditgeschäft (Grundgeschäft) steht (zeitliche und inhaltliche Konnexität). Dies ist der Fall, wenn sich aus einem oder mehreren Darlehensverträgen der kommunalen Körperschaft deshalb ein Zinsänderungsrisiko ergibt, weil entweder variable Zinsen vereinbart werden oder kurzfristige Darlehen aufgenommen werden , obwohl ein längerfristiger Finanzierungsbedarf besteht, und das Zinsderivat die kommunale Körperschaft gegen das sich daraus ergebende Zinsänderungsrisiko zumindest teilweise absichert. Die Vorschriften des KVG LSA gelten gemäß § 2 Abs. 4 Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKG-LSA) auch für Abwasserzweckverbände. 3 Zum Zeitpunkt des Abschlusses des besagten Derivatgeschäftes im AZV Unstrut -Finne im Jahr 2009 galten die dem KVG LSA inhaltsgleichen Vorschriften der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt (§§ 90 und 104 Abs. 2 GO LSA). 3.2. Welcher Zusammenhang bestand zwischen Kredit- und Derivatgeschäft, dass für drei Jahre zwei Kredite zinsorientiert abgesichert werden sollten? Der AZV Unstrut-Finne teilt hierzu mit, dass durch das besagte Derivatgeschäft (Zinsswap) im Jahr 2009 zwei Kreditgeschäfte mit variabler Verzinsung (Euribor ) für drei Jahre mit niedrigerem Zinssatz abgesichert werden konnten. 4. In Bezug auf die Antwort zu Frage 7: 4.1 Im Jahre 2004 wurde ein erster Beschluss über eine jährliche Zinssicherungsvereinbarung für einen Kommunalkredit gefasst. Da Derivate hoch spekulative Anlageformen sind, ergibt sich die Frage, was der konkrete Anlass für diesen Beschluss war, wenn damit gerechnet werden muss, Verluste zu fahren? Kommunen (und Zweckverbände) können Derivatgeschäfte zulässigerweise im Rahmen eines aktiven Zins- und Schuldenmanagements einsetzen. Spekulative Derivatgeschäfte sind für Kommunen verboten. Die Abgrenzung zwischen (unzulässigen ) spekulativen und (zulässigen) zinssichernden- bzw. zinsoptimierenden Derivatgeschäften erfolgt über den sog. „Konnexitätsgrundsatz“, nach welchem zwischen dem Darlehen und dem Grundgeschäft sowohl der Höhe nach als auch in zeitlicher Hinsicht ein sogenannter innerer homogener Zusammenhang bestehen muss. Eine kaufmännisch sorgfältige Geschäftsführung ist in diesem Zusammenhang sowohl den Erfordernissen der Rechtsordnung im Allgemeinen als auch den besonderen haushaltsrechtlichen Grundsätzen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft und dem treuhänderischen Umgang mit Mitteln des Steuer- oder Gebührenzahlers verpflichtet. Nach Darstellung des AZV Unstrut-Finne hatte der Vorgängerverband AZV Nebra (Fusion zum 1. Januar 2009) im Jahr 2004 für einen Kommunalkredit eine jährliche Zinssicherungsvereinbarung (Zinsswap) getroffen. Diese Vereinbarung innerhalb eines bestehenden Kommunalkredites sei bereits im Jahr 2010 ausgelaufen. Die Zinsbelastung sei durch den abgeschlossenen Zinsswap konstant geblieben. Verluste seien nicht entstanden. 4.2. Im Jahre 2012 habe die Verbandsversammlung des AZV Unstrut-Finne einen Beschluss zum Abschluss eines Zinsderivatgeschäftes in Verbindung mit zwei Angeboten über derivative Finanzierungsinstrumente gefasst. Der Beschluss der Verbandsversammlung wurde jedoch nicht umgesetzt. Es ergibt sich die Frage, weshalb? Mit Schreiben vom 14. Februar 2013 wurde der Berichtsentwurf des Landesrechnungshofes über die überörtliche Prüfung des AZV Unstrut-Finne aus dem Jahr 2012 dem AZV Unstrut-Finne übersandt. Zu Derivaten/SWAP-Geschäften 4 stellte der Landesrechnungshof dabei fest, dass es sich bei den Angeboten für einen Kreditportfolioswapvertrag (welche durch den Verband im Prüfungszeitraum eingeholt wurden) nicht um ein reines Zinssicherungsgeschäft handelt. Daher habe sich nach Auskunft des AZV Unstrut-Finne die Verbandsgeschäftsführung seinerzeit dafür entschieden, den Beschluss der Verbandsversammlung nicht umzusetzen.