Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3640 23.11.2018 Hinweis: Die Antwort wurde dem Fragestellenden mit der Maßgabe übermittelt, § 33 GSO LT zu beachten. Eine Einsichtnahme des vertraulichen Teils o. g. Antwort ist für Mitglieder des Landtages in der Landtagsverwaltung - Akteneinsichtnahmeraum - nach Terminabsprache möglich. Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 26.11.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Rechtsextreme Demonstrationen in Köthen I Kleine Anfrage - KA 7/2056 Vorbemerkung des Fragestellenden: Nach den Berichten über eine Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen in Köthen, in deren Folge ein junger Mann starb, kam es am 9. und 10. September 2018 zu mehreren Demonstrationen und Kundgebungen in der Stadt. Auf diesen wurden rechtsextreme Parolen wie „Nationaler Sozialismus! Jetzt! Jetzt! Jetzt“ skandiert , es sind Reden von einem angeblichen Rassenkrieg dokumentiert sowie das Zeigen von Hitlergrüßen. Eine Rednerin sprach mit Blick auf Journalistinnen und Journalisten sowie Linke davon, diese würden „brennen“. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) gibt Innenminister Holger Stahlknecht dazu mit der Äußerung wieder, „Wenn 2.500 Menschen demonstrieren, darunter 500 Rechtsextreme, muss man gut abwägen, was man tut. Wenn man in so eine Veranstaltung geht, besteht die Gefahr der Eskalation.“ (MDR.DE, 14. Oktober 2019, „Warum die Polizei trotz Hitlergruß nicht direkt eingreift“) 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Landesregierung: Der Landesregierung ist bekannt, dass an den Demonstrationen in Köthen am 9. und 10. September 2018 neben nicht extremistischen Personen auch Rechtsextremisten teilnahmen. Eine Bewertung, ob es sich bei dem Versammlungsgeschehen um „rechtsextremistische Demonstrationen“ im Sinne der Fragestellung handelt, ist mit der Beantwortung der Fragen nicht verbunden. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Schutzwürdige Interessen Dritter dürfen dabei aber nicht verletzt werden. Mit der Kleinen Anfrage werden entweder unmittelbar oder mittelbar, jedoch untrennbar mit einer sinnvollen Beantwortung der Kleinen Anfrage insgesamt verwoben, personenbezogene Daten i. S. von Art. 4 Nr. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) abgefragt. Die in der Antwort auf die Kleine Anfrage gemachten Angaben stehen damit in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen und dem verfassungsrechtlich verbürgten Informationsanspruch der Abgeordneten . Eine öffentliche Bekanntgabe der personenbezogenen Daten und deren anschließende Veröffentlichung würden die Rechte der Betroffenen verletzen. In dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Antwort können daher keine Informationen mitgeteilt werden, die personenbezogene Daten offen legen oder Rückschlüsse auf solche zulassen. Die vollständige Antwort der Landesregierung steht den Abgeordneten des Landtages deshalb in der Geheimschutzstelle (Akteneinsichtnahmeraum ) des Landtages von Sachsen-Anhalt zur Einsichtnahme zur Verfügung. 1. Wie viele Personen nahmen an den rechtsextremen Demonstrationen teil? Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung dazu vor, woher die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anreisten? Bitte aufschlüsseln nach Tag/Demonstration, Landkreisen/kreisfreien Städten und soweit Teilnehmende von außerhalb von Sachsen-Anhalt teilnahmen, nach Bundesländern , Ländern. Am 9. September 2018 fand in der Stadt Köthen (Anhalt) ein sogenannter Trauermarsch statt. An diesem Trauermarsch nahmen bis zu 2.500 Personen teil. Die Teilnehmer reisten sowohl aus Sachsen-Anhalt (u. a. Dessau-Roßlau, Burgenlandkreis, Bördekreis und Magdeburg) sowie aus Bayern, Brandenburg, Hessen und Niedersachsen an. Am 10. September 2018 fand in der Stadt Köthen (Anhalt) eine von einem Mitglied des Landtags angemeldete Versammlung statt. An dieser Versammlung nahmen bis zu 550 Personen teil. Die Teilnehmer reisten aus Sachsen-Anhalt 3 (u. a. Burgenlandkreis, Saalekreis, Mansfeld-Südharz und Landkreis Harz) sowie aus Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen an. 2. Mit wie vielen Kräften war die Polizei im Einsatz? Welche anderen Behörden des Landes oder des Bundes waren im Einsatz? Bitte aufschlüsseln nach Tag, Dienststellen/Einheiten. Der Polizeieinsatz am 9. September 2018 wurde u. a. mit mehr als acht Einsatzhundertschaften bewältigt. Neben der einsatzführenden Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost waren auch die Polizeidirektionen Sachsen-Anhalt Nord und Süd, die Landesbereitschaftspolizei sowie das Technische Polizeiamt am Einsatz beteiligt. Die Landespolizei wurde bei der Einsatzbewältigung durch Einsatzkräfte aus Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen und der Bundespolizei unterstützt. Der Polizeieinsatz am 10. September 2018 wurde mit acht Einsatzhundertschaften und einem Einsatzzug bewältigt. Neben der einsatzführenden Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost waren auch die Polizeidirektionen Sachsen- Anhalt Nord und Süd, die Landesbereitschaftspolizei sowie das Technische Polizeiamt am Einsatz beteiligt. Die Landespolizei wurde bei der Einsatzbewältigung durch Einsatzkräfte aus Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Niedersachsen , Schleswig-Holstein und Thüringen unterstützt. 3. Welche Rednerinnen und Redner traten auf den rechtsextremen Demonstrationen auf und aus welchen Orten/Bundesländern kamen diese? Wie schätzt die Landesregierung deren An- und/oder Einbindung in die rechtsextreme Szene ein? Bitte aufschlüsseln nach Tag/Demonstration. Der Landesregierung liegen Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung insoweit vor als bekannt ist, dass bei den Veranstaltungen in Köthen am 9. und 10. September 2018 neben nicht extremistischen Rednern auch bekannte Rechtsextremisten als Redner auftraten. Im Weiteren wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung zum Umgang mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verwiesen. 4. Wie viele Straftaten wurden im Zusammenhang mit den rechtsextremen Demonstrationen registriert? Bitte aufschlüsseln nach Tag/Demonstration und Tatbeständen. Im Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen am 9. September 2018 wurden nunmehr insgesamt 13 Ermittlungsverfahren eingeleitet: - 5 x Verstöße gegen das Versammlungsgesetz LSA, - 3 x Beleidigung gemäß § 185 Strafgesetzbuch (StGB), - 2 x Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB, - 1 x Volksverhetzung gemäß § 130 StGB, - 1 x Öffentliche Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 StGB sowie - 1 x Körperverletzung gemäß § 223 StGB. 4 Im Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen am 10. September 2018 wurden nunmehr insgesamt sechs Ermittlungsverfahren eingeleitet: - 2 x Beleidigung gemäß § 185 StGB, - 1 x Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB, - 1 x Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB, - 1 x Volksverhetzung gemäß § 130 StGB sowie - 1 x Bedrohung gemäß § 241 StGB 5. Wurden den rechtsextremen Demonstrationen behördliche Auflagen erteilt und wenn ja, welche? Wurden diese Auflagen eingehalten? Wenn nicht, wurden deswegen Ermittlungsverfahren eingeleitet? Bitte aufschlüsseln nach Tag/Demonstration. Einzelheiten zur Durchführung der Versammlungen wurden gemäß § 12 Abs. 3 VersammlG LSA jeweils zwischen Versammlungsbehörde und Veranstalter erörtert . Beschränkungen wurden nicht erteilt. 6. Wurden alle rechtsextremen Versammlungen gegenüber der zuständigen Versammlungsbehörde angemeldet? Wenn nein: Waren die Voraussetzungen aus § 13 Abs. 4 Nr. 1 VersammlG LSA erfüllt? Bitte aufschlüsseln nach Tag/Demonstration. Ja. 7. Weshalb wurden Demonstrationen auf denen Hitlergrüße gezeigt und Parolen wie „Nationaler Sozialismus! Jetzt! Jetzt! Jetzt“ skandiert wurden nicht aufgelöst? Lagen Gründe für eine Auflösung der Versammlungen vor? Welche Behörde traf die Entscheidung, ob die Versammlungen aufgelöst werden sollten? Wurde das Innenministerium in die Entscheidungsfindung einbezogen? Wurden durch das Innenministerium Weisungen getroffen und wenn ja, welche? Bitte aufschlüsseln nach Tag/Demonstration . Der Landesregierung liegen Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung insoweit vor als bekannt ist, dass eine unbekannte Person einen sogenannten Hitlergruß gezeigt haben soll. Hierzu wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet. Weitere Erkenntnisse zum Zeigen des sogenannten Hitlergrußes liegen nicht vor. Auflösungsgründe nach § 13 VersammlG LSA lagen nicht vor. Eine Einbeziehung des Ministeriums für Inneres und Sport erfolgte nicht. 8. Ist das oben genannte Zitat des Innenministers so zu verstehen, dass die Polizei nicht im Stande war, die Versammlungen am 9. und 10. September 2018 aufzulösen ohne bedeutende Rechtsgüter der Allgemeinheit zu gefährden ? 5 Nein. 9. Ist das oben genannte Zitat des Innenministers so zu verstehen, dass die Polizei nicht im Stande war, polizeiliche Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die in den rechtsextremen Demonstrationen Straftaten begangen haben beziehungsweise bei denen ein Anfangsverdacht gegeben war, ohne bedeutende Rechtsgüter der Allgemeinheit zu gefährden? Nein. 10. Ist das oben genannte Zitat des Innenministers so zu verstehen, dass rechtsextreme Demonstrationen nicht mehr aufgelöst werden, wenn sie nur groß genug sind/der Anteil gewaltbereiter Rechtsextremer groß genug ist, dass die Polizei nicht mehr in der Lage ist, die Versammlung aufzulösen ? Wenn ja: Weshalb war die Polizei nicht mit ausreichend Einsatzkräften vor Ort, um eine Auflösung durchsetzen zu können, sollte diese rechtlich möglich und tatsächlich geboten sein? Nein. 11. Journalistinnen und Journalisten berichten von Angriffen aus den rechtsextremen Demonstrationen/im Zusammenhang mit den rechtsextremen Demonstrationen auf sie. Wie viele dieser Angriffe sind der Landesregierung bekannt? Welche Maßnahmen hat die Landesregierung zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten in Köthen unternommen? Weshalb konnte es dennoch zu erfolgreichen Angriffen kommen? Zum Einsatzgeschehen am 9. September 2018 wurden insgesamt zwei Straftaten zum Nachteil von Journalisten bekannt. In einem Fall wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung zum Nachteil einer Journalistin aus Berlin gemäß § 185 StGB eingeleitet. Im Weiteren wurde ein Ermittlungsverfahren gegen einen unbekannten Täter wegen Körperverletzung gemäß § 223 StGB zum Nachteil eines Journalisten des Regionalfernsehens Bitterfeld-Wolfen eingeleitet . Zum Einsatzgeschehen am 10. September 2018 wurde eine Straftat zum Nachteil eines Journalisten aus Halle (Saale) bekannt. In diesem Fall wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB eingeleitet. Zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten bei den versammlungsrechtlichen Aktionen in Köthen (Anhalt) wurden geschulte Polizeivollzugsbeamte als sogenannte Konfliktmanager eingesetzt. Sie standen als Ansprechpartner für Journalisten im Einsatzgeschehen zur Verfügung und waren als solche auch gekennzeichnet. Diese hatten den Auftrag, bei erkennbaren Konflikten, die zum Beispiel zwischen Journalisten und Versammlungsteilnehmern, aber auch mit Einsatzkräften bei deren Handeln auftreten, deeskalierend einzuwirken. 12. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zur Gruppierung „Nationaler Widerstand Köthen“ vor? Insbesondere: Anzahl der Mitglieder, Aktivitäten der Gruppierung, begangene Straftaten durch Mitglieder in den 6 Jahren 2016, 2017 und 2018 bis heute. Bitte aufschlüsseln nach Datum, Tatvorwurf, Anzahl Beteiligter. Nach Kenntnis der Landesregierung ist die Gruppierung „Nationaler Widerstand Köthen-Anhalt“ (NWKA) in Sachsen-Anhalt erstmalig im Februar 2016 öffentlich in Erscheinung getreten. Die Größe dieser Gruppierung schwankte zwischen fünf und acht Mitgliedern. Diese traten zuvor u. a. als Einzelteilnehmer bei versammlungsrechtlichen Aktionen der rechten Klientel in der Region Anhalt in Erscheinung . Bei einer entsprechenden versammlungsrechtlichen Aktion am 19. März 2016 in Dessau-Roßlau trugen Mitglieder der NWKA Bekleidung mit entsprechendem Aufdruck „NWKA“. In der Folge traten nur noch einzelne Mitglieder mit bedruckter Bekleidung bei einzelnen versammlungsrechtlichen Aktionen öffentlich auf. Es wurden keine Straftaten im Zusammenhang mit der Gruppierung NWKA und ihren Mitgliedern bekannt. Die Gruppierung trat seit Dezember 2016 nicht mehr öffentlich in Erscheinung. 13. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, dass Mitglieder der Gruppierung in der Vergangenheit und/oder gegenwärtig zugleich Mitglieder anderer rechtsextremer Organisationen waren oder sind? Welche Verbindungen zu anderen rechtsextremen Organisationen/Parteien (inklusive der AfD) sind der Landesregierung bekannt? Nein.