Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3642 23.11.2018 Hinweis: Eine Einsichtnahme des vertraulichen Teils o. g. Antwort ist für Mitglieder des Landtages in der Landtagsverwaltung - Akteneinsichtnahmeraum - nach Terminabsprache möglich. Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 26.11.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Rechtsextreme Demonstration in Halle (Saale) am 10. September 2018 Kleine Anfrage - KA 7/2058 Vorbemerkung des Fragestellenden: Nach den Ereignissen in Köthen fand am 10. September 2018 auch in Halle eine rechtsextreme Demonstration statt. Bereits in den Tagen zuvor hatte eine lokale Nachrichtenseite berichtet, Rechtsextreme würden unter der AfD-Parole „Hol Dir Dein Land zurück“ zu einer „Großdemonstration“ nach Halle mobilisieren. Für eine solche Demonstration lag jedoch keine Anmeldung bei der zuständigen Versammlungsbehörde vor, dagegen wurde die sogenannte „Montagsdemonstration“ eines lokalen Rechtsextremen sowohl angemeldet als auch durchgeführt. Noch am Tag zuvor teilte die Landesregierung in einer Pressekonferenz zu den Ereignissen in Köthen mit, man habe die zu erwartende Lage in Halle im Blick und sei gut vorbereitet . Nach Berichten der Mitteldeutschen Zeitung („Hunderte Rechte und Gegendemonstranten ziehen durch Halle“, 11. September 2018) konnte der Gegenprotest zeitweilig den angemeldeten Versammlungsraum nicht nutzen, da nicht genügend Polizeikräfte im Einsatz waren, um den Protest gegen die rechtsextreme Demonstration abzusichern. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Landesregierung: Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Landesregierung trifft aber eine Schutzpflicht das Wohl des Landes Sachsen-Anhalt betreffend. Teile der Antwort der Landesregierung müssen insoweit als Verschlusssache „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestuft werden. Hierbei wird der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt gefolgt, nach der bei der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung gegenüber dem Parlament unter Geheimhaltungsaspekten wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen mit einbezogen werden können (vgl. Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. September 2013, Az.: LVG 14/12; Urteil vom 25. Januar 2016, Az.: LVG 6/15). Hierzu zählt auch die Geheimschutzordnung des Landtages (GSO-LT). Die Einstufung als Verschlusssache ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Wohl des Landes Sachsen-Anhalt geeignet, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Landesregierung zu befriedigen (Art. 53 Abs. 3 und 4 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt). Die öffentliche Preisgabe von weiteren Informationen zu der Frage 5 würde Rückschlüsse auf sensible Arbeits- und Verfahrensweisen sowie Taktiken der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt ermöglichen. Das Bekanntwerden dieser Informationen ließe somit befürchten, dass verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht mehr wirksam entgegengetreten werden kann und hierdurch dem Wohl des Landes Sachsen-Anhalt Nachteile zugefügt würden. Im Weiteren erfolgt die nachfolgende Beantwortung der Fragen unter Bezug auf das Versammlungsgeschehen in der Stadt Halle (Saale) am 10. September 2018. Eine Bewertung, ob es sich bei dem Versammlungsgeschehen um „rechtsextremistische Demonstrationen“ im Sinne der Fragestellung handelt, ist damit nicht verbunden . 1. Wie viele Personen nahmen an der rechtsextremen Demonstration teil? Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung dazu vor, woher die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anreisten? Bitte aufschlüsseln nach Landkreisen /kreisfreien Städten und soweit Teilnehmende von außerhalb von Sachsen-Anhalt teilnahmen, nach Bundesländern. Am 10. September 2018 fand in der Stadt Halle (Saale) eine versammlungsrechtliche Aktion unter dem Thema „Montagsdemo in Halle - Für Frieden, Ehrliche Medien, Soziale Gerechtigkeit“ statt. An dieser Versammlung nahmen bis zu 450 Personen teil. Die Teilnehmer reisten sowohl aus Sachsen-Anhalt (u. a. Halle [Saale], Landkreis Mansfeld-Südharz und Anhalt-Bitterfeld) sowie aus Leipzig an. 3 2. Mit wie vielen Kräften war die Polizei im Einsatz? Welche anderen Behörden des Landes oder des Bundes waren im Einsatz? Bitte aufschlüsseln nach Dienststellen/Einheiten. Der Polizeieinsatz am 10. September 2018 in Halle (Saale) wurde u. a. mit mehr als drei Einsatzhundertschaften und einem Einsatzzug bewältigt. Neben der einsatzführenden Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd war auch die Landesbereitschaftspolizei am Einsatz beteiligt. Die Landespolizei wurde bei der Einsatzbewältigung durch Einsatzkräfte aus Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen unterstützt. 3. Nach Angaben des Sprechers der Polizeidirektion Süd wurden Einsatzkräfte nachgefordert. Weshalb wurden diese Einsatzkräfte nachgefordert und wie viele und woher? Vor dem Hintergrund der hohen Teilnehmerzahlen sowie der kurzfristigen Anmeldung einer Gegenversammlung wurden Einsatzkräfte, die zunächst in Köthen eingesetzt, jedoch im Zuge einer vorherigen Einschätzung der Gesamteinsatzlage in Sachsen-Anhalt auch für einen Einsatz in Halle (Saale) vorgeplant waren, zur Einsatzbewältigung hinzugezogen. Damit kamen insgesamt die Kräfte der Länder Hessen (ein Einsatzzug) und Niedersachsen (eine Einsatzhundertschaft) sowie des Freistaates Thüringen (eine Einsatzhundertschaft) in Halle (Saale) zum Schutz der Versammlungen zum Einsatz. 4. Welche Erkenntnisse lagen der Polizei beziehungsweise der Landesregierung im Vorfeld der Demonstration vor, insbesondere zur Mobilisierung durch rechtsextreme Gruppierungen? Der Landesregierung lagen im Vorfeld der Demonstration Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung insoweit vor, als bekannt geworden war, dass Rechtsextremisten aus Sachsen-Anhalt über die Sozialen Medien und diverse Messenger -Dienste zur Teilnahme an der so genannten „Montagsdemonstration“ am 10. September 2018 in Halle (Saale) aufgerufen hatten. 5. Welche Rednerinnen und Redner traten auf der rechtsextremen Demonstration auf und aus welchen Orten/Bundesländern kamen diese? Wie schätzt die Landesregierung die An- und/oder Einbindung in die rechtsextreme Szene ein? Nach den der Landesregierung derzeit vorliegenden Erkenntnissen traten bei der in Rede stehenden Veranstaltung neben Herrn Sven Liebich zwei weitere Personen als Redner auf. Die Mitteilung weiterer Erkenntnisse ist der Landesregierung in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Beantwortung der Kleinen Anfrage aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich. Zur Begründung wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung zu dieser Kleinen Anfrage verwiesen. 4 6. Wie viele Straftaten wurden im Zusammenhang mit der rechtsextremen Demonstration registriert? Bitte aufschlüsseln nach Tatbeständen und Anzahl der Beteiligten. Im Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen am 10. September 2018 wurden insgesamt 14 Straftaten erfasst. Zu den registrierten Straftaten wurden insgesamt zwölf Ermittlungsverfahren eingeleitet. Diese richten sich gegen elf namentlich bekannte Beschuldigte sowie gegen eine unbekannte Person. Mitunter wurden im Rahmen einer Tathandlung mehrere Straftatbestände verwirklicht und in einem Ermittlungsverfahren zusammenhängend bearbeitet. Eingeleitete Ermittlungsverfahren zu folgenden Straftaten: - 6 x Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Strafgesetzbuch (StGB), - 2 x Körperverletzung gemäß § 223 StGB, - 2 x Beleidigung gemäß § 185 StGB, - 1 x Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB, - 1 x Verstoß gegen § 27 des Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt über Versammlungen und Aufzüge, - 1 x Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß § 90a StGB sowie - 1 x Körperverletzung im Amt gemäß § 340 StGB. 7. Wurden der rechtsextremen Demonstration behördliche Auflagen erteilt und wenn ja, welche? Wurden diese Auflagen eingehalten? Wenn nicht, wurden deswegen Ermittlungsverfahren eingeleitet? Nachfolgende Beschränkungen wurden durch die Versammlungsbehörde erteilt : „1. Bei polizeilichen Lautsprecher- bzw. Megaphondurchsagen sind der eigene Lautsprecherbetrieb und die Verwendung von Megaphonen unverzüglich einzustellen. 2. Bei allen Reden, Musikbeiträgen und sonstigen Äußerungen ist der öffentliche Frieden zu wahren. Es ist untersagt, zum Hass bzw. zur Gewalt gegen Bevölkerungsgruppen, insbesondere gegen Ausländer, aufzurufen. Die Menschenwürde anderer darf nicht verletzt werden, indem Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden. 3. Bei Einsatz von akustischen Hilfsmitteln bzw. technischen Schallverstärkern darf die Gesamtlautstärke einen Höchstwert von 75 dB (A), gemessen in einer Entfernung von 10 Metern zur Emissionsquelle (Lautsprecher), nicht überschritten werden. 4. Die Beschränkungen Nr. 1-2 sind den Teilnehmern mit Beginn der Versammlung durch Verlesen bekannt zu geben.“ Die Auflagen wurden eingehalten. Zu strafbaren Handlungen Einzelner wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet (vgl. Antwort auf Frage 6). 5 8. Nach Angaben des o. g. Artikels wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstration im Vorfeld durch die Bundespolizei begleitet. Von wo ab wurden diese durch die Bundespolizei begleitet? Weshalb fand die Begleitung durch die Bundespolizei statt? Haben dazu im Vorfeld Gespräche zwischen Behörden des Bundes oder des Landes mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demonstration stattgefunden? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Maßnahmen der Bundespolizei vor. 9. Nach Angaben von Teilnehmenden des Gegenprotests haben Polizeibeamte einem Teilnehmer der Demonstration dabei geholfen, ein Hakenkreuztattoo an seinem Hals abzukleben. Sieht die Landesregierung dies als vom Auftrag der Polizei gedeckt an? Gegen einen 54-jährigen Hallenser wurden Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB eingeleitet, da dieser öffentlich wahrnehmbar eine Tätowierung auf der linken Halsseite trug. Bei der Tätowierung handelte es sich um eine Art Abbild eines Soldaten mit Hakenkreuz im linken Auge ein. Nach Feststellung wurde die Tätowierung zur unverzüglichen Verhinderung der fortgesetzten Tatbegehung von den eingesetzten Kräften mittels Heftpflaster abgeklebt. Im Übrigen ist die Entscheidung zur Gewährung oder Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit in solchen Fällen vom Einzelfall unter Beachtung der jeweiligen Umstände abhängig. 10. Wie bewertet es die Landesregierung, dass der Gegenprotest nach Angaben von Polizeibeamten vor Ort nur ungenügend abgesichert werden konnte? Soweit die rechtsextreme Demonstration eine Gefahr für den Gegenprotest und Dritte dargestellt hat, weshalb wurde diese Versammlung nicht aufgelöst? Der Polizeiführer hat im Rahmen eines Kooperationsgespräches mit dem Versammlungsleiter der Gegenversammlung eine Alternativroute für den Aufzug vereinbart. Diese Maßnahmen wurden zum Schutz der Versammlungen sowie zur Umsetzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (gemäß Artikel 8 GG) durchgeführt. Im Übrigen sind an die Auflösung von Versammlungen hohe rechtliche Voraussetzungen geknüpft, die bei der in Rede stehenden Versammlung nicht vorlagen .