Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3644 23.11.2018 (Ausgegeben am 26.11.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Daniel Roi (AfD) Reformbedarf des KWG LSA Kleine Anfrage - KA 7/2062 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Kommunalwahl 2014 in Cottbus wurde kürzlich für ungültig erklärt. Grund war eine Klage einer Bürgerin wegen zu ungleicher Wahlbereiche. Zwar liegt Cottbus in Brandenburg, jedoch sieht das Kommunalwahlgesetz in Brandenburg - genau wie das KWG LSA - eine mögliche Abweichung der Wahlbereiche vom Durchschnitt bis zu 25 Prozent vor. In Cottbus lag die Abweichung bei 12,6 Prozent unter und 21 Prozent über dem Durchschnitt und damit im Rahmen des laut KWG Möglichen. Jedoch stellte das Gericht fest, dass nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden, um die Wahlbereiche anzupassen. In der Urteilsbegründung sah das Gericht die Wahlgleichheit nicht gegeben. Die Richter hielten der kreisfreien Stadt Cottbus vor, dass sie nicht alle Möglichkeiten genutzt habe, um diese Abweichungen zu vermeiden. Am 20. September 2018 hat der Kreistag von Anhalt-Bitterfeld die Wahlbereiche für die Kreistagswahl 2019 festgelegt. Die von der Verwaltung vorgeschlagenen sechs Wahlbereiche sehen Abweichungen von bis zu 20,4 Prozent unter und 20,5 Prozent über dem Durschnitt vor. Damit liegt eine viel größere Abweichung als in Cottbus vor. Zur Beschlussfassung lag dem Kreistag in Form eines umfassend begründeten Änderungsantrages eine zweite Variante mit vier Wahlbereichen vor, wonach die maximale Abweichung bei nur 5,6 Prozent unter bzw. 10,3 Prozent über dem Durchschnitt aller Wahlbereiche lag. Des Weiteren wären mit der alternativen Variante keine Gemeindegrenzen verletzt worden. Die MZ berichtete am 4. Oktober 2018 über die beiden Anträge im Kreistag.1 1 https://www.mz-web.de/koethen/weniger-wahlbereiche--kreistag-stimmt-ueber-zwei-varianten-zurkommunalwahl -2019-ab-31389922 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Landesregierung: Die Vorbereitung und Durchführung der Kommunalwahlen, die auch die Einteilung der Wahlbereiche umfasst, ist eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises, die vor Ort in den ausschließlichen Verantwortungsbereich der Kommunen fällt. Die Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zur verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltung. Der Landesregierung und der Landeswahlleiterin kommt vorbehaltlich spezifischer gesetzlich begründeter und hier nicht einschlägiger Kompetenzen im Einzelfall kein Weisungsrecht zu, Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes und Art. 87 der Landesverfassung. Insofern obliegt der Landesregierung im Vorfeld der Kommunalwahlen weder eine Bewertung, ob der Landkreis Anhalt-Bitterfeld seinen ihm zustehenden Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eingehalten hat, noch eine Beurteilung, ob zweckmäßige Lösungen gefunden wurden. Ob die verfassungsrechtlichen Grenzen eingehalten wurden, obliegt einer etwaigen gerichtlichen Kontrolle im Wahlprüfungsverfahren. 1. Wie sieht die Landesregierung die Einteilung der Wahlbereiche zur Kreistagswahl in Anhalt-Bitterfeld vor dem Hintergrund des Urteils von Cottbus und dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl? Vorangestellt sei, dass das zitierte Urteil des Verwaltungsgerichtes (VG) Cottbus noch nicht rechtskräftig ist. Gegen diese Entscheidung wurde Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Ungeachtet dessen ist zu konstatieren, dass das Urteil des VG Cottbus nicht pauschal auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld übertragbar ist. Zum einen ist die Einteilung der Wahlbereiche zur Kreistagswahl im großflächigen durch ländliche Struktur geprägten Landkreis Anhalt-Bitterfeld nicht mit der der zitierten Entscheidung des VG Cottbus zugrunde liegenden Wahlbereichseinteilung der kreisfreien Stadt Cottbus gleichzusetzen. Denn gerade im ländlichen Raum kann es beispielsweise gerechtfertigt sein, auf gewachsene Ortsstrukturen Rücksicht zu nehmen. Hingegen ist es in Großstädten regelmäßig durch die Verschiebung angrenzender Straßenzüge oder einzelner kleiner Stadtbereiche möglich, zu Wahlbereichen ähnlicher Größe zu kommen. Zum anderen hat der Landkreis Anhalt-Bitterfeld - im Gegensatz zur Stadt Cottbus, deren Vertreter selbst in der mündlichen Verhandlung vor Gericht die Wahlbereichseinteilung nicht erklären konnten - die gesetzliche Toleranzgrenze nicht in pauschal unzulässiger Weise angewandt. Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld hat - im Unterschied zur Stadt Cottbus - die tragenden Erwägungen für den Zuschnitt der Wahlbereiche sachlich unter Einbeziehung der tatsächlichen Verhältnisse erläutert und die Gründe für die Abweichungen vom Gebot annähernd gleich großer Wahleinheiten gewichtet sowie transparent und nachvollziehbar dargelegt . Welchen Erwägungen die Kommune bei der Gewichtung den Vorrang einräumt , liegt in ihrer Gestaltungsfreiheit. Für die abschließende Entscheidung über die Einteilung der Wahlbereiche steht ihr innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen ein Beurteilungsspielraum zu. 3 2. Wie sieht die Landesregierung die Einteilung der sechs Wahlbereiche vor dem Hintergrund der Regelung im KWG LSA, wonach Gemeindegrenzen bei Kreistagswahlen, laut § 7 Abs. 2 ausdrücklich eingehalten werden sollen ? § 7 Abs. 2 Kommunalwahlgesetz für das Land Sachsen-Anhalt (KWG LSA) enthält keine Maßgabe, dass Gemeindegrenzen ausdrücklich eingehalten werden sollen. Vielmehr ist ein Ermessensspielraum eröffnet, da Gemeindegrenzen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 5 KWG LSA nach Möglichkeit berücksichtigt werden sollen . 3. Wie schätzt die Landesregierung, vor dem Hintergrund der erfolgten Beschlusslage , die Rechtslage ein, sollte es in Anhalt-Bitterfeld, wie in Cottbus , zu einer ähnlichen Klage durch einen Bürger kommen? 4. Welche Empfehlung gibt die Landesregierung dem Landkreis Anhalt- Bitterfeld hinsichtlich des Beschlusses des Kreistages zur Einteilung der Wahlbereiche vom 20. September 2018? Die Fragen 3 und 4 werden im Zusammenhang beantwortet. Hinsichtlich der Bewertung der Rechtslage des Einzelfalls und einer darauf basierenden Empfehlung wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Allgemeine Hinweise zur Einteilung der Wahlbereiche an die Kommunen erfolgten am 12. September und am 7. November 2018. 5. Sieht die Landesregierung, vor dem Hintergrund der Urteilsbegründung (u. a. Gleichheit der Wahl) aus Cottbus, einen Bedarf zur Neuregelung des KWG LSA bzgl. der maximalen Abweichungen der Wahlbereiche vom Durchschnitt aller Wahlbereiche? Nein. § 7 Abs. 2 KWG LSA bedarf - wie auch alle sonstigen Normen - einer verfassungskonformen Auslegung.