Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3666 26.11.2018 (Ausgegeben am 27.11.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Lydia Funke (AfD) Versorgungssicherheit mit Strom in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/2069 Vorbemerkung des Fragestellenden: Durch den geplanten Atom- und Kohleausstieg soll die Stromproduktion von erneuerbaren Energiequellen ersetzt werden. Der Fokus liegt dabei auf Solar- und Windenergie , dessen Produktionskapazität, wenig überraschend, von den Wetterbedingungen abhängt, sodass die Versorgungssicherheit nur gewährleistet werden kann, indem externe Energiequellen, teils aus den europäischen Nachbarländern, nach Bedarf ins Stromnetz eingespeist werden müssen. Der Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat in einer seiner jüngsten Studien nicht nur fehlerhafte Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI) bei der Einschätzung von Kraftwerksüberkapazitäten in Deutschland festgestellt, sondern warnt ebenso davor, dass der gleichzeitige Ausbau von erneuerbaren Energiequellen und dem gleichzeitigen Abschalten von Kraftwerken zu einer europaweiten Instabilität der Elektrizitätsversorgung führen wird.1 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Wie kann die Landesregierung eine konstante und reibungslose Stromversorgung via erneuerbarer Energien garantieren, sobald die Laufzeit der Atomkraftwerke ab dem 31. Dezember 2022 abläuft und nach dem der geplante Kohleausstieg vollzogen ist? Die gesetzlichen Regelungen der Energiewirtschaft in Deutschland gehören zur konkurrierenden Gesetzgebung. Der Bund hat sein Gesetzgebungsrecht im Energiebe- 1 Vgl. https://www.welt.de/wirtschaft/energie/article181267192/Keine-Versorgungssicherheit-Ganz- Europa-geht-der-Strom-aus.html 2 reich u. a. durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ausgeübt. Im EnWG wird unter § 1 klargestellt, dass Zweck und Ziel des Gesetzes „… eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht“ ist. Die Bundesnetzagentur wacht im Auftrag der Bundesregierung darüber, dass die hohe Qualität der Stromversorgung in Deutschland gesichert bleibt. Die Sicherung der Stromversorgung obliegt somit dem Bund. Dieses ist auch angesichts des länderübergreifenden Aufbaus und Ausbaus der Stromnetze sowie der Verteilung der Stromerzeugungskapazitäten zielführend. Die Energieversorgungssicherheit in Sachsen-Anhalt ist gegenwärtig stabil. Stromausfälle sind die absolute Ausnahme. Dies kommt auch im SAIDI-Wert (System Average Interruption Duration Index) zum Ausdruck, der ein Indikator für die Zuverlässigkeit von Energienetzen und die durchschnittliche Dauer von Versorgungsunterbrechungen je Verbraucher angibt. Im Strombereich betrug der bundesweit ermittelte SAIDI-Wert im Jahr 2017 15,14 Minuten/Jahr. In einer Aufschlüsselung der Bundesnetzagentur nach Bundesland liegt der für Sachsen-Anhalt angegebene SAIDI-Wert bei 18,45 Minuten/Jahr. Zu den Fragen Kernkraft-/Braunkohleausstieg und Versorgungssicherheit liegen unterschiedliche Studien vor. Der Think Tank AGORA Energiewende geht in einem Kurzgutachten davon aus, dass durch die Abschaltung der 20 ältesten Braunkohlekraftwerke (8,4 GW) keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit entstehen. Die fehlenden Erzeugungskapazitäten könnten durch den restlichen Kraftwerkspark (unter Berücksichtigung des Atomausstiegs) kompensiert werden. Der Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft (BDEW) kommt in einer Studie von Mai 2018 zu dem Schluss, dass die heute noch bestehenden Überkapazitäten im Kraftwerkspark in wenigen Jahren abgebaut sein werden und spätestens ab 2023 auf eine Unterdeckung bei der gesicherten Leistung zusteuern. Um nach Abschaltung der Atomkraftwerke und bei Reduktion der Kohlekraftwerkskapazitäten die Versorgungssicherheit und auch die insbesondere für die Industrie wichtige Versorgungsqualität auf höchstem Niveau zu halten, müssen vor allem die erneuerbaren Energien konsequent weiter ausgebaut werden, der Netzausbau und die Netzertüchtigung weiter im notwendigen Tempo voranschreiten und hinreichende Speicherkapazität verfügbar sein. Zudem geht es um weitere Stärkung der KWK- Anlagen und die Schaffung von neuen emissionsarmen Gaskraftwerkskapazitäten. Im Kontext der Sektorenkopplung (Power-to-Gas) kommt den Speicherkapazitäten zusätzlich eine ausgleichende Funktion bei Erzeugungsspitzen durch die erneuerbaren Energien zu. Die geologischen Voraussetzungen für Speicherkapazitäten sind in Sachsen-Anhalt vorhanden und sollten optimal ausgenutzt werden. 3 2. Wie erklärt sich die Landesregierung, dass laut den Zahlen des Umweltbundesamtes die Emissionswerte, welche hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Energieträger für die Stromproduktion verursacht werden, trotz des Ausbaus von erneuerbaren Energien seit den letzten 10 Jahren de facto stagnieren?2 Die zu Frage 2. als Quelle angegebene Pressemitteilung des Umweltbundesamtes bezieht sich auf die jährlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland im Zeitraum von 1990 bis 2016. Die Treibhausgasemissionen in Deutschland betrugen im Jahr 2016 insgesamt 909,4 Millionen CO2-Äquivalente und sind damit im Vergleich zum Jahr 2006 um circa 9 Prozent gesunken. Die energiebedingten Treibhausgasemissionen in Deutschland sind im Vergleichszeitraum um etwas mehr als 8 Prozent zurückgegangen 3. Die energiebedingten Treibhausgasemissionen in Deutschland und damit auch in Sachsen-Anhalt sind im Wesentlichen Anlagen zuzurechnen, die dem EU-Emissionshandel (European Union Emissions Trading System, EU ETS) unterfallen und insofern keinen nationalen Beschränkungen unterliegen. Durch die EU-weite Ausrichtung erfolgt grundsätzlich keine regionale Reglementierung der von diesem System erfassten Treibhausgasemissionen. In Sachsen-Anhalt ist für das Jahr 2016 gegenüber dem Jahr 2006 ein Rückgang der energiebedingten CO2-Emissionen in Höhe von circa 6,6 Prozent zu verzeichnen4. Im gleichen Zeitraum ist die Bruttostromerzeugung um 28 Prozent angestiegen5 und die Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern verdreifachte sich nahezu . Aus dieser Entwicklung resultiert eine bilanzielle Steigerung des Stromexportes aus Sachsen-Anhalt um 675 Prozent6. Damit hat sich in Sachsen-Anhalt einhergehend mit der Reduzierung von energiebedingten Treibhausgasemissionen die Bruttostromstromerzeugung signifikant erhöht. Der daraus resultierende bilanzielle Überschuss wird für die Stromversorgung anderer Bundesländer eingesetzt. 3. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Möglichkeit eines sogenannten „Blackouts“ bei der Stromversorgung ein? Welche konkreten Notfallpläne existieren für diesen Fall? Erhebungen zur Möglichkeit des Eintritts eines Blackouts liegen nicht vor. Auch in der Fachliteratur gibt es dafür keine genauen und feststehenden Angaben. Die Tatsache , dass es in den vergangenen Jahren in Europa nur wenige Blackouts gab und diese auch bereits wieder längere Zeit zurückliegen, belegt die prinzipielle Möglichkeit eines Blackouts, aber auch die Zurückverfolgbarkeit auf völlig unterschiedliche Ursachen. Kritische Infrastrukturen unterliegen einer Vulnerabilität, die durch unterschiedlichste Risiken und Gefahren sowie Kaskadeneffekte beeinträchtigt werden 2 Vgl. https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/klimagasemissionen-stiegen-imjahr -2016-erneut-an 3 Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-indeutschland #textpart-3 4 Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, Energiebedingte CO2-Emissionen in Sachsen- Anhalt seit 1990 5 Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, Bruttostromerzeugung nach Energieträgern und Jahren in Sachsen-Anhalt 6 Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, Strombilanz in Sachsen-Anhalt seit 1990 4 kann. Das Auftreten eines Blackouts ist somit von verschiedensten Faktoren abhängig , deren gegenseitige Beeinflussung im Kontext zum eingetretenen Schadensereignis betrachtet werden muss und nicht vorhersehbar ist. Die unteren Katastrophenschutzbehörden haben in ihren Katastrophenschutzabwehrkalendern und Sonderplänen Vorkehrungen für einen länger anhaltenden Stromausfall zu berücksichtigen. Einige der unteren Katastrophenschutzbehörden befinden sich diesbezüglich noch in der Planungsphase. Dies bezieht sich vorrangig auf Sachstandserhebungen zu Infrastrukturen, die notstromversorgt werden müssen sowie die zum Einsatz kommenden Netzersatzanlagen einschließlich deren Laufzeiten und Nachbefüllungszeiten. Parallel zu den Behörden haben auch die Stromnetzbetreiber Notfallpläne, denen die S 1002 „Hinweise für das Krisenmanagement des Netzbetreibers“ des VDE FNN (Forum Netztechnik/Netzbetrieb im Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik ) zugrundeliegen. Die Stromnetzbetreiber halten für das Beherrschen von Stromausfällen Krisenräume und regionale Einsatzleitungen vor. Für den Fall von Störungen des Netzes unterhalten Stromnetzbetreiber einen technischen Entstördienst , der rund um die Uhr einsatz- bzw. rufbereit ist. Für Störfälle stehen bei den Netzbetreibern lokal einsetzbare mobile Netzersatzanlagen inklusive Betankungsreserve bereit. Für die Behebung von Störungen halten die Netzbetreiber Reserve- Material und Technik bereit. 4. Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass in Amtsblättern (vorliegend für die Verbandsgemeinde Unstruttal/Burgenlandkreis) für die Sicherstellung der persönlichen Notfallvorsorge geworben bzw. eindringlich hingewiesen wird? Durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wird seit einigen Jahren ein Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen bereitgestellt mit dem Ziel, dass die Bevölkerung im Rahmen der Stärkung des Selbstschutzes bei eingetretenen Schadensereignissen bzw. Katastrophen, bei denen die kritische Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen ist, über einen eigenen Vorrat an z. B. Lebensmitteln, Getränken und Medikamenten verfügt. Nach Aussage der Verbandsgemeinde Unstruttal/Burgenlandkreis gibt es keinen besonderen Grund zur Veröffentlichung der Hinweise im Amtsblatt. Dies erfolgte in Verantwortung der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung.