Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3681 03.12.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 04.12.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Stefan Gebhardt (DIE LINKE) Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Absage des Konzerts „Feine Sahne Fischfilet“ am Bauhaus Dessau Kleine Anfrage - KA 7/2081 Vorbemerkung der Fragestellenden: Die Absage des Konzerts der Band „Feine Sahne Fischfilet“ am Dessauer Bauhaus hat bundesweit für Unverständnis gesorgt. Antwort der Landesregierung erstellt von der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur Frage 1: Wann wurde die Band „Feine Sahne Fischfilet“ für die Konzertreihe „zdf@bauhaus“ vom ZDF gebucht? Nach Auskunft des ZDF wurde die Buchung der Band „Feine Sahne Fischfilet“ durch die TVT.media GmbH (für das ZDF) vom Management der Band im August 2018 bestätigt und im September 2018 schriftlich fixiert. Frage 2: Wann hat der Kartenvorverkauf für den Auftritt der Band begonnen? Nach Auskunft des ZDF begann der Kartenvorverkauf am 12. Oktober 2018 um 21 Uhr. Frage 3: Innerhalb welchen Zeitraums waren die Karten für den Bandauftritt verkauft? 2 Nach Auskunft des ZDF waren die Karten innerhalb von drei Minuten verkauft. Frage 4: Wann, durch wen und mit welcher Begründung wurde die Entscheidung zur Absage des Konzerts der Band „Feine Sahne Fischfilet“ im Bauhaus Dessau getroffen? Nach Auskunft der Stiftung forderte die Direktorin und Vorstand der Stiftung Bauhaus Dessau das ZDF am 17. Oktober 2018 auf, das angesetzte Konzert der Band Feine Sahne Fischfilet in der Reihe zdf@bauhaus für den 6. November 2018 abzusagen. Dies erfolgte unter Bezug auf das Hausrecht der Stiftung Bauhaus Dessau als auch unter Bezug auf den gültigen Vertrag zwischen der Stiftung Bauhaus Dessau und TvTMedia, Köln, vom 26. März 2013. Frage 5: Wurden die Stiftungsratsmitglieder über die Absage informiert? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wann und in welcher Form wurden sie über die Absage informiert? Nach Auskunft der Stiftung wurde am Mittwoch, den 17. Oktober 2018, nicht die Gesamtheit der Stiftungsratsmitglieder durch die Direktorin informiert. Die Direktorin informierte die Mitglieder Lüddemann, Nussbeck und Robra. Am 30. Oktober 2018 fand eine Telefonschaltkonferenz des Stiftungsrats statt; am 07. November 2018 befasste sich der Stiftungsrat in regulärer Sitzung mit dem Thema. Frage 6: Wann und in welcher Form erhielt das ZDF die offizielle Mitteilung über die Absage des Bandauftritts? Vgl. Frage 4. Die Aufforderung zur Konzertabsage an das ZDF wurde nach Angaben der Stiftung am 17. Oktober postalisch versandt sowie am selben Tag vorab per Email. Frage 7: Beinhaltet der Vertrag zwischen dem ZDF und dem Bauhaus einen Passus, der die Ausübung des „Hausrechts“ vorsieht? Die Stiftung Bauhaus Dessau teilt hierzu mit: Der Vertrag enthält keine explizite Regelung zum Hausrecht. Das Hausrecht gilt grundsätzlich. Der Vertrag Stiftung Bauhaus Dessau und TvTMedia, Köln vom 26.03.2013, beinhaltet den Passus: „Der Produzent und seine Erfüllungsgehilfen haben jedwede Handlungen zu unterlassen, die für das Image und das Ansehen des Bauhauses und der Marke Bauhaus Dessau und/oder der Stiftung schädlich sind.“ Frage 8: Beinhaltet der Vertrag eine Kündigungsklausel oder ein Mitwirkungs- bzw. Kontrollrecht der Stiftung Bauhaus bezüglich des Programminhaltes? Wenn nein, auf welchem vertraglichen Passus beruht die Absage? 3 Die Stiftung Bauhaus Dessau teilt hierzu mit: Der Vertrag enthält weder eine Kündigungsklausel noch ein Mitwirkungs- bzw. Kontrollrecht der Stiftung Bauhaus bezüglich des Programminhaltes. Er enthält den Passus : „Der Produzent und seine Erfüllungsgehilfen haben jedwede Handlungen zu unterlassen , die für das Image und das Ansehen des Bauhauses und der Marke Bauhaus Dessau und/oder der Stiftung schädlich sind.“ Die Absage wurde mit dem Hausrecht begründet. Frage 9: Regierungssprecher Matthias Schuppe kritisierte laut Mitteldeutscher Zeitung den Auftritt der Band folgendermaßen: „Die Einladung der Band ist schwer bis nicht nachvollziehbar.“ Gibt der Regierungssprecher hierbei die Einschätzung der Landesregierung wieder und spricht damit auch für alle Koalitionsfraktionen ? Wenn ja, wann gab es dazu eine Abstimmung im Kabinett? Regierungssprecher Matthias Schuppe hat auf die tagesaktuelle Anfrage der Mitteldeutschen Zeitung als Sprecher der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur geantwortet . Frage 10: Wie hoch schätzt die Landesregierung den Imageschaden für das Bauhaus ein, der durch die Konzertabsage entstanden ist? Auf mittlere Sicht sieht die Landesregierung durch die Konzertabsage und die nachfolgende öffentliche Diskussion keine Beeinträchtigung des Images der Institution Stiftung Bauhaus Dessau. Frage 11: Welchen Wert bemisst die Landesregierung der Kunstfreiheit und sieht die Landesregierung die Kunstfreiheit im Fall der Absage des Auftritts der Band „Feine Sahne Fischfilet“ am Bauhaus Dessau als beschädigt an? Wenn nein, warum nicht? Eine vertragliche Beziehung zwischen der Stiftung Bauhaus Dessau und der Band hat es nicht gegeben. Das in der Landesverfassung und im Grundgesetz verfassungsrechtlich verbürgte Prinzip der Freiheit der Kunst ist ein Grundsatz der Landeskulturpolitik (vgl. S. 53 des Landeskulturkonzepts Sachsen-Anhalt 2025). Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG wie auch Art. 10 Abs. 3 Satz 1 der Landesverfassung garantieren die Freiheit der Betätigung im Kunstbereich umfassend, geschützt sind Werk- und Wirkbereich. Sinn und Aufgabe dieses Grundrechts ist es dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor allem, die freie Entwicklung des künstlerischen Schaffensprozesses ohne Eingriffe durch die öffentliche Gewalt zu garantieren (vgl. BVerfGE 30, 173 <190>); dabei wird der durch die Kunstfreiheit gewährte Schutz nicht dadurch beseitigt, dass es sich um ein künstlerisch vorgebrachtes politisches Anliegen handelt (vgl. BVerfGE 67, 213 <227 f.>). Die Landesregierung richtet ihre Kulturpolitik zudem am Auftrag des Art. 36 der Landesverfassung aus (S. 53 des Landeskulturkonzepts Sachsen-Anhalt 2025). Der in Art. 36 LVerf verankerten Förderpflicht auch speziell für den Bereich der Kunst 4 kommt dabei als Staatsziel i. S. des Art. 3 Abs. 3 LVerf nicht nur die Bedeutung einer Direktive für den Gesetzgeber sondern auch einer Auslegungsrichtlinie für Exekutive und Rechtsprechung zu (vgl. LVerfG, Urt. v. 25.04.2007 - LVG 6/06 - a.a.O., RdNr. 112, m.w.N.). Die Kunstfreiheit ist in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 10 Abs. 3 Satz 1 LVerf zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet; die Schranken ergeben sich insbesondere aus den Grundrechten anderer Rechtsträger, aber auch aus sonstigen Rechtsgütern mit Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 83, 130 <139>; 119, 1 <23 f.>). Eine „Beschädigung“ der Kunstfreiheit ist der Landesregierung im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Band ist in ihrer künstlerischen Betätigung ebenso frei wie in der Darbietung und Verbreitung ihrer Werke, die sie am 6. November 2018 in Dessau auch zur Aufführung brachte. Frage 12: Welchen Wert misst die Landesregierung der Programmhoheit des ZDF zu und inwiefern sieht die Landesregierung die Programmhoheit des ZDF im Fall der Absage des Auftritts der Band „Feine Sahne Fischfilet“ am Bauhaus Dessau als beschädigt an? Wenn nein, warum nicht? Die Programmhoheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist verankert in der Rundfunkfreiheit , wie sie in Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes gewährleistet wird. Die Rundfunkfreiheit dient vor allem der Vielfaltssicherung und beinhaltet hierfür zugleich das Gebot der Staatsferne. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 25. März 2014 (ZDF-Urteil) grundlegend zum Grundrecht der Rundfunkfreiheit geäußert: Danach dient die Rundfunkfreiheit der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Hierbei hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk, wie zuletzt im Juli 2018 vom Verfassungsgericht betont, eine herausgehobene Bedeutung . Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausfluss des Gebots der Vielfaltssicherung zugleich dem Gebot der Staatsferne genügen. Der Staat muss deshalb dafür Sorge tragen, dass die Gestaltung des Programms und dessen konkreten Inhalte nicht in die allgemeine staatliche Aufgabenwahrnehmung eingebunden und als deren Teil ausgestaltet sind. Die Rundfunkfreiheit hat damit, wie alle klassischen Freiheitsrechte, eine abwehrende Bedeutung. Die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflussnahme erstreckt sich dabei auf das gesamte Programm und erstreckt sich auf alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Beschaffung von Informationen, sowie der Produktion und Verbreitung der Programminhalte stehen. Die Grundrechte aus Art. 5 Absatz 1 Grundgesetz werden nach Absatz 2 nur so weit gewährt, wie ihnen keine allgemeinen Gesetze, Gesetze zum Jugendschutz oder Gesetze zum Ehrenschutz entgegenstehen. Der Möglichkeit des Eigentümers, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und Sicherheitsbedenken zu berücksichtigen , steht die Rundfunkfreiheit nicht entgegen. Die Absage des Auftritts der Band „Feine Sahne Fischfilet“ durch die Stiftung Bauhaus Dessau betrifft deshalb nicht einen Eingriff in die Programmhoheit des ZDF, das die geplante Konzertaufzeichnung am selben Tage im Brauhaus Dessau realisiert hat. 5 Frage 13: Kulturstaatsministerin Monika Grütters erklärte gegenüber der dpa, dass es ein „fatales Zeichen“ sei, „wenn der Druck der rechten Szene kulturelle Angebote unterbindet.“ Des Weiteren erklärt die Staatsministerin in einer zweiten Mitteilung : „Die Kunstfreiheit genießt in Deutschland durch Artikel 5 im Grundgesetz hohen Verfassungsrang. […] Deshalb darf niemals der Eindruck entstehen, dass der Druck der rechtsextremistischen Szene ausreicht, ein Konzert zu verhindern ." Wie bewertet die Landesregierung diese Aussagen der Kulturstaatsministerin ? Die Landesregierung bewertet keine Stellungnahmen der Bundesregierung, tritt der Aussage jedoch inhaltlich bei. Frage 14: Aus welchem Grund wurde in der Pressemitteilung des Bauhauses Dessau vom 18. Oktober 2018 folgendes Zitat des staatlichen Bauhauses Weimar vom 29. Januar 1920 verwendet: „Zu den wiederholten Beschuldigungen einer radikal -politischen Parteinahme im Bauhaus haben die Leitung und der Meisterrat schon mehrfach mit der Erklärung Stellung genommen, dass jede politische Tätigkeit im Bauhaus von jeher untersagt war.“ Wer hat entschieden, dieses Zitat für die Absage zu nutzen und warum wurde es später wieder entfernt? Die Erstellung der Pressemitteilung vom 18. Oktober 2018 erfolgte durch die Stiftung Bauhaus Dessau. Die Stiftung hat sich mit Pressemitteilung vom 22. Oktober 2018 von der Verwendung des Zitates distanziert. Frage 15: Fand angesichts der Mobilisierung rechter Gruppen, wie der Gruppe „Patriotisches Köthen“, und den damit verbundenen Gefahrenpotentialen eine Erörterung mit der Polizei und/oder anderen Sicherheitsbehörden statt? Wenn ja, wann und wie fand diese statt, wer waren die Beteiligten Institutionen und welches waren die Ergebnisse? Zwischen der Verwaltung des Bauhauses und der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost fand am 17. Oktober 2018 eine fernmündliche Erörterung im Sinne der Fragestellung statt. Der Verwaltung des Bauhauses wurde mitgeteilt, dass bei Durchführung des Konzertes im Bauhaus mit Gegenveranstaltungen der rechten Szene zu rechnen sei und vor diesem Hintergrund ein geschlossener Polizeieinsatz vorbereitet werden müsste. Frage 16: War die durch Frau Dr. Perren artikulierte Sorge und das Gefahrenpotential im Falle einer Durchführung des Konzertes im Bauhaus Gegenstand einer Abstimmung zwischen Minister Robra und dem Ministerium für Inneres und Sport bzw. dem zuständigen Minister Stahlknecht? Wenn ja, wann fand diese Abstimmung statt? Welche Gefahrenprognose wurde durch das für Sicherheit zuständige Ministerium erstellt und welches waren seine Empfehlungen? Durch das Ministerium für Inneres und Sport wurde die Staatskanzlei und Ministerium für Kultur am 17. Oktober 2018 darüber informiert, dass bei Durchführung des Kon- 6 zertes im Bauhaus mit Gegenveranstaltungen der rechten Szene zu rechnen sei und vor diesem Hintergrund ein geschlossener Polizeieinsatz vorbereitet werden müsste. Frage 17: War es aus Sicht der Landesregierung geboten, den Auftritt der Band zu unterbinden , weil die Sicherheit für die Teilnehmenden, die öffentliche Sicherheit und den Veranstaltungsort durch die Behörden des Landes Sachsen-Anhalt nicht hätte gewährleistet werden können? Nein. Welche Auswirkungen Demonstrationen, Gegendemonstrationen und Polizeieinsätze auf die schützenswerte Substanz des Weltkulturerbes gehabt hätten, bleibt infolge der Absage spekulativ. Frage 18: Im Falle eines Auftrittes im Bauhaus Dessau und einer rechtsextremen Versammlung als Gegenveranstaltung - welche polizeilichen und versammlungsrechtlichen Möglichkeiten hätten aus Sicht der Landesregierung bestanden, um eine Beschädigung des Veranstaltungsortes und eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu verhindern? Gemäß § 13 Abs. 1 des Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt über Versammlungen und Aufzüge kann die Versammlungsbehörde eine Versammlung verbieten oder von bestimmten Beschränkungen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Ob eine solche Gefahr zu erwarten ist und demnach ein Verbot oder eine Beschränkung in Betracht kommt, ist anhand tatsächlicher Anhaltspunkte im Wege einer Gefahrenprognose zu ermitteln. Diese muss sich an den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalles orientieren und steht hier infolge der Absage dahin.