Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3704 11.12.2018 (Ausgegeben am 12.12.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hagen Kohl (AfD) Clan-Kriminalität in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/2105 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Nacht zum 31. Mai 2018 wurde laut Medienberichten in der Stadt Essen ein 19-jähriger Syrer von acht Syrern schwer verletzt. Die Tatverdächtigen sollen Mitglieder einer syrischen Großfamilie sein. Bei einer anschließenden bundesweiten Großrazzia wurden insgesamt neun Personen des syrischen Clans festgenommen, davon zwei Personen in Sachsen-Anhalt. „Wann und warum sprechen die Sicherheitsbehörden überhaupt von „Clans“? Neben den allgemeinen Merkmalen für organisierte Kriminalität, wie der bandenmäßigen, planmäßigen Begehung von Straftaten, dem Gewinnstreben, den geschäftsähnlichen Strukturen und der Einschüchterung, müssen Clans zusätzliche familientypische Merkmale aufweisen. Dazu gehört außer den Blutsbanden die strenge Abschottung nach außen. Im Innern herrschen archaisch-patriarchalische Traditionen, es gilt das Gesetz des Schweigens, und oft regeln eigene „Friedensrichter“ den Streit innerhalb einer Familie. Sie bieten, könnte man sagen, Kriminellen einen besonderen Schutz durch ein eigenes Ordnungssystem. Im „Bundeslagebild 2017" weist das BKA ausdrücklich auf die wachsende Bedrohung durch diese Clans hin, die „unter Missachtung der vorherrschenden staatlichen Strukturen, deren Werteverständnis und Rechtsordnung eine eigene, streng hierarchische, delinquente Subkultur bildeten.“ 1 Die wachsende Bedrohung durch Clan-Kriminalität und insbesondere die Straftat in der Stadt Essen geben Anlass zur Nachfrage, welche Erkenntnisse der Landesregierung hinsichtlich der in den öffentlichen Fokus gerückten Clan-Kriminalität in Sachsen -Anhalt vorliegen. 1 https://www.zeit.de/2018/33/clans-deutschland-kriminalitaet-mitglieder/seite-2 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Vorbemerkung: Der Begriff „Clankriminalität“ ist bundesweit nicht abschließend definiert. Eine eindeutige Zuordnung von Ermittlungsverfahren zu diesem Phänomenbereich ist nur sehr eingeschränkt möglich. Zudem ist eine exakte Auswertung der relevanten Statistiken wegen fehlender Erfassungskriterien nicht valide. Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage wird daher auf die Definition des Anfragestellers Bezug genommen, die jedoch keine polizeiliche Begrifflichkeit abbildet. 1. Handelt es sich bei der im Bereich bzw. Umfeld der Stadt Naumburg aufhältigen Syrergruppe um Mitglieder eines wie in der Vorbemerkung beschriebenen polizeilich definierten Clans? Der Landesregierung sind Ermittlungsverfahren gegen einzelne Mitglieder einer syrischen Großfamilie aus dem Bereich bzw. Umfeld der Stadt Naumburg bekannt . Die Zuständigkeit für die Ermittlungen zu der in der Vorbemerkung des Anfragestellers erwähnten Straftat in Essen obliegt dem Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen. Der Landesregierung liegen zu den dort geführten Ermittlungen keine Erkenntnisse im Hinblick auf die Beantwortung der Frage vor. Unter Zugrundelegung der in der Vorbemerkung des Anfragestellers aufgeführten Kriterien zur Clankriminalität kann diese Personengruppe nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Landesregierung nicht dem Begriff „Clan“ zugeordnet werden. Wenn ja: 1.1 Wie viele Personen umfasst dieser Clan bundesweit und wie viele sind davon in Sachsen-Anhalt melderechtlich erfasst? Entfällt. 1.2 Gegen wie viele der in Frage 1.1 betreffenden Personen wurden bei den Staatsanwaltschaften in Sachsen-Anhalt jeweils wie viele Verfahren wegen welcher Delikte geführt? In wie vielen Fällen kam es hierbei zu einer Verurteilung zu welcher Strafe? Entfällt. 1.3 In welchen Bundesländern außerhalb von Sachsen-Anhalt sind Mitglieder dieses Clans melderechtlich erfasst und strafrechtlich in Erscheinung getreten ? Entfällt. 3 2. Wie hat sich die Kriminalitätslage im Bereich der „Organisierten Kriminalität “ (OK) seit dem Jahr 2014 bis heute im Land Sachsen-Anhalt entwickelt? Wie viele Ermittlungskomplexe wurden in diesem Zeitraum geführt, die der OK zugerechnet werden? Grundlage der Zuordnung eines Ermittlungsverfahrens zur Organisierten Kriminalität ist die von der Gemeinsamen Arbeitsgruppe Justiz/Polizei entwickelte gemeinsame Arbeitsdefinition „Organisierte Kriminalität“. Danach ist Organisierte Kriminalität die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte, planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder c) unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken. Die in dem Zeitraum von 2014 bis 2017 durch die Landespolizei geführten Ermittlungsverfahren , die der Organisierten Kriminalität zugeordnet werden konnten , sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Für das Jahr 2018 ist die Erhebung noch nicht abgeschlossen. Zu den durch Bundesbehörden im Land Sachsen-Anhalt geführten Ermittlungsverfahren wird auf die jeweiligen Bundeslagebilder „Organisierte Kriminalität“ des Bundeskriminalamtes verwiesen, die im Internet frei verfügbar sind. Jahr 2014 2015 2016 2017 Anzahl der OK-Verfahren 10 10 8 9 2.1 Wie viele dieser geführten Ermittlungskomplexe werden der Clan- Kriminalität zugerechnet? Keiner. 2.2 Wie viele Ermittlungskomplexe wurden in diesem Zeitraum gegen eine kriminelle Vereinigung oder Gruppierung (z. B. Motorradclubs) geführt, die der Clan-Kriminalität zugerechnet werden? Keine. 4 2.3 Wie viele Gruppierungen oder Vereine (z. B. Motorradclubs) in Sachsen- Anhalt stehen in Verbindung oder in Beziehung mit ethnisch dominierten Clans oder Vereinigungen, die der OK zugeordnet werden? Welchem Zweck dient diese Zusammenarbeit? Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nicht, sodass keine valide Beantwortung der Frage möglich ist. Darüber hinaus sind der Landesregierung derzeit keine Verbindungen oder Beziehungen von Gruppierungen oder Vereinen mit ethnisch dominierten Clans oder Vereinigungen, die der Organisierten Kriminalität zugeordnet werden, bekannt. 3. Gewinne aus der OK und der Clan-Kriminalität werden u. a. auch zum Zweck oder Versuch, diese zu legalisieren, in Immobilien angelegt. Im Rahmen wie vieler seit dem Jahr 2014 geführter Ermittlungskomplexe gegen die OK und dabei Clan-Kriminalität wurde eine Gewinnabschöpfung durchgeführt? Wie hoch waren die dabei sichergestellten Gelder oder, sofern es sich um Gegenstände handelt, die Sachwerte? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Im angefragten Zeitraum wurden keine Ermittlungskomplexe gegen die Organisierte Kriminalität mit Bezug zur Clan-Kriminalität geführt (vgl. Antwort auf Frage 2.1). 4. Verschiedene Landesregierungen haben das Problem „Clan-Kriminalität“ erkannt und entsprechende behördliche Gegenmaßnahmen ergriffen. Zum Beispiel hat die Bremer Polizei die „Informationssammelstelle Ethnische Clans“ („ISTEC“) eingerichtet. In Nordrhein-Westfalen läuft ein Projekt unter dem Namen „KEEAS“. Mit dem von der EU geförderten Projekt können die Behörden ihre Observationstechnik verbessern und wollen bis Ende 2018 die Strukturen der kriminellen Clans aufhellen. Das Land Niedersachsen hat eine Landesrahmenkonzeption beschlossen, um gegen die wachsende Kriminalität von Familienclans vorzugehen. Ist mit der Zunahme von Clan-Kriminalität zu rechnen? Wenn ja, welches sind die dafür maßgeblichen Gründe? Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bisher ergriffen, um der vorhandenen Clan-Kriminalität und deren Zunahme entgegenzuwirken? In Sachsen-Anhalt wurde das Phänomen der Clankriminalität bisher nicht als Kriminalitätsbrennpunkt identifiziert. Vor diesem Hintergrund besteht in Sachsen- Anhalt derzeit kein Erfordernis, neben den vorhandenen Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung und zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität weitere Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Phänomenbereiches zu initiieren. Zur zukünftigen Entwicklung der Clan-Kriminalität in Sachsen-Anhalt liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Sollten diesbezügliche Kriminalitätsbrennpunkte erkannt werden, wird darauf in geeigneter Weise reagiert werden.