Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3733 14.12.2018 (Ausgegeben am 17.12.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Folgen der Verkürzung der Verjährungsfrist infolge des Pflegepersonal- Stärkungsgesetzes für die Sozialgerichte Sachsen-Anhalts Kleine Anfrage - KA 7/2122 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der Bundestag hat am 9. November 2018 das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) verabschiedet, welches zum 1. Januar 2019 in Kraft treten wird. U. a. wurde die Verjährungsfrist für Rückforderungsansprüche der Krankenkassen gegenüber den Krankenhäusern auf zwei Jahre verkürzt. Ansprüche aus den Jahren 2014 bis 2016 verjähren nun bereits am 31. Dezember 2018 und mussten deshalb bis zum 9. November 2018 gerichtlich geltend gemacht werden. Das Sozialgericht Magdeburg berichtet nun in einer Pressemitteilung (Nr. 001/18) vom 9. November 2018, dass Anfang Oktober 2018 mit Bekanntwerden des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD mit dem Ziel der Verkürzung der Verjährungsfrist beim Sozialgericht Magdeburg Klagen gegen Krankenhäuser eingegangen sind, die tausende Behandlungsfälle mit mehreren Millionen Euro Rückforderungen betreffen und die jeweils einzeln zu prüfen sind. Das würde den Personalnotstand des Gerichts um ein Vielfaches erhöhen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie schätzt die Landesregierung den im Eingangstext beschriebenen Sachverhalt ein? Der Bundesgesetzgeber hat in § 325 SGB V bestimmt, dass die Krankenkassen mit Rückforderungsansprüchen ausgeschlossen sind, die vor dem 1. Januar 2017 entstanden sind und die bis zum 9. November 2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden. 2 Diesem Ausschluss sind Krankenkassen durch rechtzeitige Klageerhebung bei dem Sozialgericht begegnet. 1.1 Teilt die Landesregierung die vom Sozialgericht Magdeburg dargestellte Situation? Die Klagen sind bei dem Sozialgericht Magdeburg in der 45. Kalenderwoche eingegangen. Zur Bewertung der personellen Situation wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. 1.2 Ist die vom Sozialgericht Magdeburg beschriebene Klagewelle auch für die Sozialgerichte in Halle und Dessau-Roßlau zutreffend? Bei den Sozialgerichten Dessau-Roßlau und Halle sind ebenfalls Klagen gegen Krankenhäuser eingegangen, die tausende Behandlungsfälle mit mehreren Millionen Euro Rückforderungen betreffen. 2. Wie viele Klagen, die unmittelbar bzw. mittelbar im Zusammenhang mit der Ankündigung der Verkürzung der Verjährungsfrist für Forderungen der Krankenkassen auf Erstattung von Überzahlungen an Krankenhäuser stehen, sind bis zum 9. November 2018 beim Sozialgericht Magdeburg, beim Sozialgericht Halle und beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingegangen ? Bis zum 9. November 2018 waren bei den Sozialgerichten des Landes Sachsen -Anhalt wegen der Verkürzung der Verjährungsfrist folgende Klageeingänge zu verzeichnen: SG Dessau-Roßlau 84 Klagen SG Halle 242 Klagen SG Magdeburg 239 Klagen. 2.1.1 In wie vielen Fällen haben Krankenkassen - insbesondere im Zeitraum Anfang Oktober 2018 bis 9. November 2018 - Klage vor den Sozialgerichten des Landes Sachsen-Anhalt erhoben? Klagen von Krankenkassen wurden lediglich im Zeitraum 1. November 2018 bis 9. November 2018 erhoben. Insgesamt war der Eingang von 565 Klagen bei den Sozialgerichten des Landes Sachsen-Anhalt zu verzeichnen . Von den Klagen sind nach derzeitigem Stand 24.939 Behandlungsfälle betroffen. Diese Anzahl kann nach oben zu korrigieren sein, da aus den Klagen teilweise die konkrete Zahl der Behandlungsfälle (noch) nicht ersichtlich ist. 3 2.2 In welcher Höhe bestehen in den einzelnen Behandlungsfällen Rückforderungsansprüche der Krankenkassen gegenüber den Krankenhäusern ? Mit den 565 eingereichten Klagen werden Rückforderungsansprüche der Krankenkassen gegenüber Krankenhäusern in Höhe von insgesamt ca. 49.014.945,55 Euro geltend gemacht. Die Rückforderungsansprüche verteilen sich wie folgt: Sozialgericht Zahl der Klagen Zahl der Behandlungsfälle Rückforderungsansprüche Dessau-Roßlau 84 4.265 8.421.653,00 Euro Halle 242 7.460 14.018.219,00 Euro Magdeburg 239 13.214 26.575.073,55 Euro Insgesamt 565 24.939 49.014.945,55 Euro Die Summen ergeben sich aus der Addition der mit den Klagen geltend gemachten Forderungen. Die Klagen umfassen im Einzelfall bis zu 1.908 Behandlungsfälle, für die Rückforderungen in Höhe von ca. 2,9 Mio Euro geltend gemacht werden. Daneben sind auch zahlreiche Klagen eingegangen , die lediglich einen Behandlungsfall mit Rückforderungen meist zwischen 1.000 und 15.000 Euro betreffen. 3. Wie beurteilt die Landesregierung die gegenwärtige personelle Situation an den Sozialgerichten, um eine Klagewelle infolge der Verkürzung der Verjährungsfrist auf Grundlage des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes schnellst möglich abarbeiten zu können? Die Sozialgerichte des Landes sind auch nach der aktuellen Personalbedarfsberechnung - unter Zugrundelegung der Geschäftszahlen des ersten bis dritten Quartals 2018 - über Bedarf ausgestattet. Ob der gegenwärtige Personalbestand ausreichend sein wird, um auch die Klagen, die infolge des Pflegepersonal -Stärkungsgesetzes bei den Sozialgerichten anhängig geworden sind, zeitnah abarbeiten zu können, wird sich erst nach Auswertung der Verfahrenseingänge und der den jeweiligen Klagen zugrundeliegenden Behandlungsfälle belastbar und verlässlich beurteilen lassen. 4 3.1 Werden sich aus Sicht der Landesregierung die Anzahl unerledigter Verfahren und damit die Verfahrensdauer an den Sozialgerichten des Landes noch weiter erhöhen? Es ist derzeit nicht verlässlich vorhersehbar, ob sich durch die gestiegenen Verfahrenseingänge infolge des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes die Verfahrensdauer an den Sozialgerichten des Landes erhöhen wird. 3.2 Ist davon auszugehen, dass infolgedessen auch die Verfahrensdauer für unerledigte Verfahren im Rahmen sogenannter Hartz-IV-Klagen noch weiter steigen wird? Es wird auf die Antwort zu Frage 3.1 verwiesen. 4. Wie und mit welchen unterstützenden Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung , diesem Anzeichen einer neuen Klagewelle entgegenzuwirken und die Verfahrensdauer an den Sozialgerichten zu reduzieren? Sollte sich infolge der Auswirkungen des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes ein zusätzlicher Personalbedarf ergeben, werden die notwendigen personalwirtschaftlichen Maßnahmen im Rahmen der Handlungsspielräume getroffen werden .