Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3781 02.01.2019 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 03.01.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Maßnahmen gegen Vogelschlag beim Bauhaus Museum Dessau Kleine Anfrage - KA 7/2144 Vorbemerkung der Fragestellenden: Im neuen Maßnahmenplan der Bundesregierung zur Stadtnatur - Masterplan Stadtnatur - wird Vogelanprall an Glas zu den zentralen Themen des Artenschutzes im urbanen Raum gerechnet. Hintergrund dafür sind bestehende Schätzungen der Bundesregierung , wonach die jährliche Kollisionsrate an Glasfassaden und Gebäuden sich bundesweit auf mind. 18 Millionen Vögel pro Jahr beläuft. Die Länderarbeitsgemeinschaft der Deutschen Vogelschutzwarten (LAG VSW) geht laut eigenen Hochrechnungen dagegen sogar von einer Todesrate von 100 bis 115 Millionen Vögeln pro Jahr in Deutschland aus (Quelle: Der Falke; 5/2018; S. 27 ff.). Anlässlich des 100-jährigen Gründungsjubiläums des Bauhauses wird aktuell in Dessau -Roßlau ein neues Museum gebaut. Dieser Bau wird zu gleichen Teilen vom Bund und vom Land Sachsen-Anhalt finanziert. Bauherrin ist die Stiftung Bauhaus Dessau. Bei dem Neubau von addenda architects (González Hinz Zabala) handelt es sich um ein rundherum verglastes Gebäude. Da insbesondere durch die sensible Lage des Glasbaus inmitten einer städtischen Grünanlage das Tötungsrisiko von Vögeln durch Kollisionen an der Glasfläche signifikant erhöht ist, wurden geeignete Vorkehrungen zur Vermeidung von Vogelanprall an Glasflächen im B-Plan zur Auflage gemacht und im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag im Zuge der Objektplanung und Bauausführung weiter präzisiert. Antwort der Landesregierung erstellt von der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur Vorbemerkung: 2 Der Standort Stadtpark für das Bauhaus Museum Dessau wurde vom Stadtrat, vom Landtag und vom Stiftungsrat beschlossen. Frage 1; Welche Maßnahmen zum Schutz gegen Vogelkollisionen wurden beim Bau des Bauhaus Museum Dessau (BMD) durchgeführt bzw. sind noch vorgesehen? Nach Angaben der Stiftung Bauhaus Dessau ist bei den Maßnahmen vom Bebauungsplan 220 der Stadt Dessau-Roßlau auszugehen, der bereits in seinen textlichen Erläuterungen den Vogelschutz entsprechend allgemeinverbindlich vorsieht. Dem selben Zweck dienen dann die Auflagen 20-25 der Baugenehmigung 1051/16/73. Diese Baugenehmigung ist bestandskräftig und bindet beide Parteien (Stadt Dessau- Roßlau und Stiftung Bauhaus Dessau). Die gebäudehohe Glasfassade des am Rand des Stadtparks befindlichen Gebäudes umfasst oberirdisch das gesamte Gebäude als Pfosten-Riegel-Konstruktion. Von den vier Fassaden orientieren sich die Nord- und Ostfassade direkt zur Straße und zum bebauten Stadtraum; die Süd- und Westfassade zum angrenzenden Stadtpark. Der Glasaufbau besteht aus einer dreifach Isolierverglasung folgenden Aufbaus: Außenscheibe: 6mm TVG (teilvorgespanntes Glas) Scheibenzwischenraum: 16 mm Argon (erhöht Wärmedämmung und Schallschutz ) Mittelscheibe: 5mm TVG (teilvorgespanntes Glas) Scheibenzwischenraum: 16 mm Argon (erhöht Wärmedämmung und Schallschutz ) Innenscheibe: 2 x 4 mm Float + 1 ,52 mm PVB (Polyvinylbutyral, Verbundfolie zur Splitterbindung im Falle der Zerstörung des Glases) Abbildung: Aufbau des verwendeten Glases Entsprechend der Angaben des Herstellers liegt der Wert der Lichtreflexion bei 13,6 %. Zusätzlich wird die Verglasung auf der Innenseite der äußeren Scheibe (Pos. #2) mit einem Punktraster versehen. 3 Diese regelmäßige, flächendeckende Bedruckung, bestehend aus einem Raster aus 2 mm großen, basaltgrauen Punkten mit einem Achsabstand von 4,7 mm wird an allen Fassaden 30 % der Glasfläche bedecken. Abbildung: Raster der Bedruckung Neben der o. g. Fassadenbedruckung werden auch innenliegende Vorhänge, die dem sommerlichen Wärmeschutz und der Verdunklung des Innenraumes dienen zur Anwendung kommen. Zudem befinden sich im Inneren eine Vielzahl von Einbauten wie: im Erdgeschoss der Verwaltungs- und Veranstaltungstrakt, Tickettresen, Café, Museumsshop Sitzmöbel , Kunstwerke und Ausstellungselemente sowie im Obergeschoss die Blackbox (geschossübergreifender Ausstellungskubus in Beton), die die Durchsicht durch das Gebäude stark beeinträchtigten bzw. verhindern und damit im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeit die Gefahr des Vogelanpralls weitestgehend einschränken. Frage 2: Auf welcher Grundlage wurde die Wirksamkeit der von der Bauherrin geplanten Maßnahmen gegen Vogelanprall festgestellt? Wurden Gutachten oder fachliche Experteneinschätzungen zu dieser Frage bestellt und wenn ja, welche und zu welchem Zeitpunkt? Nach Angaben der Stiftung Bauhaus Dessau basiert die Wirksamkeit der geplanten Maßnahmen auf der seitens des Planer-Teams im Zuge der Planung entwickelten Maßgaben. Mit Blick auf die Bestandskraft der Baugenehmigung verbleibt dem Bauordnungsamt im Rahmen der Kontrolle der genehmigungskonformen Umsetzung die Darlegungsund Beweislast, dass die konkret vorgesehenen Maßnahmen zur Umsetzung des Vogelschutzes im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ggf. nicht geeignet, nicht erforderlich und im engeren Sinne unangemessen wären. Frage 3: Welche belegten Kompetenzen und Erfahrungen haben die beauftragten Gutachter zu dem Thema Vogelanprall an Glas, sofern entsprechende Gutachten in die Wege geleitet wurden? Nach Angaben der Stiftung Bauhaus Dessau waren die Vorlage von Gutachten nicht Teil der Auflagen 20-25 der Baugenehmigung 1051/16/73. 4 Frage 4: Sind qualifizierte Experten (z. B. der Naturschutzverbände oder aus der Wissenschaft ) in die Beurteilung der vorgesehenen Maßnahmen eingebunden worden? Nach Angaben der Stiftung Bauhaus Dessau wird durch den Verweis auf den B-Plan und die dortigen Formulierungen zur Vermeidung des Vogelschlages als Mindeststandard in den Auflagen 20-25 dem Bauherrn eine Prärogative zur Umsetzung dieser allgemeinen Vorgaben eingeräumt. Dies bindet dann zwangsläufig die seitens der Stiftung beauftragten Planer, Fachplaner und Sonderfachleute, hier insbesondere das bauplanende und objektüberwachende Architekturbüro. Frage 5 Wenn ja, welche Einschätzungen wurden von diesen geäußert und wie wurde und wird mit diesen im Zuge des Baus des BMD verfahren? Angabe der Stiftung Bauhaus Dessau unter Verweis auf die Stellungnahmen: a) der Architekten - addenda architects vom 26.01.2018 (Auszug): „ . . . Aus Sicht der Planer ist durch die Kombination der Maßnahmen davon auszugehen , dass das Vogelschlagrisiko deutlich verringert wird. Nach hiesigem Verständnis würde bereits die reflektionsarme Verglasung in Verbindung mit der Verhinderung der Durchsichtigkeit mittels innenliegender Betonwände , farbiger Trockenbauwände, Vorhänge, Möblierung und Ausstellungen die Kriterien erfüllen. Mit dem zusätzlichen Bedruckungsgrad von 30 % sollten die Maßnahmen mehr als komplettiert sein. . . .“ b) des Ingenieurbüros "leBird" vom 13.07.2018 (Auszug): „ . . . Das ca. 12 Meter hohe Gebäude, umhüllt von einer Glasfassade wird im Inneren durch die sogenannte Blackbox dominiert. Diese liegt in einer Höhe von 5 m auf zwei Treppenkernen auf und wird bis unter die Dachkante geführt. Aufgrund ihrer äußeren Beschaffenheit, bestehend aus dunkler Lasur auf strukturreichem Sichtbeton, ist festzustellen, dass die Durchsicht durch das Gebäude ab einer Höhe von 5 m nicht gegeben ist. Der Effekt wird durch den Kontrast der basaltgrauen Fassadenbedruckung verstärkt. Abbildung: Grundriss Erdgeschoss Ebenso verhält es sich an den bereits genannten Treppenkernen im Erdgeschoss. Auch diese bestehen aus strukturiertem und dunkel lasiertem Sichtbeton. Im nördlichen Bereich des Museums entsteht im Erdgeschoss gemäß Planung der Verwal- 5 tungsbereich mit Büros, Pack- und Kontrollraum für Kunstgut und einer Anlieferzone für LKW. Im Süden werden Veranstaltungs- und Workshopräume realisiert. Die entsprechenden räumlichen Situationen werden mithilfe von Trockenbaukonstruktionen geschaffen , die Wände verschiedenfarbig gestrichen. Somit entsteht in diesen Bereichen ein kontrastreicher Hintergrund, der die Gefahr des Vogelanpralls minimiert. Zwischen den Treppenkernen befindet sich das öffentliche Foyer des Museums. Hier werden der Tickettresen, ein Café, ein Museumsshop sowie verschiedene Sitzmöbel und Ausstellungselemente Platz finden. Abbildung: Visualisierung Büros Verwaltung Nach Angaben der Bauherrin wird die New Yorker Künstlerin Lucy Raven ihr Werk „Lichtspielhaus“, eine Installation aus 7, etwa 2,4 m x 5,0 m großen verschiebbaren Glasscheiben unterschiedlicher Farbgebung, im Museum präsentieren. Der Standort unterhalb des Randbalkens der Blackbox, wo bereits Schienen zur Aufhängung von weiteren Objekten eingebaut wurden, wird im weiteren Verlauf des Projektes noch näher definiert. Das Zusammenspiel all dieser Aspekte im Bereich zwischen den Treppenhäusern wird die Durchsicht durch das Gebäude stark beeinträchtigt und die Gefahr des Vogelanpralls weitestgehend einschränken. Abbildung: Visualisierung Erdgeschoss - Blick in Richtung Südkern 6 Abbildung: Visualisierung Erdgeschoss – Blick in Richtung Nordkern Kritisch zu betrachten sind an dieser Stelle die Eckbereiche der Glasfassade. Seitens der genehmigenden Behörde bestehen Zweifel ob der ausreichenden Wirksamkeit der o.g. Maßnahmen. Hier wird die Fassade ebenfalls mit einer Bedruckung (Punktgröße: 2 mm/ Bedruckungsgrad : 30%) versehen. Zusätzlich ist auf die stets vorhandenen Vorhänge hinter der Fassade zu verweisen. Sollten die Wetterbedingungen es erfordern, sind die Sonnenschutzvorhänge geschlossen. Diese bilden dann einen flächigen Kontrast hinter den Glasscheiben und beeinträchtigen die Durchsicht von außen. Bei bedecktem Himmel sind die Vorhänge geöffnet und befinden sich in den Parkpositionen - u.a. in den Ecken der Fassade; verhindern also im gerafften Zustand die Durchsicht in den Eckbereichen. . . . “ Frage 6 Wann wird die Glasfassade des sich im Bau befindlichen Gebäudes abschließend errichtet sein? Nach Angaben der Stiftung Bauhaus Dessau erfolgt dies bis Ende des Jahres 2018. Frage 7 Wird zu diesem Zeitpunkt der Schutz gegen Vogelschlag in rechtssicherer Weise gegeben sein? Nach Angaben der Stiftung Bauhaus Dessau wird der Schutz gegen Vogelschlag per se durch geeignete, erforderliche und angemessene planerische, fachtechnische und bautechnische Maßnahmen sichergestellt. Rechtlich ist entscheidend, dass dabei die im Rechtssinn quasi „widerstreitenden“ Interessen einerseits der „Baufreiheit“ und andererseits des „Naturschutzes“ in einen insgesamt verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. Auf Basis der planungsrechtlichen Vorgaben und den allgemein gefassten Auflagen der Baugenehmigung haben die von der Bauherrin gebundenen Experten, insbesondere das addenda architects und leBird diesen Interessenausgleich im Zuge einer auflagenkonformen Planung fachtechnisch sichergestellt. Rechtssicherheit ist durch die bestandskräftige Baugenehmigung gegeben.