Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3786 02.01.2019 (Ausgegeben am 03.01.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ulrich Siegmund (AfD) Fehlerhafte Krankenhausrechnungen, Verjährungsverkürzung für Kassenforderungen Kleine Anfrage - KA 7/2163 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Bundesregierung plant, eine Rechtsänderung zu verabschieden, die rückwirkend in die Rechte der gesetzlichen Krankenkassen eingreift. Geplant ist eine Halbierung der Verjährungsfrist für Forderungen der Kassen wegen fehlerhafter Rechnungen der Krankenhäuser von ursprünglich vier auf zwei Jahre. Die Krankenkassen sollen demnach auf alle Forderungen wegen falscher Klinikrechnungen vor 2017 verzichten , sofern diese zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes nicht vor den Sozialgerichten geltend gemacht wurden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration Vorbemerkung der Landesregierung: Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) wird dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) die gesetzliche Grundlage gegeben , bei Auslegungsfragen auch für die Vergangenheit Klarstellungen und Änderungen zu dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) sowie zum Diagnosenschlüssel (ICD) vorzunehmen. Hiermit soll auf Verunsicherungen reagiert werden, die insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, zum Beispiel zur Auslegung der Transportzeit bei der Schlaganfallversorgung oder zur Dokumentation der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung, entstanden sind. Das DIMDI wird kurzfristig rückwirkende Klarstellungen zu den beiden genannten Themen veröffentlichen. 2 Zugleich wird die bisher vierjährige Verjährungsfrist für Rückforderungsansprüche von Krankenhäusern und Krankenkassen einheitlich auf zwei Jahre verkürzt. Für Vergütungsansprüche von Krankenhäusern wird die Verkürzung der Verjährungsfrist nicht rückwirkend wirksam, sondern erst für ab dem 1. Januar 2019 entstehende Vergütungsansprüche. Um im Zusammenhang mit der Einführung der verkürzten Verjährungsfristen zudem möglichst flächendeckende gerichtliche Verfahren zu vermeiden , werden mit Beschlussdatum des PpSG im Deutschen Bundestag zum 9. November 2018 Rückforderungsansprüche der Krankenkassen für Jahre vor dem Jahr 2017 ausgeschlossen. 1. Um wie viele Fälle von kassenseitigen Regressforderungen an Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt auf die die geplante Regelung der Bundesregierung Anwendung finden würde, handelt es sich? Wie viele und welche Krankenhäuser im Land sind betroffen? In Sachsen-Anhalt sind ca. 20.000 Fälle bekannt, in denen die Krankenkassen, Regressansprüche gegenüber Krankenhäusern angemeldet haben. Diese Fälle sind zum Teil in Sammelklagen zusammengefasst. Zur genauen Anzahl der bei den Sozialgerichten eingereichten Klagen wird auf die Antwort der Landesregierung zur KA 7/2122 (Drucksache 7/3733 vom 14.12.2018) verwiesen. Derzeit sind 30 betroffene Krankenhäuser Sachsen-Anhalts bekannt: 1. AMEOS Klinikum St. Salvator Halberstadt GmbH 2. Diakoniekrankenhaus Seehausen gGmbH 3. Kliniken Weißenfels-Hohenmölsen 4. Diakonissenkrankenhaus Dessau 5. AMEOS Klinikum Haldensleben 6. Harzklinikum Dorothea Christiane Erxleben 7. Kliniken Mansfeld-Südharz 8. Krankenhaus Martha-Maria 9. Krankenhaus Jerichower Land 10. Universitätsklinikum Halle 11. Krankenhaus St. Elisabeth & St. Barbara 12. Paul Gerhard Diakonie 13. Helios Klinik Köthen GmbH 14. Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannstrost 15. AMEOS Klinikum Schönebeck GmbH 16. Lungenklinik Ballenstedt 17. Carl von Basedow-Klinikum saalekreis 18. Klinikum Bernburg 19. Klinikum in den Pfeifferschen Stiftungen 20. Klinikum Burgenlandkreis 21. Klinikum Aschersleben-Staßfurt 22. Diakoniekrankenhaus Halle 23. Altmark Klinikum 24. Universitätsklinikum Magdeburg 25. Gesundheitszentrum Bitterfeld / Wolfen 26. Krankenhaus Zerbst 27. Krankenhaus Calbe 28. Lungenklinik Lostau 29. Bördekrankenhaus 30. Krankenhaus Stendal 3 2. Sind in der oben genannten Angelegenheit bereits Vertreter der Krankenund Ersatzkassen an die Landeregierung herangetreten? Hinsichtlich der genannten Angelegenheit fand bereits ein intensiver Austausch (sowohl schriftlich als auch telefonisch und persönlich) zwischen dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration, den Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft statt. Am 26.11.2018 wurde die Sachlage auf Einladung des Ministeriums in einer gemeinsamen Beratung mit den Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft erörtert. 3. Wie hoch ist die Summe, die der Versichertengemeinschaft in Sachsen- Anhalt aus der „Generalamnestie“ für die betreffenden Falschabrechnungen der Krankenhäuser entgehen würde? Diese Frage kann derzeit nicht beantwortet werden, da das Ausmaß der Klagen noch nicht abschätzbar ist. Bundesweit könnten die Forderungen, Schätzungen zufolge, im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich liegen. 4. Wie bewertet die Landeregierung die oben genannten Pläne der Bundesregierung ? Die Ursache für die bestehende Situation sind nicht falsche Abrechnungen der Krankenhäuser sondern Entscheidungen des Bundessozialgerichts und die seitens des Bundes geänderten gesetzlichen Vorgaben. Durch ein Urteil des Bundessozialgerichts zur Schlaganfallversorgung wurde die bisher vorgegebene Transportzeit zwischen den bei der Behandlung kooperierenden Kliniken für alle überraschend neu definiert. Die Krankenkassen nutzen die durch das Bundessozialgericht ausgelöste Rechtsunsicherheit, um Rechnungen für Leistungen der Krankenhäuser im Rahmen der Schlaganfallversorgung zu kürzen, die von den Krankenhäusern ordnungsgemäß und im Interesse der Patientinnen und Patienten erbracht wurden. Der Landesregierung ist sehr an einer qualitativ hochwertigen Versorgung und der Einhaltung von Qualitätsvorgaben bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten insbesondere beim Schlaganfall gelegen. Gerade in diesen Fällen ist eine schnelle und optimale Versorgung für sie lebensnotwendig. Im Hinblick auf die Stichtagsregelung im Pflegepersonalstärkungsgesetz, mit der eine Rechtslücke geschlossen werden sollte, ist auf Bundesebene wohl unterschätzt worden, welche Folgen diese Regelung in der Praxis hat. Anlässlich der aus der Rechtsprechung resultierenden „Klagewelle“ haben der GKV-Spitzenverband und die Bundesverbände der Krankenkassen unter Moderation des Bundesministerium für Gesundheit mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft am 6. Dezember 2018 eine Empfehlung verabschiedet, die im Interesse aller Beteiligten Rahmenempfehlungen für die Lösung der Konfliktfälle vor Ort (Krankenhaus und Krankenkasse) gibt. Eine Beteiligung der Bundesländer war nicht geplant. Die Empfehlung zielt darauf ab, dass die Krankenkassen ihre Klagen zurückzuziehen, etwaige Rechnungskürzungen stoppen und sich weiter aktiv für den Erhalt der flächendeckenden Schlaganfallversorgung einsetzen.