Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3787 02.01.2019 (Ausgegeben am 03.01.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wahrnehmbarkeit von Lärm Kleine Anfrage - KA 7/2171 Vorbemerkung der Fragestellenden: In der Antwort der Landesregierung (Drs. 7/3303) auf die Kleine Anfrage „Mehr Tempo -30-Zonen in Sachsen-Anhalt - Weniger Lärm und Beitrag zur Vision Zero (0 Verkehrstote)“ (KA 7/1833) heißt es zu Frage 7: „Da laut wissenschaftlichen Studien jedoch erst eine Lärmpegelminderung ab 3 dB(A) wahrgenommen werden kann, wird in vielen Fällen die durch die Geschwindigkeitsbeschränkung erreichte Lärmpegelminderung nicht wahrnehmbar sein.“ Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. Auf welche wissenschaftlichen Publikationen stützt die Landesregierung diese Aussage? Die Landesregierung weist darauf hin, dass wissenschaftliche Publikationen nicht als einzige Grundlage für Entscheidungen über straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen aus Lärmschutzgründen herangezogen werden. Vielmehr entstammt die in der Anfrage erwähnte Formulierung den zusammengefassten Erfahrungen der oberen Straßenverkehrsbehörde, die sich einerseits aus höchstrichterlicher Rechtsprechung und Urteilsbegründungen und andererseits aus Erkenntnissen im Rahmen von Bundestagsanfragen und Gesetzgebungsverfahren ergeben haben. Die Landesregierung weist darauf hin, dass Grundlage für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm die Lärmschutz- Richtlinien-StV des Bundes vom 23. November 2007 (VkBl 2007, S. 767) sind. Dort ist die Hörbarkeitsschwelle von 3 dB(A) in Nr. 2.3 verankert. Die Richtlinien 2 gelten nur für bestehende Straßen und lehnen sich an die Grundsätze des baulichen Lärmschutzes an bestehenden Straßen (Lärmsanierung) an. 2. Bei welchen Planungen (Bspw. Straßen) der Landesregierung wird diese Aussage berücksichtigt? Im Bereich der Lärmvorsorge erfolgt im Zusammenhang mit Planungen für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen sowie von Schienenwegen der Eisenbahnen und Straßenbahnen die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage der in der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV vom 12. Juni 1990, BGBl I 1990, 1036) festgelegten Lärmgrenzwerte . Die maßgebenden Beurteilungspegel werden ausschließlich berechnet. Wesentliche Änderungen im Sinne der Verordnung sind die Erweiterung einer Straße um einen oder mehrere durchgehende Fahrstreifen für den Kraftfahrzeugverkehr , die bauliche Erweiterung eines Schienenweges um ein oder mehrere durchgehende Gleise oder wenn durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird. In diesem Zusammenhang findet sich folglich auch im Planungsrecht ein Hinweis auf die Bedeutung einer Lärmpegeländerung um 3 dB(A). 3. Mit welcher Begründung folgt die Landesregierung nicht der Position des Artikels von Jens Ortscheid und Heidemarie Wende aus dem Jahr 2004 „Können Lärmminderungsmaßnahmen mit geringer akustischer Wirkung wahrgenommen werden? Ein klärendes Wort zur Wahrnehmung von Pegeländerungen . Sind 3 dB wahrnehmbar? Eine Richtigstellung.“ in der Zeitschrift für Lärmbekämpfung (2004) Nr. 3, Seite 80 bis 85? Der genannte Artikel ist der Landesregierung bekannt. Er ist ca. drei Jahre vor Bekanntgabe der für die Straßenverkehrsbehörden maßgeblichen Lärmschutz- Richtlinien-StV erschienen. Ob und inwieweit die Erkenntnisse dieses Artikels in die Richtlinien eingeflossen sind, ist nicht bekannt. Die Landesregierung geht jedoch davon aus, dass bei der Erarbeitung der Richtlinien entscheidungsrelevante Erkenntnisse verschiedener Forschungsarbeiten hinsichtlich Lärmentlastungen vonseiten des Bundes berücksichtigt wurden . Die Landesregierung ist an die rechtlichen Vorgaben gebunden. Die Entscheidung darüber, ob Maßnahmen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen getroffen werden, ist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Straßenverkehrs -Ordnung ins Ermessen der Straßenverkehrsbehörde gestellt. Eine Entscheidung ist daher nur rechtmäßig, wenn das Ermessen erkennbar und rechtsfehlerfrei ausgeübt wurde. Das bedeutet, dass neben einer Bewertung der zugrunde zu legenden berechneten Lärmwerte alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt und abgewogen werden, um rechtssichere Entscheidungen zu treffen.