Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3822 15.01.2019 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 16.01.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Polizeieinsatz in Halle am 21. November 2018 (abgebrochene Räumung Hasi) - Teil 1 Kleine Anfrage - KA 7/2188 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd (PD Süd) verweigerte am 21. November 2018 die Vollzugshilfe für eine Räumung von Personen in der Hafenstraße 7 in Halle auf Anforderung der zuständigen Gerichtsvollzieherin. Die PD Süd bewertet das Vorgehen der Gerichtsvollzieherin an diesem Tag als offensichtlich rechtswidrig. Zuvor war aufgrund der durch die Gerichtsvollzieherin angeforderten Vollzugshilfe ein Großeinsatz ausgelöst worden. Journalistinnen und Journalisten haben die Einschränkung der freien Berichterstattung durch Polizeikräfte beklagt, Parlamentarische Beobachter wurden zeitweilig daran gehindert, die Hafenstraße sowie das soziokulturelle Zentrum Hasi zu betreten. Anmelder und Versammlungsleiter von Versammlungen im Zusammenhang mit der abgebrochenen Räumung weisen auf zeitweilig erhebliche Eingriffe in die Versammlungsfreiheit durch Polizei und Versammlungsbehörde hin. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wann wurden erstmals durch die PD Süd rechtliche Bedenken gegenüber der Gerichtsvollzieherin geltend gemacht und welche rechtlichen Bedenken waren das? 2 Bei einer Besprechung am 6. November 2018 zwischen Vertretern der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd, Vertretern der Eigentümerin und der Gerichtsvollzieherin wurde durch die Polizeidirektion unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 19. Oktober 2018, das dem Vollstreckungsanliegen zugrunde liegt, die Frage möglicher weiterer über den Vollstreckungsschuldner hinaus vorhandener Hausrechtsinhaber thematisiert . Die Eigentümerin erklärte hierbei, dass sie davon ausginge, dass sich im Objekt keine Personen aufhalten, die einen Mitbeisitz und damit ein Hausrecht ausüben. Nach einem Gespräch am 19. November 2018 mit dem Vertreter des Vollstreckungsschuldners, in dem eine mögliche Besitzaufgabe durch den Vollstreckungsschuldner und die Geltendmachung von Besitzrechten durch Dritte angekündigt wurde, erörterte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd mit der Gerichtsvollzieherin die möglicherweise eintretende Lage. Dabei wurde durch die Polizeidirektion darauf verwiesen, dass gegen diese dritten Personen aus dem vorliegenden Räumungstitel nicht vollstreckt werden könnte und gegen Vollzugshilfe im Hinblick auf die Verbringung dieser Personen vom Grundstück rechtliche Bedenken bestünden. 2. Wurde die PD Süd in ihrer rechtlichen Einschätzung im Vorfeld des Einsatzes durch das Ministerium für Inneres und Sport unterstützt und wenn ja, wie und mit welchem Ergebnis? Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd hat dem Ministerium für Inneres und Sport am 19. November 2018 mündlich und am 20. November 2018 umfassend schriftlich zum Sachstand berichtet. Die rechtliche Bewertung der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd wurde durch das Ministerium geteilt. Weisungen wurden nicht erteilt. 3. Wurde das Gespräch mit der Gerichtsvollzieherin am 21. November 2018 ab 16 Uhr in der Hafenstraße 7 durch Beamtinnen/Beamte der PD Süd protokolliert ? Wenn ja: Was wurde durch die Beamtinnen/Beamten protokolliert ? Das Führen von Gesprächs-/Wortprotokollen zu polizeilichen Einsätzen ist grundsätzlich nicht vorgesehen und liegt demzufolge nicht vor. 4. Nach übereinstimmenden Angaben der PD Süd, des Rechtsanwalts Kadler und der Parl. Beobachterin Juliane Nagel hat die Gerichtsvollzieherin keine Vollzugshilfe zur Prüfung etwaig bestehender Untermietverhältnisse /Besitz an dem o. g. Objekt durch weitere dauerhaft aufhältige Personen angefordert. Wie bewertet das Ministerium für Inneres und Sport vor diesem Hintergrund die Angaben des Gerichtssprechers des AG Halle („Schuldfrage um gescheiterte ‚HaSi‘-Räumung in Halle offen“, MDR, online 23. November 2018), wonach die Gerichtsvollzieherin nicht habe in das Haus gelangen können, obwohl die Polizei ihr habe Zutritt verschaffen müssen? Das Ministerium für Inneres und Sport bewertet keine Presseerklärungen der Dienststellen im Geschäftsbereich des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. 3 5. Die PD Süd bewertet die durch die Gerichtsvollzieherin angeforderte Vollzugshilfe zur Räumung aller am 21. November 2018 auf dem Grundstück befindlichen Personen als rechtswidrig. Warum? Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd bewertete die angeforderte Vollzugshilfe zur Entfernung aller am 21. November 2018 auf dem Grundstück befindlichen Personen aus folgenden Gründen als rechtswidrig: Für die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung ist die Gerichtsvollzieherin verantwortlich. Die Polizei ist für die Art und Weise der Durchführung der Vollzugshilfe verantwortlich. Gleichwohl hat die Polizei in eine Prüfung darüber einzutreten , ob die Maßnahme selbst, die vollzogen werden soll, nicht offensichtlich unzulässig oder rechtswidrig ist (Martell, Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt, 5. Auflage, RdNr. 10 ff zu § 50). Der Vollstreckungstitel muss den Schuldner eindeutig bezeichnen (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 - I ZB 103/16 - juris). Im vorliegenden Fall richtet sich der Titel gegen den Verein und somit im Zweifel lediglich gegen seine Mitglieder . Daher kann aus diesem Titel gegen andere Personen grundsätzlich nicht vollstreckt werden. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sich ein Räumungstitel gegen einen Hauptmieter, nicht gegen den Untermieter richtet. Gegen diesen ist ein eigenständiger Titel erforderlich (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 116/ 03 - juris). Der Gerichtsvollzieher kann die Polizei um Amts- und Vollzugshilfe ersuchen. Die zu leistende Unterstützung umfasst den persönlichen Schutz und die Mitwirkung bei der Vollstreckungshandlung, soweit dies zur Überwindung des Widerstandes notwendig ist. Die Amtshilfe, d. h. alle zum persönlichen Schutz der Gerichtsvollzieherin erforderlichen Maßnahmen, hat die Polizei gewährleistet. Die Ablehnung betraf ausschließlich die Mitwirkung bei der Vollstreckungshandlung zur Verbringung von nicht vom Räumungstitel erfassten Personen vom Grundstück, soweit hierzu unmittelbarer Zwang durch Polizeibeamte angewendet werden sollte. Eine Vollstreckung des Räumungstitels gegen diese Personen war unzulässig. Daher erfolgte die Ablehnung der Vollzugshilfe im Hinblick auf die Verbringung dieser Personen durch die Polizei unter Anwendung unmittelbaren Zwangs. 6. Wurde die PD Süd am 21. November 2018 durch das Ministerium für Inneres und Sport in ihrer rechtlichen Einschätzung unterstützt und wenn ja, wie und mit welchem Ergebnis? Auf die Antwort auf Frage 2 wird verwiesen. 7. Hat die PD Süd die angeforderte Vollzugshilfe zur Räumung aller auf dem o. g. Grundstück befindlichen Personen einer eigenen Rechtmäßigkeitsprüfung unter-zogen? Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd hat nach der Besitzaufgabe der Vollstreckungsschuldnerin eine Zwangsvollstreckung gegen die weiteren auf dem 4 Gelände befindlichen Personen als offensichtlich rechtswidrig bewertet und daher hierzu die Vollstreckungshilfe abgelehnt. 8. Wie bewertet das Ministerium für Inneres und Sport insoweit die Pressemitteilung des Präsidenten des AG Halle im Zuge seiner Dienstaufsicht über die Gerichtsvollzieherin (Amtsgericht Halle, Pressemitteilung Nr.: 008/2018)? Das Ministerium für Inneres und Sport bewertet keine Pressemitteilungen der Dienststellen im Geschäftsbereich des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. 9. Sind dem Ministerium für Inneres und Sport vergleichbare Fälle in Sachsen -Anhalt bekannt, bei denen Vollzugshilfe der Polizei zur Vollstreckung nicht vorhandener Räumungstitel angefordert wurde? Nein. 10. Mit wie vielen Kräften war die Polizei im Einsatz? Welche anderen Behörden des Landes und/oder des Bundes waren im Einsatz? Bitte aufschlüsseln nach Dienststellen/Einheiten. Für den Gesamteinsatz (Versammlungslage und Justizhilfe) wurden Kräfte der unterschiedlichen Behörden in nachfolgend genannter Anzahl eingesetzt: Behörde Anzahl Einsatzkräfte Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd 117 Landesbereitschaftspolizei Sachsen-Anhalt 348 Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt 31 Technisches Polizeiamt 2 Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord 3 Landesbereitschaftspolizei des Landes Brandenburg 87 Bereitschaftspolizei der Bundespolizei 95 Landesbereitschaftspolizei des Freistaates Sachsen 86 Landesbereitschaftspolizei des Landes Berlin 74 Durch die Justizvollzugsanstalt Halle (Saale) wurde ein Fahrzeug mit Fahrer zur Verfügung gestellt. Die Stadt Halle (Saale) ist im Rahmen ihrer behördlichen Zuständigkeiten im Einsatz gewesen. 11. Welche Einsatzmittel wurden durch die Polizei für eine etwaige Räumung vorgehalten? Wurden dabei externe Dienstleister beauftragt und wenn ja, für welche Einsatzmittel? Neben den standardmäßig mitgeführten Einsatzmitteln der Polizeivollzugsbeamten wurden folgende Einsatzmittel für eine etwaige Räumung vorgehalten: ein Befehlskraftwagen, ein Lichtmastkraftwagen. Darüber hinaus führte die 5 Technische Einsatzeinheit der Landesbereitschaftspolizei ihre standardmäßigen Einsatzmittel zum Öffnen von Türen und Räumen/Beseitigen von Barrikaden und Hindernissen mit. Von externen Dritten wurden zwei Arbeitsbühnen und vier mobile Toiletten angemietet. Ein taktischer Lautsprechertrupp, ein Wasserwerfer und ein Polizeihubschrauber wurden im Hinblick auf die begleitenden Demonstrationen vorgehalten. 12. Wurde der Einsatz durch Dritte wie das Technische Hilfswerk und Rettungskräfte unterstützt und wenn ja, mit vielen Kräften und welchen Einsatzmitteln ? Das Technische Hilfswerk war mit zwölf Mitarbeitern mit Beleuchtungstechnik in den Einsatz eingebunden. Nach Kenntnis der zuständigen Polizeibehörde wurden keine Rettungskräfte der Stadt Halle (Saale) speziell für diesen Einsatz vorgehalten. Die Rettungskräfte der Stadt Halle (Saale) waren allerdings im Vorfeld auf den bevorstehenden Einsatz in der Hafenstraße hingewiesen worden . 13. Welche Kosten sind durch den aufgrund der durch die Gerichtsvollzieherin ausgelösten Einsatz der Polizei und, soweit zutreffend, Dritten entstanden ? Mit Stand 8. Januar 2019 wurde dem Land Sachsen-Anhalt bisher Rechnung in Höhe von ca. 107.000 € gelegt. Die Kosten sind durch den Gesamteinsatz (Versammlungslage und Justizhilfe) entstanden.