Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3823 15.01.2019 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 16.01.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Polizeieinsatz in Halle am 21. November 2018 (abgebrochene Räumung Hasi) - Teil 2 Kleine Anfrage - KA 7/2189 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd (PD Süd) verweigerte am 21. November 2018 die Vollzugshilfe für eine Räumung von Personen in der Hafenstraße 7 in Halle auf Anforderung der zuständigen Gerichtsvollzieherin. Die PD Süd bewertet das Vorgehen der Gerichtsvollzieherin an diesem Tag als offensichtlich rechtswidrig. Zuvor war aufgrund der durch die Gerichtsvollzieherin angeforderten Vollzugshilfe ein Großeinsatz ausgelöst worden. Journalistinnen und Journalisten haben die Einschränkung der freien Berichterstattung durch Polizeikräfte beklagt, Parlamentarische Beobachter wurden zeitweilig daran gehindert, die Hafenstraße sowie das soziokulturelle Zentrum Hasi zu betreten. Anmelder und Versammlungsleiter von Versammlungen im Zusammenhang mit der abgebrochenen Räumung weisen auf zeitweilig erhebliche Eingriffe in die Versammlungsfreiheit durch Polizei und Versammlungsbehörde hin. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Im Vorfeld des o. g. Einsatzes wurden Anwohnerinnen und Anwohner des o. g. Objekts durch Polizeikräfte aufgefordert, die Polizei darüber zu informieren , wenn einer durch die Polizeikräfte benannte Wohngemeinschaft ebendiese verlassen sollten. Warum und auf welcher Rechtsgrundlage geschah dies und durch Polizeikräfte welcher Dienststelle und Abteilung ? 2 Der Landesregierung ist eine derartige Aufforderung durch Polizeikräfte nicht bekannt. 2. Wie bewertet der Landesbeauftragte für den Datenschutz des Landes Sachsen-Anhalt eine solche Aufforderung? Eine Stellungnahme des unabhängigen Landesbeauftragten für den Datenschutz des Landes Sachsen-Anhalt zur betreffenden Fragestellung ist der Landesregierung nicht bekannt. 3. Wurden die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Wohngemeinschaft über die Maßnahme und die rechtlichen Grundlagen informiert, sowie über etwaige Rechtsbehelfe gegen die Maßnahme? Es wird auf die Antwort auf Frage 1 verwiesen. 4. Weshalb und auf welcher Rechtsgrundlage wurden Landtagsabgeordnete zeitweilig am Betreten der Hafenstraße sowie des soziokulturellen Zentrums Hasi gehindert? Weshalb wurde die Maßnahme durch den Polizeisprecher Karlstedt auch auf mehrfache Nachfrage nach Art und Rechtsgrundlage der Maßnahme nicht begründet? Die zuständige Polizeibehörde hatte die Sicherheit des Landtagsabgeordneten Herrn Aldag (MdL, Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) und der Abgeordneten des sächsischen Landtages Frau Nagel während der Einsatzmaßnahme zu gewährleisten . Für die polizeiliche Betreuung der beiden Personen wurde ein Polizeibeamter eingesetzt. Die Abgeordnete des sächsischen Landtages Frau Nagel wollte, dass sie durch von ihr benannte Journalisten begleitet wird. Diese Bitte musste im Führungsstab geprüft werden. Informationsweitergabe und Entscheidungsfindung zum Begehren der Abgeordneten, den Bereich der Hafenstraße zu betreten, verursachten nach Angaben der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd die Verzögerung . Der Pressesprecher konnte währenddessen zunächst keine Begründung für eine abschließende Entscheidung mitteilen. 5. Wieso und auf welcher Rechtsgrundlage wurden Journalistinnen und Journalisten über einen längeren Zeitraum daran gehindert, die Hafenstraße zu betreten? Weshalb wurde die Maßnahme durch den Polizeisprecher Karlstedt auch auf mehrfache Nachfrage nach Art und Rechtsgrundlage der Maßnahme nicht begründet? Die einsatzführende Polizeibehörde ging im Hinblick auf ihre Lageinformationen davon aus, dass die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen und Sachen bestanden hat und mit körperlichem Widerstand bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu rechnen war. Aufgabe der Polizei war es unter anderem, unbeteiligte Dritte zu schützen. Zudem musste der Einsatzraum für die Polizei freigehalten werden. Aus diesem Grund wurde Journalistinnen und Journalisten der Zugang auf der Grundlage des § 36 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) zeitweise nicht gestattet. Nach eingehender Lagebeurteilung konnten sich Journalistinnen 3 und Journalisten in Begleitung von Polizeikräften um 15:55 Uhr zum Gehweg gegenüber der Hafenstraße 7 begeben. Solange das Betreten der Hafenstraße durch Journalistinnen und Journalisten im Führungsstab geprüft wurde und durch den Polizeiführer noch keine abschließende Entscheidung getroffen worden war, konnte eine endgültige Entscheidung nicht begründet werden. Zur Freihaltung des Einsatzraumes mussten die Journalisten mit Hinweis hierauf daher zunächst warten. 6. Wieso und auf welcher Rechtsgrundlage wurden sie bis zum Abbruch der Räumung daran gehindert, die Hafenstraße 7 zu betreten und damit eine freie Berichterstattung über den Einsatz und Gespräche mit den in der Hafenstraße 7 anwesenden Aktivistinnen und Aktivisten unterbunden? Den Journalistinnen und Journalisten wurde lediglich das Betreten des Objektes während des Einsatzes untersagt. Es wird auf die Antwort auf Frage 5 verwiesen . Die freie Berichterstattung über den polizeilichen Einsatz wurde nicht eingeschränkt . Darüber hinaus konnten Gespräche mit Personen aus dem Objekt Hafenstraße 7 sowohl vor den polizeilichen Maßnahmen, aber auch danach uneingeschränkt stattfinden. 7. Bereits ab dem frühen Morgen des 21. November 2018 wurden nur noch Anwohnerinnen und Anwohner in die Hafenstraße durchgelassen. Im Verlauf des Tages wurden auch Straßenbahnen gestoppt und durch Polizeikräfte einer Sichtkontrolle unterzogen. Von wann bis wann fanden diese Maßnahmen statt, auf welcher Rechtsgrundlage und mit welchem Ziel? Aufgabe der Polizei war es unter anderem, unbeteiligte Dritte zu schützen, den Einsatzraum im erforderlichen Umfang freizuhalten und anlassbezogene Straftaten zu verhindern. Aufgrund vorhandener Lageerkenntnisse der Polizeibehörde musste von Gewalttätigkeiten ausgegangen werden. Die Hafenstraße wurde durch die Polizei von 10:50 Uhr bis 19:30 Uhr gesperrt. Ab 12:00 Uhr fuhr die Straßenbahn die Haltestelle „Saline“ nicht mehr an und passierte nach vorheriger Sichtkontrolle den Einsatzraum. Die polizeilichen Maßnahmen erfolgten auf der Grundlage der §§ 13 und 36 des SOG LSA und der verkehrsrechtlichen Anordnung der Stadt Halle (Saale). 8. Wie viele Platzverweisungen gem. § 36 SOG LSA wurden im Bereich der Saaleinsel am 21. November 2018 ausgesprochen? Mit welcher Dauer und zur Abwehr welcher Gefahr/Gefahren? Wurden Aufenthalts- und Betretungsverbote gem. § 36 II SOG LSA ausgesprochen? Mit welcher Dauer und zur Abwehr welcher Gefahr/Gefahren? Es wurden 25 Platzverweisungen gem. § 36 Abs. 1 SOG LSA ausgesprochen. Die Dauer der Platzverweisungen wurde auf die Dauer der polizeilichen Maßnahmen beschränkt. Ziel der Maßnahme war, das Betreten des Bereichs durch Personen zu verhindern, um unbeteiligte Dritte zu schützen, sowie den Einsatzraum im erforderlichen Umfang freizuhalten und anlassbezogene Straftaten zu 4 verhindern. Aufgrund vorhandener Lageerkenntnisse der Polizeibehörde musste von Gewalttätigkeiten ausgegangen werden. Aufenthalts- und Betretungsverbote gem. § 36 Abs. 2 SOG LSA wurden nicht ausgesprochen. 9. Welche Auflagen wurden der angemeldeten Kundgebung Mansfelder Straße/Ecke Herrenstraße erteilt und mit welcher Begründung? Insbesondere : Warum wurde durch die Versammlungsbehörde untersagt, die Versammlung an dem durch Anmelder/Versammlungsleiterin gewünschten Ort durchzuführen? Auf die Anmeldung vom 16. November 2018 hat die Versammlungsbehörde lediglich eine Anmeldebestätigung übermittelt. Beschränkungen wurden durch die Versammlungsbehörde nicht erteilt. Die Verlegung des Versammlungsortes erfolgte im Kooperationsgespräch zwischen der Versammlungsbehörde und der Anmelderin auf den Standort Mansfelder Straße/Ecke Herrenstraße, da der ursprünglich gewünschte Ort als Kräftesammelstelle der Polizei benötigt wurde und daher nicht verfügbar war. 10. Im Verlauf des 21. November 2018 hat sich im Mündungsbereich der Hafenstraße (Ecke Mansfelder Straße) eine Spontanversammlung gebildet. Diese wurde entsprechend der gängigen Praxis und um die Kooperation mit den Behörden zu erleichtern durch eine Privatperson als Eilversammlung angemeldet. In der Folge wurde der Anmelder, der sich selbst als Versammlungsleiter benannt hatte, daran gehindert, zu seiner angemeldeten Versammlung zu gelangen. Weshalb und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte dies (insbesondere vor dem Hintergrund der Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts)? Im Bereich Mansfelder Straße/Einmündung Hafenstraße hatte sich gegen 16:08 Uhr eine zunächst nicht angemeldete Versammlung gebildet. Um 16:09 Uhr erfolgte die Anmeldung vor Ort durch einen Teilnehmer dieser Versammlung gegenüber einem Vertreter der Versammlungsbehörde. Der Anmelder übernahm auch die Leitung der nunmehrigen Eilversammlung. Parallel hierzu wandte sich eine weitere Person, die sich jedoch im Bereich der Herrenstraße befand, an einen (weiteren) Vertreter der Versammlungsbehörde und wollte ebenfalls die genannte Eilversammlung im Bereich Mansfelder Straße /Einmündung Hafenstraße anmelden und die Funktion des Versammlungsleiters übernehmen. Es wird davon ausgegangen, dass es sich hierbei um die Person im Sinne der Fragestellung handelte. Da die Teilnehmer der Eilversammlung die einzige Zufahrt für die Polizeikräfte zum Objekt Hafenstraße 7 blockierten, wurde dem Versammlungsleiter vor Ort aufgegeben, den Bereich mit den Versammlungsteilnehmern bis 16:50 Uhr zu verlassen und stattdessen den Versammlungsraum Mansfelder Straße/Ecke Herrenstraße zu nutzen. Da ein Teil der Versammlungsteilnehmer dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde die Versammlung durch die Versammlungsbehörde um 16:50 Uhr aufgelöst und der weitere Zulauf zu diesem Bereich ver- 5 hindert. Dies betraf auch die erwähnte Person, die zu der zwischenzeitlich bereits aufgelösten Versammlung gelangen wollte. Die versammlungsrechtlichen Maßnahmen vor Ort erfolgten auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 und Abs. 4 VersammlG LSA. 11. Gegen 17:30 Uhr wollte eine Privatperson im Bereich Mansfelder Straße /Ecke Herrenstraße eine Eilversammlung (Aufzug) anmelden und hat anwesenden Polizeikräften (laut Kennung Bundespolizei und Polizeikräfte aus Berlin) diese Anmeldung mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass er mit der örtlich- und sachlich zuständigen Versammlungsbehörde ein Erörterungsgespräch führen wolle. Die Polizeikräfte stellten keine Verbindung zur Versammlungsbehörde her. Diese wurde erst durch Polizeikräfte des Landes Sachsen-Anhalt (gekennzeichnet als Konfliktmanager) hergestellt. Wieso haben die Polizeikräfte der Bundespolizei/Einsatzkräfte aus Berlin keinen Kontakt zur Versammlungsbehörde hergestellt? Ein derartiger Sachverhalt ist bei der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd nicht aktenkundig dokumentiert. Trotz erfolgter Rücksprachen der zuständigen Polizeibehörde mit den Verantwortlichen der Bundespolizei und der Landespolizei Berlin konnte der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden. 12. Der Anmelder hatte einen Aufzug von der Mansfelder Straße/Ecke Herrenstraße zur Hafenstraße 7 angemeldet mit einer dort anschließenden Standkundgebung. Durch Polizeikräfte und die Versammlungsbehörde wurde ihm mitgeteilt, dies sei nicht möglich. Zu diesem Zeitpunkt war die Räumung des o. g. Objekts bereits abgebrochen worden. Weshalb und auf welcher Rechtsgrundlage und aufgrund welcher Gefahrenprognose kam die Versammlungsbehörde zu ihrer Einschätzung und weshalb wurde diese später revidiert, sodass die Versammlung etwa zwei Stunden nach dem ersten erfolglosen Versuch der Anmeldung stattfinden konnte? Gegen 17:20 Uhr hat die Polizei eine Strafanzeige der Halleschen Wohnungsgesellschaft mbH wegen des Verdachtes des Hausfriedensbruchs durch die sich im Objekt Hafenstraße 7 aufhaltenden Personen aufgenommen. Hierzu wurden unmittelbar im Anschluss die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. So erfolgte eine Kontaktaufnahme mit der zuständigen Staatsanwaltschaft Halle (Saale), um eine Entscheidung zu ggf. erforderlichen strafprozessualen Maßnahmen einzuholen. Bis zur Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Erforderlichkeit von Sofortmaßnahmen, insbesondere gegenüber Personen, die sich im Objekt Hafenstraße 7 aufgehalten haben, wurde die Sperrung des polizeilichen Einsatzraumes in der Hafenstraße beibehalten. Daher konnte dieser Bereich zunächst nicht für Zwecke der Versammlung genutzt werden. Die zeitliche Beschränkung über den Beginn des Aufzuges in die Hafenstraße erfolgte auf Grundlage von § 13 Abs. 1 VersammlG LSA. Nachdem die Polizei gegen 19:00 Uhr die Mitteilung der Staatsanwaltschaft erhalten hat, dass keine Sofortmaßnahmen im Zusammenhang mit der Strafanzeige wegen des Verdachtes des Hausfriedensbruchs erforderlich sind, erfolgte die Mitteilung an den Versammlungsleiter, dass der Aufzug nunmehr begonnen werden kann.