Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3838 16.01.2019 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 16.01.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Zwangsvollstreckung soziokulturelles Zentrum Hasi - Teil 2 Kleine Anfrage - KA 7/2185 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Nach übereinstimmenden Angaben der PD Süd sowie von Anwesenden (RA Kadler, Parl. Beobachterin) wurde durch die Gerichtsvollzieherin keine Vollzugshilfe angefordert, um das Bestehen von Untermietverhältnissen zu prüfen. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hierzu vor? Die Gerichtsvollzieherin bat die Polizei um Vollzugshilfe zur Prüfung des Besitzes . Dabei ging es um die Prüfung der etwaigen tatsächlichen Besitzaufgabe durch den Capuze e. V. und die Prüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Besitz der drei Personen, die sich vor Ort als Untermieter bezeichneten. Diese hatten zuvor gegenüber der Gerichtsvollzieherin bekundet, Untermieter zu sein und ihr den Zutritt zu dem Gebäude mit der Begründung verwehrt, dass gegen sie kein Räumungstitel vorliege. Auf nachdrückliche Aufforderung der Gerichtsvollzieherin wiesen sie sich mit Namen aus und teilten ihr auf weiteres Befragen mit, mündliche Mietverträge geschlossen zu haben. Die Frage, seit wann und wo genau sie dort wohnen würden, vermochten sie gar nicht bzw. nur widersprüchlich zu beantworten. Darauf forderte die Gerichtsvollzieherin sie auf, ihr die von ihnen bewohnten Räumlichkeiten zu zeigen, was der Gerichtsvollzieherin verwehrt wurde. Die Gerichtsvollzieherin erklärte daraufhin dem Einsatzleiter der Polizei, dass „sie hier nicht weiter komme“ und dass sie das Gebäude betreten wolle. Hierzu bat sie um Vollzugshilfe. Der Gerichtsvollzieherin ging es zunächst alleine darum, Feststellungen zu den behaupteten Besitzver- 2 hältnissen zu treffen, um dann über das weitere Vorgehen - insbesondere über den weiteren Vollzug der Räumung - zu entscheiden. Es ist nicht auszuschließen , dass es in diesem Zusammenhang in der angespannten Situation vor Ort zu Missverständnissen zwischen der Gerichtsvollzieherin und der Polizei gekommen ist. 2. Weshalb forderte die Gerichtsvollzieherin keine Vollzugshilfe zur Prüfung des Bestehens von Untermietverhältnissen an, insbesondere da etwaige Untermietverhältnisse und/oder dauerhaft aufhältige Personen bereits thematisiert wurden. Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1. verwiesen. 3. Wie konnte die Gerichtsvollzieherin zu der Einschätzung kommen, es gebe keinen Besitz von Untermietern und / dauerhaft aufhältigen Personen am o. g. Objekt, wenn ihr nach Angaben der o. g. PM des Präsidenten des AG Halle eine Prüfung am 21. November 2018 nicht möglich war? Die Prüfung der tatsächlichen Besitzverhältnisse blieb der Gerichtsvollzieherin verwehrt, da ihr der Zutritt zur notwendigen Prüfung der tatsächlichen Besitzverhältnisse in dem Objekt (Gebäude) verwehrt wurde. 4. Wieso kündigte die Gerichtsvollzieherin nach dem 21. November 2018 an, das Bestehen von Untermietverhältnissen erneut prüfen zu wollen? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 3 und ergänzend auf die rechtlichen Ausführungen in der Beantwortung der KA 7/2184 Zwangsvollstreckung soziokulturelles Zentrum Hasi - Teil 1 (Vorbemerkung der Landesregierung) verwiesen. 5. Die PD Süd bewertet das Vorgehen der Gerichtsvollzieherin - welche durch die angeforderte Vollzugshilfe die Räumung aller auf dem o. g. Grundstück befindlichen Personen zur Besitzverschaffung der Gläubigerin durchsetzen wollte - als rechtswidrig, da der Gerichtsvollzieherin keine entsprechenden vollstreckbaren Räumungstitel vorlagen. Wie bewertet das Ministerium für Justiz und Gleichstellung dies? Insbesondere vor dem Hintergrund der Erfordernis der eindeutigen Bezeichnung der Schuldner (BGH, 13. Juli 2017, Az.: I ZB 106/16)? Hierzu ist zunächst auszuführen, dass es der Gerichtsvollzieherin, wie bereits dargelegt, um die rechtlich gebotene Feststellung der tatsächlichen Besitzverhältnisse ging und sie hierzu Vollzugshilfe erbeten hatte. Zu den zwangsvollstreckungsrechtlichen Anforderungen wird auf die Stellungnahme der Landesregierung in der KA 7/2184 verwiesen, in der insbesondere die Bedeutung der Besitzfeststellung durch den Gerichtsvollzieher im Hinblick auf den Titel und die Vollstreckungsklausel näher dargelegt ist. Erst nach Abschluss dieser Prüfung hätte die Gerichtsvollzieherin beurteilen können, ob und wie unter Zugrundelegung der für sie verbindlichen zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften die weitere Räumung zu veranlassen war. Hieran war sie aus den genannten Gründen gehindert. 3 6. Wie ist vor diesem Hintergrund zu erklären, dass der Präsident des AG Halle im Rahmen seiner Dienstaufsicht keine Anhaltspunkte für eine evidente Rechtswidrigkeit erkennt. Das Handeln der Gerichtsvollzieherin, die die zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorgaben umsetzen musste, war nach Aktenlage nicht rechtswidrig. 7. Erfolgte eine Prüfung des Sachverhalts im Rahmen der Dienstaufsicht durch den Präsidenten des LG Halle und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Eine solche Prüfung ist nicht erfolgt. 8. Soweit der Gerichtsvollzieherin am 21. November 2018 lediglich ein Titel gegen Capuze e. V. vorlag, nicht jedoch gegen etwaige Untermieter und/oder dauerhaft aufhältige Personen, wieso wurden durch sie im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht die tatsächlichen Besitzverhältnisse festgestellt, sondern Vollzugshilfe zur Räumung angefordert, wiewohl die Beurteilung, ob ein Herausgabeanspruch vorliegt, dem Erkenntnisverfahren vorbehalten ist und nicht durch sie getroffen werden kann (BGH NJW 2008, 1959)? Wie bereits ausgeführt, oblag es der Gerichtsvollzieherin nach den zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorgaben zunächst, die Besitzverhältnisse festzustellen. Hieran wurde sie gehindert. Wegen der rechtlichen Anforderungen wird auf die Stellungnahme der Landesregierung in der KA 7/2184 verwiesen. 9. Erfolgte eine Prüfung dieses Sachverhalts im Rahmen der Dienstaufsicht durch den Präsidenten des AG Halle und/oder den Präsidenten des LG Halle und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Der Präsident des Amtsgerichts Halle hat als Dienstvorgesetzter der Gerichtsvollzieherin den Sachverhalt geprüft. Danach besteht kein Anlass für Maßnahmen der Dienstaufsicht. 10. Soweit die Gerichtsvollzieherin den Verdacht hatte/zu der Feststellung kam, dass etwaige Untermietverhältnisse lediglich vorgeschoben seien /den Dritten nur Besitz verschafft wurde, um die Zwangsräumung zu verhindern, wieso wurde die Zwangsvollstreckung durch die Gerichtsvollzieherin nicht abgebrochen, da der Grundsatz, wonach die Zwangsvollstreckung einen Titel voraussetzt, auch in diesem Fall Vorrang hat (BGH NJW 2008, 328f.)? Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen und auf die Ausführungen in der KA 7/2184, dort insbesondere auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 4 11. Erfolgte eine Prüfung dieses Sachverhalts im Rahmen der Dienstaufsicht durch den Präsidenten des AG Halle und/oder den Präsidenten des LG Halle und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Hierzu wird auf die Antworten zu Ziffern 7. und 9. verwiesen. 12. RA Kadler beschreibt das Gespräch mit der Gerichtsvollzieherin am 21. November 2018 im o. g. Interview als „hitzige Diskussion, die außerhalb des Normalen lag“, auch die parlamentarische Beobachterin bestätigt , dass es dabei sehr laut wurde. Nach Angaben des RA Kadler habe die Gerichtsvollzieherin auf Einlassungen zur tatsächlichen und rechtlichen Aspekten u. a. geantwortet, „Wir ziehen uns die Hosen hier nicht mit der Kneifzange an“, er wirft der Gerichtsvollzieherin eine „sehr einseitige Gläubigervertretung“ vor. Erfolgte eine Prüfung dieses Sachverhalts im Rahmen der Dienstaufsicht durch den Präsidenten des AG Halle und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Der Gerichtsvollzieherin ist nicht erinnerlich, die vorgenannte Äußerung getätigt zu haben. Ihren Angaben zufolge wurde sie während der Vollstreckungshandlung sowohl durch die als solche auftretende parlamentarische Beobachterin (Frau N., nach Aktenlage Mitglied des Sächsischen Landtages) als auch durch zumindest eine weitere Person, die ihren Namen nicht preisgab, permanent nach ihrer politischen und sozialen Gesinnung befragt. Zeitgleich hätten die „Gäste/Unterstützer“ des Capuze e. V. lautstark ihren Unmut bekundet, RA Kadler habe ebenfalls lautstark seine Meinung über die vermeintliche Rechtswidrigkeit der Amtshandlung kundgetan und RA H. (er vertrat die Personen, die sich als Untermieter bezeichneten) habe wiederholt verlangt, die Gerichtsvollzieherin möge alles protokollieren. Die Gerichtsvollzieherin wurde während der Vollstreckungshandlung vonseiten der genannten Personen teils massiv bedrängt bzw. gestört. Gleichwohl verrichtete sie weiter die ihr obliegende dienstliche Tätigkeit weiter, soweit ihr dies möglich war. Der Präsident des Amtsgerichts Halle hat mitgeteilt, er vermöge insbesondere den Vorwurf der „sehr einseitigen Gläubigervertretung“ nicht nachzuvollziehen. Es bestehe kein Anlass für Maßnahmen der Dienstaufsicht. 13. Soweit bisher nach Prüfungen durch die Dienstaufsicht und - soweit vorliegend deren Ergebnisse - gefragt wurde und eine solche Prüfung bisher nicht stattgefunden hat: Wann wird eine solche Prüfung noch stattfinden und wann werden die Ergebnisse vorliegen? Bitte aufschlüsseln nach Nr. der jeweils zugehörigen Frage. Der Dienstvorgesetzte der Gerichtsvollzieherin war mit den Vorgängen befasst und sieht keine Veranlassung zu dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen. 5 14. Welche Informationen (Protokoll der Gerichtsvollzieherin, mündlicher Vortrag der Gerichtsvollzieherin, rechtliche Bedenken der PD Süd, Presseberichterstattung usw.) lagen dem Präsidenten des AG Halle zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seiner Pressemitteilung im Rahmen seiner Dienstaufsicht über die Gerichtsvollzieherin vor? Die Pressemitteilung vom 23. November 2018 verweist auf die geltende Rechtslage. Ihr lag zudem eine dienstliche Äußerung der Gerichtsvollzieherin zugrunde. Die Presseberichterstattung war - zumindest auszugsweise - ebenfalls bekannt.