Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3923 08.02.2019 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 12.02.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Lydia Funke (AfD) CIECH Soda Deutschland GmbH und Co. KG - Havarie vom 14. November 2018 Kleine Anfrage - KA 7/2223 Vorbemerkung des Fragestellenden: Medienberichten zufolge soll sich bei den Sodawerken des Unternehmens CIECH Soda Deutschland GmbH und Co.KG am 14. November 2018 eine Havarie ereignet haben, die mit einem massiven Fischsterben im FFH-Gebiet „Bode und Selke im Harzvorland“ verbunden war. Ein Augenzeuge: „Die Bode hat sich eigentlich sehr gut erholt und ist gut mit Fisch besetzt. Aber wenn man so etwas sieht ... Da braucht man auch keine Fischtreppe zu bauen, wenn es die Tiere bis dahin nicht schaffen“ (Volksstimme, 15. November 2018). „Der Staßfurter hat noch etwas auf dem Herzen: ‚Ich musste mal wegen einem Tropfen Öl vom Auto 800 Euro Strafe zahlen. Und was passiert hier‘ ...“ (Volksstimme, 15. November 2018)? Parallel dazu ist die Bode als „milchige und nach Schwefel stinkende Brühe“ beschrieben worden. Es handelt sich hierbei um einen erneuten Umweltskandal, in der Verantwortung der Sodawerke und dem Land Sachsen-Anhalt. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Vorbemerkung der Landesregierung: Am 14. November 2018 kam es aufgrund einer Unterbrechung der Elektroenergieerzeugung des GUD-Kraftwerkes zu einer Störung im Sodawerk Staßfurt. Infolge dieser Störung kam es zur Freisetzung von Betriebsflüssigkeit aus einer Auffangtasse . Ein Eindringen von Kleinstmengen dieser Betriebsflüssigkeit über den nahegelegenen Kanal in die Bode konnte durch das Unternehmen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Ein ursächlicher Zusammenhang mit den in der Bode aufgefundenen toten Fischen ist nach Kenntnis der Landesregierung bisher nicht belegt. 1. Welche Stoffe/Substanzen wurden bei der Havarie am 14. November 2018 freigesetzt? Bitte Stoffe auflisten Durch die Störung wurde 5%ige Ammoniaklösung freigesetzt. 2. Welche Mengen (m3/l) an Schadstoffen/Substanzen wurden bei der Havarie am 14. November 2018 freigesetzt und gelangten in die Bode und/oder Grundwasser, in den Boden oder in die Luft? Es wurden ca. 0,5 m³ freigesetzt. Es kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass Kleinstmengen davon über einen Regenwasserabfluss in das werkseigene Kanalsystem und dann über Kanal 1 mit Kühlwasser vermischt in die Bode gelangt sind. Ein Eintrag in das Grundwasser und den Boden ist nicht festgestellt wurden. Ein Eintrag in die Luft ist wahrscheinlich, aber nicht quantifizierbar. 3. Wie hoch war die Anzahl der verendeten Fische (n/t)? Es sind rund 50 verendete Fische aufgefunden worden. 3.1 Welche Fischarten (Hecht, Karpfen usw.) waren insgesamt betroffen? Nach Aussagen eines Experten des Sportfischervereins Staßfurt e. V. waren die Fischarten Plötze, Rotfeder, Ukelei und Döbel betroffen. 3.2 Bitte den Arten die Anzahl der verendeten Ex. (Größenklassen, Geschlecht und Alter) mit Mengen (Gesamtgewichte) zuordnen. An der „Wiesenbrücke/Liebesbrücke“ und Umgebung sind 3 Fische in einer Größe von 20 bis 60 cm gefunden worden Die übrigen Fische hatten eine Größe von 5 bis 20 cm. Eine weitere Spezifizierung erfolgte nicht. 4. Im Zuge der Havarie sollen Gewässerproben entnommen worden sein. 4.1 Durch wen wurde wann die Probenahme vorgenommen und auf wessen Anweisung? 3 Mitarbeiter des Salzlandkreises haben am 14. November 2018 eine Probe am Auslauf des Kanals 1 in die Bode in eigener Zuständigkeit als Gefahrenabwehrbehörde genommen. 4.2 Welches Ergebnis ergab die Probenahme? Siehe Antwort auf Frage 11. 5. Welche Auswirkungen hatte dieser erneute Umweltskandal auf die Fauna der Bode? Konkret auf: a) Makrozoobenthos, b) Fischfauna, c) Phytoplankton. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass die Störung im Sodawerk Staßfurt keine messbaren Auswirkungen auf die biologischen Qualitätskomponenten des betroffenen Oberflächwasserkörpers hatte. 6. Handelte es sich nach Einschätzung der zuständigen Wasser- und/oder Umweltbehörde bzw. der Landesregierung tatsächlich um eine Havarie oder um eine vorsätzliche Einleitung von Industriewässern? Nach derzeitiger Einschätzung handelt es sich weder um eine Havarie (als Synonym für einen Unfall größeren Ausmaßes oder mit größeren Folgeschäden ) noch um eine vorsätzliche Einleitung von Industrieabwasser oder sonstigen Schadstoffen, sondern vielmehr um ein „Ereignis“ im Sinne der 12. BImSchV (Störfallverordnung). Ein Ereignis ist danach eine „Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs in einem Betriebsbereich unter Beteiligung eines oder mehrerer gefährlicher Stoffe“. 7. Ist nach Einschätzung der zuständigen Wasser- und/oder Umweltbehörde bzw. der Landesregierung dadurch ein Umweltschaden im Gewässer der Bode sowie dem FFH-Gebiet „Bode und Selke im Harzvorland“ entstanden ? Wenn nein, warum nicht? Bitte begründen. Eine Schädigung des Gewässers Bode im Sinne des Umweltschadensgesetzes ist nach derzeitiger Bewertung nicht eingetreten, weil die Störung keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf das ökologische Potenzial oder den chemischen Zustand der Bode hatte (§ 90 WHG). Eine Schädigung des FFH-Gebietes „Bode und Selke im Harzvorland“ im Sinne des Umweltschadensgesetzes ist nach derzeitiger Bewertung nicht eingetreten , weil die Störung keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume oder Arten hatte (§ 19 BNatSchG). 8. In Anlehnung an die Bürgerfrage (s. Vorbemerkung), welche Konsequenzen erwarten den festgestellten Verursacher des Fischsterbens? Bitte 4 Strafmaß anhand der festgestellten Folgen nach Gesetzeslage benennen und auf die festgestellten Ergebnisse im konkreten Fall beziehen. Demjenigen, der unbefugt vorsätzlich handelnd ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert, droht § 324 Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB) Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe an. Handelt der Täter fahrlässig, beträgt die Freiheitsstrafe im Höchstmaß 3 Jahre (§ 324 Absatz 3 StGB). Spekulationen zum Strafmaß im konkreten Einzelfall kommen nicht in Betracht . § 46 StGB schreibt vor, dass die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe ist. Hierzu sind die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander abzuwägen. Zu den in § 46 StGB besonders hervorgehobenen Umständen gehören auch die Auswirkungen der Tat sowie das Maß der Pflichtwidrigkeit. Die Würdigung sämtlicher zu ermittelnder Umstände und Zumessung der Strafe obliegt im Falle der Erhebung öffentlicher Klage einem Gericht in Ausübung der diesem verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit. 9. Laut Augenzeuge (Volksstimme, 15. November 2018) „In dieser Richtung unweit der Wiesenbrücke (im Volksmund auch ,Liebesbrücke‘) befindet sich ein Einleiter. Und von dort sei die milchige Brühe gekommen.“ Wurde die „milchige Brühe“ tatsächlich aus diesem benannten Einleiter eingeleitet? a) Wenn ja, wer betreibt diesen Einleiter? Die Ortsangabe des Augenzeugen ist nicht eindeutig. Laut Wasserbuch befinden sich im unmittelbaren Umfeld der Wiesenbrücke vier Einleitungsstellen (in Fließrichtung): - Abschlagbauwerk der Mischwasserkanalisation des Wasser- und Abwasserzweckverband „Bode-Wipper“ (oberhalb der Wiesenbrücke, linkes Ufer)) - Einleitbauwerk Kanal 1 der CIECH Soda Deutschland GmbH & Co. KG (oberhalb der Wiesenbrücke, linkes Ufer) - Abschlagbauwerk der Mischwasserkanalisation des Wasser- und Abwasserzweckverband "Bode-Wipper" (unterhalb der Wiesenbrücke, linkes Ufer) - Einleitungsstelle Kali- und Steinsalz Staßfurt / Wasser- und Abwasserbetrieb Magdeburg / KWG Kraftwerksgesellschaft Staßfurt (unterhalb der Wiesenbrücke, rechtes Ufer) b) Wenn nein, aus welchem Einleiter/welcher Quelle kam die „milchige Brühe“? Bitte begründen. Die Ergebnisse der staatsanwaltlichen Ermittlungen sind abzuwarten. 5 10. Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen: Unter welchem Aktenzeichen und mit welchem Ergebnis? Bitte auch auf die Auswertung der Wasserproben eingehen, die Gegenstand der kriminalpolizeilichen Untersuchung sind. Im Rahmen der ersten Ermittlungen vor Ort wurden Wasserproben aus der Bode entnommen und zur Untersuchung an das Landeskriminalamt Sachsen- Anhalt übersandt. Seit dem 9. Januar 2019 liegt das Behördengutachten vor. In Absprache mit der Staatsanwaltschaft wurde der Vorgang am 15. Januar 2019 zur Entscheidung über die weiteren Ermittlungsschritte an die Staatsanwaltschaft Magdeburg abverfügt. Gegenwärtig dauern die Ermittlungen an. 11. Wann und wo erfolgte die angekündigte Stellungnahme/Presseerklärung der Geschäftsführung des CIECH Soda Deutschland GmbH und Co. KG zum benannten Vorfall und vor allem: Zu welcher Schlussfolgerung und Verantwortlichkeit kommt die Geschäftsführung? Gegebenenfalls bitte die Stellungnahme anfügen. CIECH Soda hat am 15. November 2018 die beiliegende Presseerklärung an die Volksstimme Staßfurt, den MDR Magdeburg, das Landesverwaltungsamt und das Landesamt für Verbraucherschutz Halberstadt versandt. 12. Zu welchen Erkenntnissen kamen die Mitarbeiter des Fachdienstes Natur und Umwelt (auch im Hinblick auf die Fragen 3 bis 6) und wo werden diese veröffentlicht bzw. sind diese nachlesbar? Die Erkenntnisse aus dem Störfall werden durch den Fachdienst Natur und Umwelt des Salzlandkreises nicht veröffentlicht. Über die Pressestelle des Salzlandkreises werden und wurden allgemeine Fragen zum Sachverhalt beantwortet . 13. Welche „Fachämter und Behörden“ sind noch auf „Ursachenforschung“ (Volksstimme, 26. November 2018)? Bitte die Ergebnisse der Ursachenforschung den involvierten Behörden und Ämtern zuordnen. Die CIECH Soda Deutschland GmbH & Co. KG hat den Salzlandkreis und das LVwA informiert. Die weiteren Ermittlungen werden durch Polizei und Staatsanwaltschaft geführt. 14. Wie bewertet die Landesregierung ein „Fischsterben“ als solches bzw. seine Auswirkungen? Bitte begründen und dabei auf die Frage eingehen: „ob ein derartiges Fischsterben auch eine Gefahr für den Menschen - neben der Umwelt - darstellt? Jedes Jahr treten Fischsterben auch in sachsen-anhaltischen Gewässern auf. Dadurch können Fischbestände verarmen oder ganz verloren gehen. Fische sind für das aquatische Ökosystem von großer Bedeutung. Daneben haben sie auch einen wirtschaftlichen Wert. Bei großen Fischverlusten kann den Fi- 6 schereirechtsinhabern und den Pächtern von Gewässern großer materieller Schaden entstehen. Die Ursachen für Fischsterben sind vielfältig. Zu den häufigsten gehören Intoxikationen , Sauerstoffmangel sowie Fischkrankheiten. In seltenen Fällen sind auch starke Schwankungen der Wassertemperatur die Ursache für Fischsterben. Daraus entstehen in der Regel keine Gefahren für den Menschen , soweit keine vergifteten Fische verzehrt und die Fischkadaver ordnungsgemäß entsorgt werden.