Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3926 08.02.2019 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 12.02.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hannes Loth (AfD) Hat Sachsen-Anhalt einen „Problem-“ bzw. „verhaltensauffälligen Wolf“? Kleine Anfrage - KA 7/2242 Vorbemerkung des Fragestellenden: „Wenn ein Wolf sich notorisch auf 30 Meter einem Menschen nähere oder wiederholt Weidetiere reiße, könne er geschossen werden.“ Aussage: Staatssekretär Jochen Flasbarth gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) an die Konferenzteilnehmer (Konferenz der Umweltminister in Potsdam, 17. November 2017) http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Der-Wolfbleibt -ein-Politikum, Abruf am 20. Dezember 2018. Die Leitlinie Wolf des Landes Sachsen-Anhalt führt unter 7.2 aus: Ein auffälliges Verhalten lässt sich beim Wolf wie folgt beschreiben: Notorisch unerwünschtes Verhalten, z. B. Wolf lässt sich durch Schutzmaßnahmen nicht abhalten, Nutztiere zu töten, was zur verstärkten öffentlichen Ablehnung der Wölfe führen kann und damit der gesamten Wolfspopulation schadet. Dreistes Verhalten, das zur Gefährdung eines Menschen führen kann. Problematisches Verhalten wird in der Regel wiederholt und teilweise mit steigender Intensität gezeigt. Die Mitteldeutsche Zeitung berichtet am 20. Dezember 2018 über ein „Raubtier“, bei dem es sich eindeutig um einen Wolf handelt. Durch die Analyse des Wolfskompetenzzentrums in Iden wurden von diesem Wolf, der Ende Oktober beim Angriff auf 2 eine Schafherde in Streetz bei Dessau von einem Jäger gefilmt wurde, im näheren Umkreis der Filmaufnahmen zwischen dem 15. und 27. Oktober gleich dreimal Nutztiere angegriffen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Vorbemerkung der Landesregierung: Bezugnehmend auf diesen Artikel muss klargestellt werden, dass das Video dem WZI nicht in voller Länge vorliegt und somit leider auch nicht ordnungsgemäß beurteilt werden kann. Anhand der im Internet zugänglichen Zusammenschnitte von dem Video ist es nicht möglich, um nach den Monitoringstandards zu beurteilen, ob es sich hierbei um einen Wolf handelt oder nicht (siehe hierzu Reinhardt et. al, 2015). Dementsprechend kann auch keine Aussage darüber getroffen werden, ob es sich bei dem gefilmten Tier um den Wolf handelt, der die Schafe gerissen hat. Insgesamt wurden dem WZI vier Übergriffe am 14.10., am 15.10. und am 27.10. gemeldet . Bei der oben genannten Schafherde bei Streetz sind dabei 14 Schafe getötet worden, ein weiteres Schaf wurde in einer anderen Herde im Nachbarort getötet. 1. Um was für einen Wolf handelt es sich? Bitte auf Herkunft, Alter und Geschlecht und Zuordnungsnummer in der Senckenberg-Datenbank eingehen. Bei drei Übergriffen am 15.10. und am 27.10. in Streetz und Natho, bei denen insgesamt acht Schafe getötet wurden, wurde der Wolf GW1080 nachgewiesen . Bei dem Wolf handelt es sich um einen Welpen aus dem Rudel ‘Hoher Fläming‘. Das Geschlecht konnte nicht bestimmt werden. 2. Welche Übergriffe auf Nutztiere können dem benannten Wolf konkret zugeordnet werden? Bitte Übergriffe mit Ort, betroffenen Nutztieren und Schäden (Euro) auflisten . Folgende Übergriffe konnten GW1080 zugeordnet werden: Meldedatum Ort Tierart Anzahl getöteter Individuen 15.10.2018 Streetz Schaf 1 15.10.2018 Natho Schaf 1 27.10.2018 Streetz Schaf 6 Es können noch keine Angaben zu den entstandenen finanziellen Schäden gemacht werden, da zu den oben genannten Übergriffen bisher keine Anträge auf Ausgleichszahlungen im Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) Anhalt eingegangen sind. 3 3. Können diese benannten Übergriffe als Wiederholung von „Verhaltensweisen “ in diesem Fall Angriffe auf Nutztiere gewertet werden und ist diese Wiederholung des Verhaltens als „notorisch“ bzw. „problematisch“ einzustufen? Bitte begründen. Die benannten Übergriffe können in diesem Fall nicht als „Wiederholung von Verhaltensweisen“ gewertet werden, da der Wolf in den drei Fällen auf unterschiedliche Art und Weise an die Tiere gelangen konnte. Dementsprechend ist das Verhalten auch nicht als notorisch und somit auch nicht als problematisch einzustufen. 4. Ist eine Intensitätssteigerung im Verhalten des Wolfes bei den Angriffen auf Nutztiere feststellbar? Bitte anhand der Verhaltensabläufe und der Schadensintensität bzw. der Filmaufnahmen begründen. Eine Intensitätssteigerung im Verhalten des Wolfes ist nur dahingehend zu beurteilen , dass bei den ersten beiden Übergriffen jeweils ein Schaf und beim letzten Übergriff sechs Schafe getötet wurden. Von einer generellen Steigerung der Intensität kann hier allerdings noch nicht gesprochen werden, da es häufiger vorkommt, dass in einem Angriff mehr als ein Nutztier getötet wird. Die Ursachen hierfür sind in jedem Fall unterschiedlich und können nicht generalisiert werden. Genaue Verhaltensabläufe während eines Übergriffes können bei einer Rissbegutachtung nicht erstellt werden. Auf den Filmaufnahmen, die dem WZI vorliegen, ist lediglich zu erkennen, dass das aufgenommene Tier sich an einem oder mehreren vermutlichen Kadavern zu schaffen macht und am Ende wahrscheinlich über den 90 cm hohen Zaun springt. Hier ist allerdings auch ersichtlich, dass das Tier nicht sofort wie selbstverständlich über den Zaun springt, sondern einige Zeit den Zaun abläuft und erst nach längerem Zögern den Zaun überwindet. Obwohl die Zäunung an einer Stelle umgekippt auf dem Boden lag, ist das Tier hier zum intakten Teil des Zaunes gelaufen und dort drüber gesprungen. Dies zeigt, dass es noch immer großen Respekt vor dem Stromzaun hatte. 5. Welche Herdenschutzmaßnahmen konnte der Wolf bei den ihm zugeordneten Angriffen auf Nutztiere „überwinden“ bzw. „unterlaufen“? Bitte nach Vorfällen getrennt benennen. Meldedatum: 15.10.2018, Örtlichkeit: Streetz Bei diesem Vorfall bestand die Zäunung aus einer Kombination von einem stromführenden Flexinetz (90 cm hoch) und einem nicht stromführenden Knotengittergeflecht (100cm hoch) ohne Untergrabungsschutz. Obwohl am Vortag durch das WZI auf die unsichere Zäunung hingewiesen wurde, war der empfohlene Grundschutz nicht erfüllt. Bei dieser Zäunung war ein leichtes Eindringen des Verursachers möglich. 4 Meldedatum: 15.10.2018, Örtlichkeit: Natho Laut Angabe des Tierhalters waren die Schafe in der Nacht aus der Zäunung ausgebrochen. Zum Zeitpunkt der Rissbegutachtung war der Zaun wieder aufgestellt , sodass die Ausbruchsstelle und somit etwaige Hintergründe zum Ausbruch der Schafe nicht ermittelt werden konnten. Es konnte kein Zusammenhang zwischen dem Ausbruch der Schafe und dem Wolfsübergriff festgestellt werden, da der Kadaver in ca. 400 m Entfernung von der Koppel auf einer anderen Weidefläche lag. Der begutachtete Zaun bestand aus einem 100-105cm hohen stromführenden Flexinetz. Meldedatum: 27.10.2018, Örtlichkeit: Streetz Bei diesem Übergriff war die komplette Herde nach Aussage des Halters aus der 90 cm hohen Zäunung ausgebrochen. Die Kadaver lagen alle innerhalb der Zäunung und das verwendete, stromführende Flexinetz war umgekippt. Drei Tiere mussten im Anschluss an den Übergriff notgetötet werden, liefen bei Auffinden des Halters aber noch schwer verletzt in der Herde mit. 6. Trägt das eindeutig zuordenbare Verhalten dieses Wolfes „zur verstärkten öffentlichen Ablehnung der Wölfe“ bei und kann er durch sein Verhalten „damit der gesamten Wolfspopulation schaden“? Bitte anhand des gezeigten Verhaltens begründen. Nach Veröffentlichung des Videos gab es nach Wissen des WZI keine verstärkte öffentliche Ablehnung der Wölfe. Öffentliche Empörung gab es nach unserem Zutragen hauptsächlich gegen das Nichteinschreiten des Filmers. 7. Kann dieser Wolf als „verhaltensauffällig“ definiert werden? Bitte anhand der Vorfälle und des gezeigten Verhaltens begründen. Laut der Leitlinie Wolf wird das auffällige Verhalten eines Wolfes folgendermaßen beschrieben: • „Notorisch unerwünschtes Verhalten, z. B. Wolf lässt sich durch Schutzmaßnahmen nicht abhalten, Nutztiere zu töten, was zur verstärkten öffentlichen Ablehnung der Wölfe führen kann und damit der gesamten Wolfspopulation schadet. • Dreistes Verhalten, das zur Gefährdung eines Menschen führen kann. • Problematisches Verhalten wird in der Regel wiederholt und teilweise mit steigender Intensität gezeigt.“ Das Tier wurde bei drei Nutztier-Übergriffen nachgewiesen, wobei in mindestens zwei Fällen die Schutzmaßnahmen infrage gestellt werden müssen. In einem Fall war der Grundschutz nachweislich nicht vorhanden, im zweiten Fall war die Herde aus nicht geklärter Ursache ausgebrochen. Bezugnehmend auf das Video kann hier nicht die Rede von einem notorischen Verhalten sein, da nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, ob es sich bei dem Tier auf dem Video um den besagten Wolf handelt. Wäre eine Beurteilung möglich und würde einen Wolf identifizieren, ist das einmalige Überspringen eines 5 Zaunes nicht als ‘notorisch‘ zu bezeichnen. Es ist außerdem zu erkennen, dass das Überspringen von dem Tier nicht leichtfertig und aus Gewohnheit, sondern nach längerem Zögern und Abwarten erfolgte. GW1080 hat keinerlei dreistes Verhalten gezeigt, welches zur Gefährdung von Menschen führen kann. 8. Welche Maßnahmen werden seitens der Landesregierung - ab wann - gegen den benannten Wolf eingeleitet? Bitte begründen und dabei konkret der Ablauftabelle in 8.2 Wolfsverhalten : Ursachen und Handlungsbedarf (LEITLINIE WOLF - HANDLUNGSEMPFEH- LUNGEN ZUM UMGANG MIT WÖLFEN) zuordnen. Folgender Abschnitt kommt aus der Ablauftabelle 8.2 aus der Leitline Wolf in diesem Fall in Betracht: „Wolf tötet ungeschützte oder nicht ausreichend geschützte Nutztiere“ Durchgeführte Maßnahmen: Nach dem Angriff auf die Schafherde in Streetz am 14.10. wurde der Tierhalter durch das WZI auf den unzureichenden Schutz in der Koppel hingewiesen, in der er einen Teil der Schafe für die Nacht halten wollte. Das WZI hat dem Halter praktisch leicht durchsetzbare Änderungen vorgeschlagen , die von ihm nicht durchgeführt wurden. Gegen den Rat des WZI hat er einen Teil seiner Schafe über Nacht in der benannten Koppel gelassen, woraufhin dort ein Schaf nachweislich von GW1080 getötet wurde. Zur Begutachtung dieses Schafes wurde der Halter am 15.10. erneut durch das WZI auf den unzureichenden Schutz hingewiesen und ihm Änderungsvorschläge unterbreitet . Auch mit dem Verantwortlichen in Natho wurden nach der Rissbegutachtung am 15.10. durch das WZI mögliche Herdenschutzmaßnahmen besprochen und empfohlen. Nach dem Vorfall in Streetz am Samstag, 27.10. hat das WZI in Zusammenarbeit mit zwei Wolfsbotschaftern des NABU am Montag, 29.10. den Tierhalter bei der Umsetzung von verbesserten Herdenschutzmaßnahmen praktisch und materiell unterstützt. Hierbei wurden die Tiere auf eine andere Weidefläche getrieben und zusätzlich zu dem 90 cm hohen Flexinetz ein nicht stromführendes Flatterband auf einer Höhe von 120 cm installiert. Die dafür benötigten Steigbügelpfähle sowie das Flatterband stammten aus den von der Landesregierung bereitgestellten Notfallsets. Seit den oben genannten Maßnahmen wurden dem WZI keine weiteren Rissvorfälle von den Tierhaltern gemeldet. GW1080 ist seit dem nicht noch einmal an einem Riss nachgewiesen worden. Der Abschnitt „Wolf tötet immer wieder geschützte Nutztiere. Findet stets einen Weg, den Schutz zu überwinden.“ kommt in diesem Fall nicht zur Geltung, da die getöteten Nutztiere nicht in allen drei Fällen ausreichend geschützt waren. 6 Literatur: REINHARDT, I.; KACZENSKY, P.; KNAUER, F.; RAUER, G.; KLUTH, G.; WÖLFL, S.; HUCKSCHLAG, D.; & WOTSCHIKOWSKY, U. (2015): Monitoring von Wolf, Luchs und Bär in Deutschland. - BfN-Skripten 413: 1-94.