Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/3977 21.02.2019 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 21.02.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Stefan Gebhardt (DIE LINKE) Abgeordneter Hendrik Lange (DIE LINKE) Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes auf dem Grundstück der Hafenstraße 7 in Halle Kleine Anfrage - KA 7/2257 Vorbemerkung der Fragestellenden: Die erste hallesche Gasanstalt auf dem Grundstück in der Hafenstraße 7 in Halle ist als ausgewiesenes Kulturdenkmal ein wichtiges Zeugnis der Industriegeschichte der Stadt Halle. Nach der Wiederübernahme der Gebäude der Hafenstraße 7 durch die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG) fanden im Dezember 2018 erste Abrissarbeiten auf dem Gelände statt. Dabei wurde mit dem Kessel- und Reglerhaus der ehemaligen Gasanstalt ohne rechtliche Grundlage ein über 100 Jahre altes Baudenkmal zerstört. Die HWG spricht in diesem Zusammenhang von einem „bedauerlichen Missverständnis“. Antwort der Landesregierung erstellt von der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur Frage 1: Was ist den Landesdenkmalschutzbehörden über diesen Fall bekannt und wie beurteilen sie diesen Fall? Bei dem Objekt Hafenstraße 7 in Halle (Saale) handelt es sich um ein Kulturdenkmal. Es ist als Baudenkmal gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (DenkmSchG LSA) im nachrichtlichen Denkmalverzeichnis des Landes eingetragen. Denkmalkonstituierend für das Baudenkmal sind das ehemalige Wohn- und Verwaltungsgebäude mit Werkseinfriedung, die Gasometertassen sowie 2 das Kessel- und Reglerhaus. Eigentümerin des mit dem Denkmal bebauten Grundstücks ist die Hallesche Wohnungsgesellschaft mbH. Durch eine Presseberichterstattung am 21.12.2018 ist der Abriss des denkmalgeschützten Kessel- und Reglerhauses dem Land bekannt geworden. Da es sich bei diesem Gebäude um einen Bestandteil eines geschützten Kulturdenkmals handelt, war der Abbruch denkmalschutzrechtlich genehmigungspflichtig (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 DenkmSchG LSA). Er hätte also nur dann vollzogen werden dürfen , wenn die hierfür erforderliche Abbruchgenehmigung vorgelegen hätte, für deren Erteilung die Stadt Halle (Saale) als untere Denkmalschutzbehörde zuständig gewesen wäre (§§ 14 Abs. 1, 8 Abs. 1 S. 1 DenkmSchG LSA). Ein Antrag auf Abbruch des Kessel- und Reglerhauses ist bei der unteren Denkmalschutzbehörde jedoch nicht gestellt worden. Demzufolge lag auch keine Genehmigung für den Abbruch vor, weshalb dieser aus denkmalschutzrechtlicher Sicht als rechtswidrig einzuordnen ist. Frage 2: Wird die Obere Denkmalschutzbehörde des Landes in dem Fall tätig bzw. ist sie bereits tätig geworden? Wenn nein, warum nicht? Im Rahmen seiner fachaufsichtlichen Befugnisse hat das Landesverwaltungsamt in seiner Zuständigkeit als obere Denkmalschutzbehörde umgehend nachdem der Abriss des Kessel- und Reglerhauses bekannt geworden war, die Stadt Halle (Saale) als untere Denkmalschutzbehörde zur Sachverhaltsklärung und Berichterstattung aufgefordert. Diese hat daraufhin mitgeteilt, ebenfalls erst durch den Pressebericht vom 21.12.2018 auf den Abriss des Gebäudes aufmerksam geworden zu sein. Die Abrissarbeiten waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Da die erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigung für den Abbruch nicht vorgelegen hat, hat die untere Denkmalschutzbehörde die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens gem. § 22 Abs. 1 Nr. 4 DenkmSchG LSA veranlasst. Über den Fortgang und das Ergebnis des Ordnungswidrigkeitenverfahrens wird sich die obere Denkmalschutzbehörde berichten lassen. Darüber hinausgehende fachaufsichtliche Maßnahmen sind derzeit nicht vorgesehen. Frage 3: War der Abriss nachträglicher Bebauung und von Anbauten laut Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt rechtens? Die Landesregierung hat keine Kenntnis darüber, dass neben dem denkmalkonstituierenden Kessel- und Reglerhaus weitere denkmalrelevante Bebauung bzw. Anbauten abgerissen worden sind. Frage 4: Hat aus Sicht der Landesregierung die HWG durch das Befahren des Geländes mit schwerem Gerät ohne Genehmigung sachgerecht gehandelt? Nach § 4 Absatz 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) hat jeder, der auf den Boden einwirkt, sich so zu verhalten, dass schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden. Außerdem besteht entsprechend § 7 BBodSchG eine Vorsorgepflicht der Grundstückseigentümer, keine Veränderungen der Bodenbeschaffenheit herbeizuführen. 3 Inwiefern und in welchem Ausmaß durch das Befahren auf dem Grundstück der Hafenstraße 7 Bodenverdichtungen eingetreten sind, ist nicht bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass durch eine zeitweise Befahrung des Geländes mit typischen Baufahrzeugen oder der temporären Ablagerung von Materialien keine schädlichen Bodenveränderungen im Sinne des BBodSchG entstanden sind. Eine bodenschutzrechtliche Genehmigungspflicht besteht hierfür nicht; ebenso keine denkmaloder bauordnungsrechtliche Genehmigungspflicht. Frage 5: Ist die HWG aus Sicht der Landesregierung als öffentliches Unternehmen ihrer Verantwortung als Denkmalbesitzer gerecht geworden? Die HWG unterliegt - wie alle anderen Denkmaleigentümer auch - der in § 9 Abs. 2 DenkmSchG LSA normierten Erhaltungspflicht und ist somit an die Bestimmungen des Denkmalschutzrechts des Landes Sachsen-Anhalt gebunden. Vor dem Hintergrund , dass die HWG als städtisches Unternehmen kommunal- und wohnungspolitische Interessen und somit auch öffentliche Belange vertritt, kommt ihr im Umgang mit den in ihrem Besitz befindlichen Kulturdenkmalen eine besondere Sorgfaltspflicht und Vorbildfunktion zu. Hinsichtlich der Beurteilung der Verantwortung der HWG bezüglich des Baudenkmals Hafenstraße 7 sind zunächst die Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (s. Frage 7) bzw. des danach ggf. fortzusetzenden Ordnungswidrigkeitenverfahrens (s. Frage 2) abzuwarten, wo festzustellen sein wird, welche tatsächlichen Gründe dem ohne denkmalschutzrechtliche Genehmigung durchgeführten Abriss des Kessel- und Reglerhauses zugrunde lagen. Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass die HWG in den vergangenen Jahren eine Reihe bedeutender Kulturdenkmale denkmalgerecht und in enger Abstimmung mit den zuständigen Denkmalbehörden saniert hat. Hier zeigte sich die HWG ihren denkmalrechtlichen Pflichten sowie ihrer besonderen Sorgfaltspflicht und Vorbildfunktion im Umgang mit den Kulturgütern stets bewusst. Frage 6: Sieht die Landesregierung hinsichtlich der Tatsache, dass die Denkmalschutzbehörde der Stadt Halle für die Beurteilung des Falls zuständig ist, einen möglichen Interessenkonflikt? Wenn nein, warum nicht? Es entspricht der geltenden Rechtslage, dass sich denkmalschutzrechtliche Entscheidungen auch an rechtsfähige juristische Personen des Privatrechts (z. B. Wohnungsgesellschaften , Energieversorger u. ä.) richten können, die sich mehrheitlich oder vollständig im Eigentum der kommunalen Gebietskörperschaft befinden, die auch die Aufgaben einer unteren Denkmalschutzbehörde wahrnimmt. Eine Sonderzuständigkeit der oberen Denkmalschutzbehörde bei Kulturdenkmalen, die der Gebietskörperschaft gehören, die auch untere Denkmalschutzbehörde ist, besteht seit der Aufhebung des § 8 Abs. 4 DenkmSchG LSA durch Inkrafttreten des ersten Funktionalreformgesetzes vom 22.12.2004 (GVBl. LSA S. 852) nicht mehr. Allerdings unterstehen alle denkmalschutzrechtlichen Entscheidungen im Bedarfsfall der fachaufsichtlichen Prüfung der oberen Denkmalschutzbehörde (§ 4 Abs. 2 Satz 2 4 DenkmSchG LSA). Insofern besteht ein gesetzlicher Kontrollmechanismus dafür, dass Interessenskonflikten - sofern solche im Einzelfall tatsächlich bestehen sollten - begegnet werden kann. Im Falle des ohne Genehmigung abgerissenen Kessel- und Reglerhauses sieht die Landesregierung, obgleich die HWG eine Tochtergesellschaft der Stadt Halle (Saale) ist, derzeit keine Anzeichen für einen bestehenden Interessenskonflikt. Durch die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens (s. Frage 2) hat die untere Denkmalschutzbehörde unmittelbar und angemessen auf den festgestellten Rechtsverstoß reagiert. Frage 7: Ermittelt die Staatsanwaltschaft in dem Fall? Wenn nein, warum nicht? Bei der Staatsanwaltschaft Halle ist bezüglich des Abrisses des Kessel- und Reglerhauses eine Strafanzeige eingegangen. Die Ermittlungen zum Sachverhalt wurden aufgenommen. Frage 8: Welche Kontaminationen des Geländes Hafenstraße 7 sind dem Land bekannt? Das Grundstück wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Gasproduktions- und Lagerstätte genutzt. Im zentralen Bereich des Grundstücks befinden sich die Überreste von drei Gasometerfundamenten. Im Boden konnten gaswerkstypische Belastungen mit PAK, BTEX und Cyanid nachgewiesen werden. Im östlichen Teil des Grundstücks wurden Überschreitungen der Vorsorgewerte gemäß Bundes-Bodenschutzund Altlastenverordnung (BBodSchV) für Schwermetalle, PAK und Benzo(a)pyren festgestellt. Frage 9: Stehen Fördermittel zur Beseitigung von Bodenkontaminationen im genannten Fall zur Verfügung? Wenn ja, welche und hat sich die HWG um Fördermittel zur Beseitigung von Kontaminationen bemüht? Die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Vorhaben zur Altlastensanierung (MBI. LSA Nr. 10/2017 vom 20.03.2017) ermöglicht Förderungen an Städte und Gemeinden für Vorhaben der Sanierung von schadstoffbelasteten Standorten. Die Landesregierung hat keine Kenntnisse darüber, dass sich die Stadt für die HWG um entsprechende Fördermittel bemüht hat. Frage 10: Was ist der Landesregierung über Bebauungspläne der HWG auf dem Grundstück der Hafenstraße 7 bekannt? Die Landesregierung hat keine Kenntnisse über die künftigen Nutzungs- bzw. Bebauungsabsichten der Eigentümerin. 5 Frage 11: Welche Bedeutung bemisst die Landesregierung der Existenz eines mutmaßlichen Weltkriegsbunkers auf dem Grundstück der Hafenstraße 7 in Halle? Die Landesregierung hat keine verifizierten Erkenntnisse bezüglich der Existenz eines Weltkriegsbunkers auf dem Grundstück. Entsprechende Hinweise bedürfen zunächst einer denkmalfachlichen Bewertung.